BT-Drucksache 16/1592

Verteilungswirkungen des Ehegattensplittings

Vom 22. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1592
16. Wahlperiode 22. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Jörn Wunderlich, Karin Binder, Inge Höger-Neuling
und der Fraktion DIE LINKE.

Verteilungswirkungen des Ehegattensplittings

Das Splitting-Verfahren bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten im Ein-
kommensteuergesetz (EStG) ist seit vielen Jahren umstritten. Befürworter des
Splittings begründen seine Notwendigkeit unter anderem mit dem verfassungs-
rechtlichen Schutz von Ehe und Familie, der Besteuerung nach dem Leistungs-
fähigkeitsprinzip und der verfassungsrechtlich geschützten Freiheit der Ehe-
gatten, frei über die eheliche Arbeitsteilung zu entscheiden. Besonders diese
Freiheit der Gestaltung der ehelichen Arbeitsteilung sei nur durch die steuerliche
Betrachtung der Ehegatten als Einheit zu erreichen. Zudem müsse die Funktion
der Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs, in der den Eheleuten
das gemeinsame Einkommen wechselseitig zur Verfügung steht, auch im Steu-
errecht Berücksichtigung finden. Dem wird Verschiedenes entgegengehalten:
Ein Anspruch auf eine bestimmte Förderung über die Berücksichtigung des
Existenzminimums der Partnerin/des Partners hinaus lasse sich aus Artikel 6
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht herleiten. Gegen das Splitting-Verfahren
spricht vor allem, dass es eine Förderung von Einverdienstehen darstellt, weil
der Splittingeffekt am stärksten ist, wenn nur ein Ehegatte das Einkommen des
Paares erzielt. Somit erhält die traditionelle „Hausfrauenehe“ einen Splitting-
vorteil, den die Zweiverdienerehe nicht erreichen kann. Gleichzeitig werden
unverheiratete Paare und eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner
benachteiligt, denn sie profitieren nicht vom Ehegattensplitting. Aus gleichstel-
lungspolitischer Perspektive ist das Ehegattensplitting einer der wichtigsten
Fehlanreize gegen eine Erwerbstätigkeit von Ehefrauen. Das ist auch ver-
fassungsrechtlich problematisch, denn der Staat muss gemäß Artikel 3 Abs. 2
Satz 2 GG auf die Beseitigung tatsächlicher Nachteile für die Gleichberechti-
gung von Frauen und Männern hinwirken. Familienpolitisch betrachtet, ist die
Förderung einer bestimmten Art von Ehe anstatt von Familien zu kritisieren.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat zwar darauf hingewiesen, dass das
Ehegattensplitting kein beliebiger Steuervorteil ist, die Frage anderer Möglich-
keiten der Besteuerung von Ehegatten aber offen gelassen. Trotz dieser wich-
tigen Kritikpunkte hält die Bundesregierung bisher am Ehegattensplitting fest.
Deshalb bitten wir um eine Darstellung der aktuellen Verteilungswirkungen des
Ehegattensplittings. Die Erhebung der Einkommensteuer durch die Lohnsteuer

und die dort mögliche Einteilung in die Lohnsteuerklassen III und V soll laut
Koalitionsvertrag reformiert werden. Wegen des Sachzusammenhangs der bei-
den Themen wird auch zur geplanten Reform der Lohnsteuerklassen gefragt.

Drucksache 16/1592 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist die Belastung des Bundeshaushalts durch Steuermindereinnah-
men, die aus dem Splitting resultieren, jeweils in den Jahren 1998 bis 2005
gewesen?

2. Wie hoch ist der Anteil des Entlastungsvolumens für Einverdienstehen am
Gesamtentlastungsvolumen (jeweils für die Jahre 1998 bis 2005)?

3. Wie hoch ist der durchschnittliche Splittingvorteil in Einverdienstehen
gegenüber Zweiverdienstehen in den Einkommensgruppen (jeweils ge-
meinsames Haushaltsjahreseinkommen von Euro) 30 000, 50 000, 80 000,
100 000, 120 000 (jeweils für die Jahre 1998 bis 2005)?

4. Wie hoch ist der jährliche Anteil des Entlastungsvolumens, der auf Ehepaa-
re ohne minderjährige Kinder entfällt (jeweils für die Jahre 1998 bis 2005)?

5. In welcher Höhe profitieren Ehepaare mit folgenden Haushaltseinkommen
(30 000, 50 000, 80 000, 100 000, 120 000 Euro) und Einkommenskonstel-
lationen (50:50, 70:30; 100:0) vom Ehegattensplitting (jeweils für die Jahre
1998 bis 2005)?

6. Wie ist die regionale Verteilung des Entlastungsvolumens durch das Ehe-
gattensplitting auf die einzelnen Bundesländer (bitte in Prozent angeben,
jeweils für die Jahre 1998 bis 2005)?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das Ehegattensplitting ein
Hemmnis für die Erwerbsintegration von Frauen darstellt, und wie begrün-
det sie ihren Standpunkt?

8. Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, das Ehegattensplitting sei
wegen Verstoßes gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen
des Geschlechts verfassungswidrig (bitte begründen)?

9. Wie hoch war der Anteil von Frauen und Männern in den Lohnsteuerklassen
III und V (jeweils für die Jahre 1998 bis 2005)?

10. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform der Lohn-
steuerklassen vorlegen?

Berlin, den 19. Mai 2006

Klaus Ernst
Jörn Wunderlich
Karin Binder
Inge Höger-Neuling
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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