BT-Drucksache 16/1522

zu dem Antrag der Bundesregierung -16/1507- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation EUFOR RD CONGO zur zeitlich befristeten Unterstützung der Friedensmission MONUC der Vereinten Nationen während des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo auf Grundlage der Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2006

Vom 17. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1522
16. Wahlperiode 17. 05. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Dr. Norman Paech, Monika Knoche,
Wolfgang Gehrcke, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Diether Dehm, Heike Hänsel,
Dr. Hakki Keskin, Michael Leutert, Alexander Ulrich, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksache 16/1507 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der EU-geführten Operation
EUFOR RD CONGO zur zeitlich befristeten
Unterstützung der Friedensmission
MONUC der Vereinten Nationen
während des Wahlprozesses in der
Demokratischen Republik Kongo
auf Grundlage der Resolution 1671 (2006)
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2006

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die für Ende Juli 2006 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
in der Demokratischen Republik Kongo sind ein wichtiger Schritt zu einem er-
folgreichen Fortgang des Friedensprozesses. Die Wahlen sollen den im Frie-
densabkommen von 2002 festgelegten Übergangsprozess beenden. Auch wenn
kaum funktionierende staatliche Strukturen vorhanden sind und die bedeutends-
ten zur Wahl stehenden Parteien militärische Gruppen des früheren Bürgerkrie-
ges sind, haben die Wahlen für die Bevölkerung eine hohe Bedeutung. Sie wür-
den dafür stehen, einer Nation anzugehören, die ihre Geschicke wieder selbst in
die Hand nimmt. Das belegt die hohe Zahl der Menschen, die sich für die Wah-
len registriert (25 Millionen) und an dem Verfassungsreferendum im Dezember
2005 beteiligt haben.
2. Von Anfang an ging der geplante EU-Einsatz aber nicht in erster Linie von
objektiven Notwendigkeiten im Kongo aus. Am 27. Dezember vergangenen
Jahres hat Jean-Marie Guèhenno, Leiter des UN Department of Peace Keeping
Operations, die EU gebeten, die Wahlen durch Streitkräfte abzusichern. Weder
die kongolesische Regierung noch die Vertreter der VN im Kongo, die dort die
weltweit größte VN-Mission MONUC leiten, wurden informiert. Javier Solana,
EU-Repräsentant für Außen- und Sicherheitspolitik, musste der kongolesischen

Drucksache 16/1522 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Regierung ihre Zustimmung mit großem Engagement regelrecht abhandeln.
Aber auch außerhalb der Regierung haben keine relevanten gesellschaftlichen
Gruppen des Kongos den Plan einer EU-Mission begrüßt.

3. Es ist nicht nachvollziehbar, wie 1 500 Soldaten, von denen ein Teil nicht
einmal im Kongo stationiert sein wird, den propagierten Effekt erzielen sollen,
nämlich potentielle Störer der Wahlen abzuschrecken. Auch werden destabili-
sierende Effekte der EU-Mission in Kauf genommen. So wird das militärische
Hauptquartier in Kinshasa von Frankreich geleitet werden. Frankreich unter-
stützt Präsident Joseph Kabila, der über die stärkste militärische Macht unter den
Milizen im Kongo verfügt. Entsprechend wird die EU-Mission von relevanten
Oppositionsgruppen eher als Partei denn als Schutzmacht wahrgenommen (vgl.
taz, 15. März 2006, S. 3). Dies gilt insbesondere, weil die EU nur 140 zivile
Wahlbeobachter entsenden will. Kirchliche und entwicklungspolitische Grup-
pen haben mehrere zehntausend Wahlhelfer gefordert, um den demokratischen
Prozesses abzusichern, anstatt nur den Wahlgewinner durch die Militärmission
(vgl. FriEnt-Impulse 04/2006, S. 10).

4. Der zentrale Grund für die Mission Eufor R. D. Congo ist offensichtlich: Es
geht darum, den Einfluss der EU in Afrika und innerhalb der NATO zu stärken,
sowie die „Handlungsfähigkeit der Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik“ zu demonstrieren, so Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Mit dem, was die Kongolesen für ihren Friedensprozess benötigen, hat dies
wenig bis nichts zu tun. Dies erklärt auch die wechselnden Begründungen, die
u. a. die Bundesregierung heranzog, um den Einsatz zu legitimieren. Zunächst
hieß es, die Rohstoffe Kongos seien strategisch wichtig für die Wirtschaft der
westlichen Welt und dürften nicht in die falschen Hände geraten (vgl. Süddeut-
sche Zeitung, 17. März 2006). Dann wurde die Begründung nachgereicht, 1 500
in Potsdam, Gabun und Kinshasa stationierte Soldaten sollten „Flüchtlings-
ströme“ (Bildzeitung, 17. März 2006), Terrorismus und Kriminalität verhindern.

5. Ebenso schwammig wie die Begründung für eine EU-Militärmission ist das
Mandat des VN-Sicherheitsrats. Die Resolution 1671 lässt Eufor R. D. Congo
nach Kapitel VII der Charta alle Möglichkeiten, über die auch MONUC verfügt,
sowohl hinsichtlich des Einsatzgebiets als auch der Einsatzaufgaben.

6. Die Vorgehensweise bei der Planung der Eufor-Mission zeigt, wie stark die
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik den Parlamentsvorbehalt in
Deutschland in Frage stellt. Über die Entsendung deutscher Soldaten und mili-
tärische Einsätze entscheidet, anders als in den meisten Ländern der EU, nicht
die Regierung, sondern der Deutsche Bundestag. Dieser entscheidet nun aber
erst zu einem Zeitpunkt, an dem aufwändige politische, diplomatische und
militärische Planungen bei VN, EU und Bundeswehr bereits abgeschlossen
sind. Dadurch entsteht erheblicher Druck, die internationalen Zusagen einzu-
halten und dem Einsatz – trotz erheblicher Bedenken auch bei den Regierungs-
parteien – zuzustimmen. Dieses Vorgehen schwächt das Parlament und damit
die demokratische Kontrolle in einer so entscheidenden Frage wie den Aus-
landseinsätzen der Bundeswehr.

7. Wegen der hohen Kosten für die Wahlen im Kongo besteht die Gefahr, dass
darüber humanitäre, wirtschaftliche, institutionelle und rechtliche Aufbauhilfe
in den Hintergrund tritt. Doch ohne entsprechende langfristige finanzielle Zusa-
gen können Wahlen kaum zum Friedensprozess beitragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1522

II. Der Deutsche Bundestag lehnt die Entsendung von Bundeswehrsoldaten im
Rahmen der Eufor-Mission R. D. Congo ab.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. jede Möglichkeit zu nutzen, die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen
mit nicht-militärischen, politischen Mitteln, vorzubereiten, zu beobachten und
zu sichern.

Dies sollte unter anderem geschehen durch:

a) das Entsenden zahlreicher sowie zusätzlich hochrangiger Wahlbeobachter;

b) die Kontrolle der korrekten Verwendung der Gelder für die Durchführung der
Wahlen an zentralen Punkten der Wahlorganisation im ganzen Land;

c) eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der deutschen Botschaft
in Kinshasa, die derzeit die österreichische EU-Ratspräsidentschaft im
Kongo vertritt, um sich prominent an der Stabilisierung der Wahlen und des
Friedensprozesses zu beteiligen – unter anderem im Internationalen Komitee
zur Begleitung des Übergangsprozesses;

2. sich über eine finanzielle Förderung der Wahlen hinaus stärker für den Frie-
densprozess im Kongo zu engagieren. Dazu gehört insbesondere:

a) Die Förderung bereits existierender diplomatischer Initiativen zur Sicherheit
und Aussöhnung in der Region, an denen auch die Nachbarländer Ruanda,
Uganda und Burundi beteiligt sind;

b) eine stärkere Förderung von Initiativen zur Demobilisierung und Demilitari-
sierung von Milizen sowie deren Re-Integration in ein zivilgesellschaftliches
Umfeld. Dazu müssen entsprechende soziale und wirtschaftliche Strukturen
aufgebaut werden;

c) der Einsatz für ein effektiveres internationales System zur Korruptions-
bekämpfung und Kontrolle der im Kongo aktiven Unternehmen, die Gold,
Diamanten, Coltan und andere natürliche Ressourcen des Kongo fördern und
mit ihnen handeln und sich und die Konsumenten dadurch häufig an der
Kriegsökonomie – wie der Finanzierung der Milizen – beteiligen;

d) die langfristige Förderung und Beratung von ziviler Konfliktprävention und
Intervention im Kongo.

Berlin, den 16. Mai. 2006

Paul Schäfer (Köln)
Dr. Norman Paech
Monika Knoche
Wolfgang Gehrcke
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Diether Dehm
Heike Hänsel
Dr. Hakki Keskin
Michael Leutert
Alexander Ulrich
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.