BT-Drucksache 16/1458

Zerstörung eines Gentechnik-Versuchsfeldes des Programms zur biologischen Sicherheitsforschung in Bayern

Vom 10. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1458
16. Wahlperiode 10. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Cornelia Pieper, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Sibylle Laurischk, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Zerstörung eines Gentechnik-Versuchsfeldes des Programms zur biologischen
Sicherheitsforschung in Bayern

Ostern 2006 wurde ein Teil eines Versuchsfeldes auf Gut Roggenstein im Land-
kreis Fürstenfeldbruck in Bayern durch Ausbringen von Mineralöl zerstört. Auf
der durch Mineralöl verunreinigten Fläche sollte untersucht werden, welche
Auswirkungen der in den Vorjahren erfolgte Anbau von gentechnisch veränder-
ten Kartoffeln, die das Carotinoid Zeaxanthin anreichern, auf die Bodenqualität
und die Folgefrüchte haben. Durch das Ausbringen von Mineralöl kann der Ver-
such nicht ausgewertet werden. Die Fläche ist für keine andere landwirtschaft-
liche Nutzung geeignet und muss aufwändig saniert werden. Das absichtliche
Ausbringen von Mineralöl ist eine Straftat.

Die dort angebauten Zeaxanthin-Kartoffeln sind im Rahmen des Verbund-
projekts „Verbesserung der gesundheitlichen Qualität von Lebensmitteln durch
Erhöhung und Modifikation des Carotinoid-Gehaltes“ entwickelt worden. Das
kriminell zerstörte Versuchsfeld diente Versuchen, die im Rahmen des
Programms zur Biologischen Sicherheitsforschung „Einfluss des Anbaus trans-
gener Kartoffeln auf die Qualität von landwirtschaftlich genutzten Böden – Aus-
wirkungen auf die Funktionalität der Bodenmikroflora“ vom Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung gefördert werden.

Kartoffeln werden sehr vielseitig genutzt: Als Nahrungsmittel, Kartoffelstärke

als Lebensmittelzutat und Grundstoff für die Stärkeverzuckerung, das Amylo-
pektin der Kartoffeln als nachwachsender Rohstoff für die industrielle Verwer-
tung zu Kleb- und Schmierstoffen, in der Papier- und Verpackungsindustrie. Mit
der Entwicklung der Zeaxanthin-Kartoffel ist es gelungen, in Kartoffeln Inhalts-
stoffe mit gesundheitsfördernden Eigenschaften anzureichern. Die überaus viel-
fältige Nutzung von Kartoffeln erfordert die Züchtung von Sorten mit völlig
unterschiedlichen Eigenschaften. Zusätzlich dazu gibt es Züchtungsaktivitäten

Drucksache 16/1458 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zur Herausbildung von Resistenzeigenschaften gegenüber Schadorganismen
wie dem Kartoffelkäfer, gegenüber Pilzen wie der Kartoffelfäule (Phytophthora
infestans) oder gegenüber Viren.

Die Urformen der heute angebauten Kartoffeln stammen aus den hohen Anden
in Südamerika und wurden dort von den Inkas auf über 2 500 m Höhe als Grund-
nahrungsmittel angebaut. Die Kartoffel wurde im 16. Jahrhundert nach Europa
gebracht, war zunächst Delikatesse und wurde dann Grundnahrungsmittel. In
Deutschland setzte Friedrich II. mit seinem „Kartoffelbefehl“ 1756 den Anbau
der Kartoffel durch, die im 19. Jahrhundert für die Ernährung der ärmeren
Bevölkerung entscheidende Bedeutung erlangte. Ernteverluste durch Pilzbefall
verursachten im 19. Jahrhundert europaweit zahlreiche Hungersnöte insbeson-
dere in Irland. Kartoffeln werden über die Knollen vegetativ vermehrt. Es gibt
keine heimischen Kartoffelarten. Damit ist die Beeinflussung der heimischen
Flora durch Zuchtkartoffeln sehr gering.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie groß ist die Fläche, auf der widerrechtlich auf dem Versuchsfeld auf
Gut Roggendorf Mineralöl ausgebracht wurde, wie groß ist der Teil des Ver-
suchsfeldes, der zerstört wurde, und wie viel Mineralöl wurde schätzungs-
weise ausgebracht?

2. Ist Anzeige gegen die Täterinnen und Täter erstattet worden, und wenn nein,
warum nicht?

3. Sind amtliche Ermittlungen wegen der Ausbringung von Mineralöl auf dem
Acker und der damit verbundenen Gefährdung von Grundwasser durch-
geführt worden?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Schädigung des Versuchsfeldes
durch das Ausbringen von Mineralöl?

5. Welchen Einfluss hat die Schädigung des Versuchsfeldes durch das Aus-
bringen von Mineralöl für den weiteren Fortgang des Projekts?

6. Welche Schäden wurden durch die Ausbringung von Mineralöl festgestellt,
und wer ist für die Beseitigung der Schäden verantwortlich, welche Maß-
nahmen sind zur Sanierung der Fläche erforderlich, und wer wird diese
bezahlen?

7. Wird die Beseitigung der Schäden aus den Mitteln des Programms zur Bio-
logischen Sicherheitsforschung vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung beglichen, und wenn nein, welche Mittel werden für die Besei-
tigung der Schäden herangezogen?

8. In welcher Weise ist das Versuchsfeld in den Vorjahren genutzt worden, und
was war in diesem Jahr auf dem Feld geplant?

9. Trifft es zu, dass auf diesem Feld die Aussaat von konventionell gezüchte-
tem Weizen geplant war, um die Auswirkungen der in den Vorjahren dort
angebauten Zeaxanthin-Kartoffeln auf die Bodenqualität und die Nachfol-
gefrucht zu untersuchen, und wenn nein, was war die Zielsetzung des Ver-
suchs?

10. Welche Freisetzungsversuche von gentechnisch veränderten Pflanzen sind
im Rahmen des Programms zur Biologischen Sicherheitsforschung vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung geplant, welche Sorten sol-
len freigesetzt, welche Untersuchungen mit welchen Zielen durchgeführt
werden und wo sind die Versuchsflächen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1458

11. In welchem Zeitraum und mit welchen Finanzmitteln ist das Verbundprojekt
„Verbesserung der gesundheitlichen Qualität von Lebensmitteln durch
Erhöhung und Modifikation des Carotinoid-Gehaltes“ bisher von der Bun-
desregierung gefördert worden, welche Ergebnisse wurden erzielt, und wer
waren die Projektpartner?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg des Verbundprojekts?

13. Welche Freisetzungsversuche wurden im Rahmen des Verbundprojekts be-
antragt, welche genehmigt und durchgeführt und welche wurden zerstört?

14. Welche Schäden sind durch die kriminelle Zerstörung der Freisetzungsver-
suche verursacht worden, in welcher Weise ist das Verbundprojekt durch die
Zerstörung der Freisetzungsversuche beeinträchtigt worden, wer hat die mit
der Zerstörung der Freisetzungsversuche verursachten finanziellen Schäden
ausgeglichen, wurde Anzeige erstattet, und wenn nein, warum nicht?

15. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Zerstörung genehmig-
ter Freisetzungsversuche eine kriminelle Sachbeschädigung darstellt, die
strafrechtlich verfolgt werden muss, und wenn nein, wie bewertet die Bun-
desregierung solche Zerstörungen?

16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass nicht nur der unmittelbare
Schaden auf einem zerstörten Versuchsfeld, sondern auch die Beeinträchti-
gung der Forschung z. B. durch die Zerstörung verursachte Zeitverzögerung
bei der Bewertung des Schadens durch die Zerstörung eines Freisetzungs-
versuchs bewertet werden muss, und wenn nein, warum nicht?

17. Welche natürlichen Kreuzungspartner hat die Kartoffel in Deutschland, wel-
che Kreuzungsprodukte mit der Kartoffel sind in Deutschland bisher beob-
achtet worden, und von wem wurden entsprechende Untersuchungen durch-
geführt?

18. Ist bei Kartoffeln horizontaler Gentransfer beobachtet worden, und wenn ja,
wie hat er sich ausgewirkt?

19. Welche Untersuchungen zur Koexistenz von gentechnisch veränderten Kar-
toffeln mit anders gezüchteten Sorten wurden bisher in Deutschland durch-
geführt, und welche Ergebnisse wurden dabei erzielt?

20. Haben die in Deutschland in Freisetzungsversuchen geprüften transgenen
Kartoffelsorten gegenüber den Ursprungssorten eine erhöhte Fitness z. B. in
Bezug auf die Frostempfindlichkeit gezeigt, und wenn nein, wurde dies
überprüft?

21. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die heimische Flora durch
den Anbau gentechnisch veränderter Kartoffeln kaum beeinflusst wird, da
Kartoffeln nicht frostfest sind und über die Knollen und nicht durch Samen
vermehrt werden, und wenn nein, warum nicht?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die Chancen, mit Phytophthora-resisten-
ten, transgenen Kartoffel-Sorten die Anwendung von Fungiziden bzw. den
Einsatz von Kupferhydroxiden im ökologischen Landbau zu vermindern
und damit die Umweltbeeinträchtigung durch den Kartoffelanbau zu redu-
zieren?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Chancen durch den Anbau trans-
gener Kartoffelsorten, deren Stärke nahezu vollständig aus Amylopektin
besteht, die Attraktivität von Kartoffelstärke zu erhöhen und die Umwelt-
belastungen zu mindern, die die Trennung von Amylopektin von Amylose
verursacht, die bei herkömmlichen Sorten notwendig ist?

Drucksache 16/1458 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
24. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Amylopektin-Kartoffeln
in geringem Umfang ein Ersatz für Erdölprodukte darstellen können?

25. Wie ist der gegenwärtige Stand der Zulassung von transgenen Kartoffelsor-
ten in Deutschland und in der EU?

Berlin, den 10. Mai 2006

Dr. Christel Happach-Kasan
Hans-Michael Goldmann
Dr. Edmund Peter Geisen
Cornelia Pieper
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Sibylle Laurischk
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Dirk Niebel
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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