BT-Drucksache 16/1578

Weitere Fragen zum geplanten Elterngeld der Bundesregierung

Vom 19. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1578
16. Wahlperiode 19. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ina Lenke, Miriam Gruß, Sibylle Laurischk, Birgit Homburger,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Weitere Fragen zum geplanten Elterngeld der Bundesregierung

Bei der Unterrichtung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend am 10. Mai 2006 durch die Ministerin Dr. Ursula von der Leyen über
weitere Einzelheiten des geplanten Elterngeldes haben sich im Nachgang zur
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf
Bundestagsdrucksache 16/769 weitere Fragen ergeben.

Das Elterngeld soll zum 1. Januar 2007 das bisherige Erziehungsgeld ersetzen
und der Verbesserung der wirtschaftlichen Grundlagen von Familien dienen. Es
soll das individuelle Nettoeinkommen zu 67 Prozent ersetzen und höchstens
1 800 Euro betragen. Elterngeld soll grundsätzlich für die Dauer von einem Jahr
gewährt werden; zwei weitere Monate sollen gewährt werden, wenn der Partner
seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung unterbricht oder ein-
schränkt. Alleinerziehende sollen vierzehn Monate Elterngeld erhalten. Bei
Geringverdienern mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1 000 Euro monat-
lich soll der prozentuale Einkommensersatz für wegfallendes Einkommen auf
bis zu 100 Prozent anwachsen; für je zwanzig Euro, um die das maßgebliche
Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, soll sich der Prozentsatz
um ein Prozent erhöhen. Ferner sollen alle Eltern einen Mindestbetrag von 300
Euro erhalten, sofern sie nicht mehr als dreißig Stunden pro Woche arbeiten. Bei
Bezug von ALG II, Sozialhilfe, Wohngeld und Kinderzuschlag ist ein anrech-
nungsfreies Elterngeld von 300 Euro vorgesehen. Wird innerhalb von 24 Monaten

ein weiteres Kind geboren, soll ein Geschwisterbonus in Höhe der Hälfte
der Differenz von erstem und Mindestelterngeld gezahlt werden. Das Elterngeld
– so das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – wird
helfen, wenn es Bestandteil eines ausgewogenen Dreiklangs aus guter Infra-
struktur, einer familienfreundlichen Arbeitswelt und weiteren zielgenauen
finanziellen Leistungen für die Familie wird.

Drucksache 16/1578 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung selbst ergreifen und welche
gegenüber den Bundesländern und Gemeinden gegebenenfalls unter Kos-
tenbeteiligung anregen, um innerhalb eines ausgewogenen Dreiklangs aus
guter Infrastruktur, einer familienfreundlichen Arbeitswelt und weiteren
zielgenauen finanziellen Leistungen für Familien ausreichende Betreuungs-
möglichkeiten für die Zeit nach dem Auslaufen des Elterngeldes zu schaf-
fen?

2. Hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
bereits Gespräche mit den Bundesländern geführt, um ein ausreichendes
Betreuungsangebot ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zu schaffen und
eine Regelung zu finden, inwieweit gegebenenfalls die Gewährung von
Landeserziehungsgeld dem geplanten Elterngeld angepasst werden müsste,
und falls ja, mit welchem Ergebnis?

3. Wie flexibel kann Elterngeld in Anspruch genommen werden, d. h. soll
auch eine regelmäßige Aufteilung innerhalb einer Woche oder eines Monats
möglich sein, und falls nein, warum nicht?

4. Zu welchem Zeitpunkt muss Elterngeld beantragt werden, wann muss eine
Entscheidung über die Aufteilung der Vater- und Mutter-Monate erfolgen,
muss diese Entscheidung den gesamten Zeitraum umfassen und inwiefern
soll es möglich sein, während der Inanspruchnahme des Elterngeldes die ur-
sprünglich gewählte Aufteilung zwischen den Eltern, etwa bei Krankheit, zu
ändern?

5. Warum soll Elterngeld nur im Anschluss an die Geburt eines Kindes
und den Mutterschutz in Anspruch genommen werden können und nicht
auch – wie dies bei Adoptionen und Pflegeeltern geplant ist – zu einem
späteren Zeitpunkt, etwa bis zum sechsten oder achten Lebensjahr?

6. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dafür,
Eltern, die nach der Geburt des Kindes beide voll erwerbstätig sind, kein
Elterngeld zu gewähren?

7. Unter welchen Voraussetzungen soll Elterngeld auch an dritte, das Kind
betreuende, Personen – beispielsweise Pflegeeltern – gezahlt werden?

8. Unter welchen Voraussetzungen erhält ein Elternteil nach wie vor Eltern-
geld, auch wenn Pflegeeltern die Betreuung des Kindes im Rahmen der
Tagespflege übernehmen?

9. In welchen Fällen wird bei der Gewährung von Elterngeld an das individu-
elle Nettoeinkommen des betreuenden Elternteils angeknüpft, und in
welchen Fällen wird das Einkommen beider Eltern berücksichtigt?

10. Welche Einkunftsarten werden beim Nettoeinkommen, das der Berechnung
des Elterngeldes zugrunde liegt, erfasst?

11. Werden bei der Ermittlung der Höhe des Elterngeldes, etwa bei Studieren-
den, auch Unterhaltszahlungen oder Leistungen aufgrund des BAföG zur
Einkommensermittlung herangezogen?

12. Soll bei Selbstständigen auch an das Nettoeinkommen der letzten drei
Monate vor der Geburt angeknüpft werden, falls ja, wie soll dieses ermittelt
werden, wenn die Steuererklärung noch nicht erstellt ist, und soll gegebe-
nenfalls Einkommen geschätzt werden?

13. Welches ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Netto-
einkommens, wenn sich ein Elternteil in Elternzeit befindet, und nach dem

Stichtag 1. Januar 2007 ein weiteres Kind geboren wird?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1578

14. Falls die Berechnungsgrundlage für das Elterngeld nachträglich korrigiert
wird, wie soll sich dies auf die Höhe des zu gewährenden Elterngeldes, etwa
im Rahmen einer Rückzahlungsverpflichtung, auswirken?

15. Ist geplant, eine Obergrenze des individuellen oder des Familieneinkom-
mens in vergleichbarer Höhe zur Einführung der sog. Reichensteuer einzu-
führen, ab der die Eltern kein Elterngeld beanspruchen können, und falls ja,
wo wird diese angesiedelt sein?

16. Weshalb soll als Berechnungsgrundlage – so das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend – für die Gewährung von Elterngeld
das individuelle Nettoeinkommen gewählt werden, und wie soll die laut
Bundesministerium vorgesehene Bereinigung um Einmalzahlungen, Steu-
ern, Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten erfolgen?

17. Welches sind die Gründe, die bei der Berechnung des geplanten Eltern-
geldes für eine Anknüpfung an das Einkommen der letzten drei Monate vor
der Geburt sprechen, und in welchen Fällen kann auf Antrag dieser Zeit-
raum erweitert werden?

18. Welches ist der Stichtag für die Berechnung des geplanten Elterngeldes für
denjenigen Partner, der die Elternzeit zeitlich versetzt zu einem späteren
Zeitpunkt in Anspruch nimmt?

19. Hat die Wahl der Steuerklasse Auswirkungen auf die Höhe des zu zahlenden
Elterngeldes, und wie hoch werden voraussichtlich die Unterschiede sein,
die sich aufgrund der unterschiedlichen Steuerklassen hinsichtlich des
Elterngeldes in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens ergeben?

20. Warum wird nicht ein pauschaliertes Nettoeinkommen, wie es sich bei der
Ermittlung der Einkommensgrenzen für die Gewährung von Bundes-
erziehungsgeld findet, als Bezugsgröße gewählt?

21. Wird es Vorschriften hinsichtlich bestimmter Fristen vor der Geburt für die
Wahl der Steuerklasse geben, und falls ja, wie werden diese ausgestaltet
sein?

22. Welches sind die Gründe, die für die Zulässigkeit einer Teilzeitbeschäfti-
gung nach der Geburt von 30 Stunden pro Woche während des Bezugs des
Elterngeldes unabhängig von der Vergütung sprechen, und inwiefern wer-
den von diesem Grundsatz Ausnahmen vorgesehen, wenn die Eltern den
Bezug von Elterngeld auf den doppelten Zeitraum bei hälftiger monatlicher
Zahlung erstrecken wollen?

23. Wird es möglich sein, dass beiden Elternteilen, die teilzeitbeschäftigt sind,
gleichermaßen Elterngeld gewährt wird, und sollen die bereits nach dem
Bundeserziehungsgeldgesetz geltenden Bestimmungen unabhängig von
dem erzielten Einkommen gelten?

24. Anhand welcher Kriterien soll entschieden werden, ob es sich um „echte“
Alleinerziehende handelt, damit zwei zusätzliche Monate Elterngeld ge-
zahlt werden (12+2)?

25. Inwieweit sollen bei der Bestimmung der „echten“ Alleinerziehenden eine
räumliche Trennung der Elternteile und das alleinige Sorgerecht eines
Elternteils ausschlaggebend sein?

26. Welche Kriterien sprechen für die Anknüpfung an das alleinige Sorgerecht
für die Alleinerziehung?

27. Falls ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern den Bezug des Elterngeldes bei
Alleinerziehenden auf zwölf Monate verkürzen würde und weitere zwei

Monate Elterngeld die Inanspruchnahme durch den anderen Elternteil vor-

Drucksache 16/1578 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

aussetzten, wie sollen Erziehung und Betreuung bei getrennten Wohnungen
ausgestaltet sein?

28. In welcher Höhe und für welchen Zeitraum soll Elterngeld gewährt werden,
wenn die Eltern getrennt sind, ein Scheidungsverfahren anhängig ist oder
die Scheidung bereits erfolgt ist?

29. Welche Rolle spielen Unterhaltszahlungen (Getrenntlebend-, Nachehe-
lichen- und Kindesunterhaltszahlungen) durch einen Partner bei der Gewäh-
rung des geplanten Elterngeldes?

30. Aus welchem Grund soll der Einkommensersatzanteil für wegfallendes
Einkommen bei einem Nettoeinkommen vor der Geburt von weniger als
1 000 Euro monatlich auf bis zu 100 Prozent anwachsen, und welche Leis-
tungen werden dem Nettoeinkommen zugerechnet?

31. Warum soll ein Geschwisterbonus bei nachfolgenden Geburten innerhalb
von 24 Monaten eingeführt werden, und aus welchen Gründen soll der
Geschwisterbonus die Hälfte der Differenz zum ersten Elterngeld nach
aktiver Beschäftigung betragen, das immer eine erhebliche Einbuße bei der
Höhe des Elterngeldes darstellt?

32. Soll ein Geschwisterbonus oder eine diesem ähnliche Regelung bei der
Geburt von Zwillingen, Drillingen oder Vierlingen Anwendung finden, und
ist geplant, die Elterngeldzahlung in diesen Fällen über die 12+2 Monate
hinaus zu verlängern?

33. Sollen bei der Inanspruchnahme von Elterngeld und der geleisteten Erzie-
hungsarbeit Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung gut-
geschrieben werden, und falls nein, warum nicht?

34. Werden weiterhin ALG-II-Empfängerinnen und -empfängern bei Bezug des
Elterngeldes Rentenpunkte gutgeschrieben?

35. Welches sind die Gründe, dass bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern Eltern-
geld für einen Zeitraum von einem Jahr und nicht von vierzehn Monaten
bezogen werden kann?

36. Inwiefern wird das Mutterschaftsgeld während der ersten acht Wochen nach
der Geburt des Kindes auf das Elterngeld angerechnet?

37. Welches sind die Gründe, bei der Einführung von Elterngeld ab dem 1. Ja-
nuar 2007 keine Übergangsregelung etwa für im Dezember 2006 geborene
Kinder vorzusehen?

38. Werden diejenigen Eltern, die sich für die Inanspruchnahme von Erzie-
hungsgeld in Höhe des Regelbetrages von 300 Euro für zwei Jahre entschie-
den haben, diesen Betrag als Mindestleistung ein weiteres Jahr in Anspruch
nehmen können?

39. Welche Haushaltsmittel werden durch die Gewährung von Elterngeld
während der nächsten Jahre voraussichtlich in den Haushalt eingestellt
werden, und inwiefern hat sich der Gesamtansatz mit Blick auf die Verlän-
gerung der grundsätzlichen Bezugszeit auf ein Jahr (12+2) statt zuvor zehn
Monate (10+2) verändert?

40. In welchem Umfang werden sich die Steuereinnahmen des Staates aufgrund
der Anwendung des Progressionsvorbehaltes bei Bezug des Elterngeldes
gegenüber einer Regelung ohne Anwendung des Progressionsvorbehaltes
beim Elterngeld erhöhen?

41. Wieviele Familien werden nach Schätzungen des Bundesministeriums für
Familie, Senioren Frauen, und Jugend pro Jahr Elterngeld beziehen, und wie

viele Familien hiervon werden gegenüber bisherigen Regelungen voraus-
sichtlich schlechter gestellt sein?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1578

42. Wie wird sich die prozentuale Verteilung des Elterngeldes voraussichtlich
während der nächsten Jahre auf das Mindestelterngeld, den Bereich der
Geringverdiener und Zahlungen bis 1 800 Euro darstellen?

43. Welche Behörden werden für die Auszahlung des geplanten Elterngeldes
zuständig sein?

44. Wird die Einführung des Elterngeldes zu einem höheren Verwaltungsauf-
wand führen, und falls ja, wie hoch sind die voraussichtlich entstehenden
Kosten, wer muss diese tragen und wird hierfür wie entschädigt, und inwie-
fern besteht die Möglichkeit, Zuständigkeiten gegebenenfalls zu bündeln?

Berlin, den 19. Mai 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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