BT-Drucksache 16/1534

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/752, 16/1369, 16/1525- Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (Haushaltsbegleitgesetz 2006 - HBeglG 2006)

Vom 18. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1534
16. Wahlperiode 18. 05. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Heinrich L. Kolb, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/752, 16/1369, 16/1525 –

Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006
(Haushaltsbegleitgesetz 2006 – HBeglG 2006)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag hält Steuererhöhungen innerhalb dieses Gesetzes mit
einem Finanzvolumen von über 70 Mrd. Euro für nicht akzeptabel. Dieses gi-
gantische Steuererhöhungsprogramm ist sozial ungerecht und gleichzeitig eine
schwere Hypothek für die sich belebende Konjunktur.

Die Bundesregierung stellt sich mit dem vorgelegten Gesetzentwurf gegen
mehrheitlich vorgebrachte deutliche Kritik von Deutscher Bundesbank, der

Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden und Wissenschaft.

Die wesentlichen Maßnahmen wie die 3-prozentige Erhöhung der Mehrwert-
und Versicherungsteuer, die Anhebung der Pauschalabgaben von 25 Prozent auf
30 Prozent bei den Minijobs, der Anstieg der Vorsteuerbelastung in der Land-
und Forstwirtschaft, die Halbierung des Weihnachtsgeldes und die Kürzung der
Bundesbankzulage sind negativ beurteilt worden.

Drucksache 16/1534 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Politik der Bundesregierung ist inkonsistent. Ein in sich schlüssiges wirt-
schafts- und finanzpolitisches Konzept ist nicht zu erkennen. Einerseits wird ein
Ausgabenprogramm mit einem Finanzvolumen von 25 Mrd. Euro über vier Jahre
beschlossen, gleichzeitig wird über die Anhebung von Steuern und Abgaben den
Bürgern und der Wirtschaft ein Vielfaches genommen. Dem 25-Mrd.-Ausgaben-
programm stehen Einnahmeverbesserungen der öffentlichen Haushalte durch
Steuererhöhungen und den Abbau von Steuervergünstigungen in Höhe von
115 Mrd. Euro gegenüber.

Das von der Bundesregierung angeführte Argument, Wachstumsimpulse mit
einem 25-Mrd.-Euro-Ausgabenprogramm setzen und den Aufschwung gleich-
zeitig nicht „kaputtsparen“ zu wollen, ist eine irreführende Leerformel. Sie sug-
geriert, ein Wirtschaftsaufschwung könne nur durch staatliche Ausgabenpro-
gramme erreicht werden, während die Haushaltskonsolidierung hingegen einen
wirtschaftlichen Abschwung verursache. Sie ist zudem gefährlich, weil auf
diese Art und Weise jede Finanzpolitik gerechtfertigt werden kann, die eine
Erhöhung der Staatsverschuldung zum Inhalt hat.

Konjunkturpolitisch kann die Strategie, massiv Steuern zu erhöhen und gleich-
zeitig ein Ausgabenprogramm zur Belebung der Konjunktur zu starten, schwer-
lich aufgehen. Die von der Bundesregierung vorgebrachte Argumentation, die
Steuererhöhungen und das 25-Mrd.-Euro-Ausgabenprogramm seien zeitlich so
aufeinander abgestimmt, dass die konjunkturellen Wirkungen optimiert werden,
hat keinerlei ökonomische Grundlage.

Bei der Verwendung der Einnahmen durch die Mehrwertsteuererhöhung ver-
sucht die Bundesregierung Augenwischerei zu betreiben.

Anders als behauptet fließen faktisch drei Mehrwertsteuerpunkte und nicht wie
ursprünglich vorgesehen zwei Mehrwertsteuerpunkte in die Haushalte. Während
die Bundesregierung den einen Mehrwertsteuerpunkt zur Finanzierung der
Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitragssatzes weiterreicht, holt sie
sich das Geld durch verschiedene andere Maßnahmen wieder zurück. Den 21,8
Mrd. Euro bei der Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages stehen
22,2 Mrd. Euro durch Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben in der gesetzlichen
Kranken- und Rentenversicherung innerhalb von drei Jahren gegenüber. Durch
diesen „Verschiebebahnhof Sozialkassen“ muss darüber hinaus mit höheren Bei-
tragssätzen gerechnet werden.

Insgesamt ist festzustellen:

1. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung ist der falsche Weg zur Lösung der
Haushaltsprobleme. Sie belastet über 35 Millionen Menschen. Betroffen
sind:

– 21,8 Millionen Rentner und 1,4 Millionen Pensionäre

– 4,7 Millionen Arbeitslose

– 3,8 Millionen Selbständige

– 2 Millionen Studenten

– 1,8 Millionen Beamte

2. Statt Steuerfinanzierung ist eine verstärkte Reduzierung der Staatsausgaben
zur Haushaltskonsolidierung notwendig.

3. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung ist konjunkturschädlich und führt zu
einem Preisanstieg von bis zu 1,5 Prozentpunkten ab dem Jahr 2007.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1534

4. Das Wirtschaftswachstum wird im Jahr 2007 um einen Prozentpunkt niedri-
ger ausfallen.

5. Die Mehrwertsteuererhöhung entwertet die im Kern richtige Senkung der
Arbeitskosten.

6. Die Anhebung der Pauschalabgaben bei den Minijobs vernichtet Arbeits-
plätze in erheblichem Umfang.

Wie wenig das Maßnahmenpaket ökonomisch durchdacht ist, zeigt die Anhe-
bung der Pauschalabgaben von 25 Prozent auf 30 Prozent bei den Minijobs. Bis
zu 500 000 Arbeitsplätze können in diesem Bereich verloren gehen. Damit kon-
terkariert die Bundesregierung ihre eigene Zielsetzung, Arbeitsplätze schaffen
zu wollen.

Auch unter dem Blickwinkel der mittelfristigen Haushaltskonsolidierung ist es
von herausragender Bedeutung, Arbeitsplätze zu schaffen sowie beschäfti-
gungs- und wachstumsfördernden Reformen hohe Priorität einzuräumen. Dies
betrifft Reformen des Arbeitsmarktes wie zum Beispiel beim Kündigungs-
schutz, der betrieblichen Tarifgestaltung oder dem Niedriglohnsektor. Die Erhö-
hung des Pauschalabgabensatzes ist eher den Einnahmezwängen geschuldet
denn der Intention folgend, auf diesem Wege mehr sozialversicherungspflich-
tige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.

Dafür sprechen auch die weiteren Regelungen des Haushaltsbegleitgesetzes.
Sowohl bei der gesetzlichen Kranken- als auch Rentenversicherung sollen die
aus der Erhöhung des Pauschalabgabensatzes resultierenden Mehreinnahmen
nicht den Sozialversicherungen selbst zu Gute kommen. Obgleich diese eben-
falls mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben, wird von vornherein
geregelt, dass die erwarteten Mehreinnahmen mit einer Reduzierung der ent-
sprechenden Bundeszuschüsse und einer Belastung durch die Mehrwertsteuer-
erhöhung für die gesetzliche Krankenversicherung einhergehen werden. Zudem
werden die Finanzbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften und den
Sozialversicherungen durch die im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen
intransparenter. Das Ziel der Bundesregierung, die Lohnnebenkosten langfristig
unter 40 Prozent senken zu wollen, wird durch die geplanten Maßnahmen nicht
unterstützt.

Es ist festzustellen, dass der rot-schwarzen Koalition ein der ökonomischen
Vernunft gehorchender, sinnstiftender wirtschafts- und finanzpolitischer Leit-
faden fehlt. Gerade die letzten Beschlüsse zum Elterngeld und zur Reichensteuer
dokumentieren dies. Die Bundesregierung befindet sich in einem Steuerer-
höhungstaumel durch die Anhebung der Mehrwert- und Versicherungsteuer um
drei Prozentpunkte, der Verteuerung von Biodiesel und der Einführung der
„Reichensteuer“. Diese Maßnahmen sind nicht geeignet, positive Beschäfti-
gungswirkung zu entfalten und Vertrauen in die Finanzpolitik der Bundesregie-
rung zu erlangen.

II. Der Deutsche Bundestag beschließt:

1. Der Deutsche Bundestag lehnt den Gesetzentwurf und damit das größte
Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte Deutschlands ab;

2. verstärkte Konsolidierung über die Ausgabenseite in allen öffentlichen Haus-
halten durch lineare Kürzungen sämtlicher Subventionen und Zuwendungen
in einem Volumen von mind. 10 Mrd. Euro;

3. Rücknahme des schuldenfinanzierten 25-Mrd.-Euro-Ausgabenprogramms

zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung;

Drucksache 16/1534 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Finanzierung der Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung durch
den Abbau ineffizienter und entbehrlicher Leistungen in der Arbeitslosenver-
sicherung.

Berlin, den 18. Mai 2006

Jürgen Koppelin
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann

Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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