BT-Drucksache 16/13903

Die Aktivitäten der FDP-nahen "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit" in Honduras

Vom 18. August 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13903
16. Wahlperiode 18. 08. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, Sevim
Dag˘delen, Wolfgang Gehrcke, Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Alexander
Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Die Aktivitäten der FDP-nahen „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“
in Honduras

Der legitime honduranische Staatschef Manuel Zelaya wurde am 28. Juni 2009 in
einem Staatsstreich gestürzt und manu militari nach Costa Rica ausgewiesen. Von
der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Europäischen Union (EU),
dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen (VN)
wurde der Staatsstreich einhellig verurteilt. Auch die Bundesregierung schloss
sich der internationalen Verurteilung des Putsches an.

Umso erstaunlicher war die Reaktion der FDP-nahen „Friedrich-Naumann-
Stiftung für die Freiheit“ (FNF), die seit 1984 in Honduras tätig ist und dort mit
der regierenden Liberalen Partei (PLH) zusammen arbeitet. Der Projektleiter
der FNF für Honduras, Nicaragua und Guatemala machte am 29. Juni 2009
Manuel Zelaya selbst für die Amtsenthebung verantwortlich und bezeichnete es
als „Legende“, dass in Honduras ein Militärputsch stattgefunden habe. (FNF,
Lüth, Bericht aus aktuellem Anlass, Nr. 46/09: http://www.freiheit.org/webcom/
show_article.php/_c-415/_nr-11217/i.html).

Anlässlich eines Treffens mit honduranischen Befürwortern der Amtsent-
hebung Manuel Zelayas, zu dem die FNF am 5. August 2009 in die Räume des
Deutschen Bundestages geladen hatte und an dem auch Vertreter der Konrad-
Adenauer-Stiftung sowie des Auswärtigen Amts teilnahmen, äußerte sich der
Vorsitzende der FNF, Dr. Wolfgang Gerhardt, in gleicher Weise (DIE WELT,
6. August 2009).

Die FNF argumentiert mit derselben Stoßrichtung wie die Fraktion der FDP im
Deutschen Bundestag. Deren außenpolitischer Sprecher, Dr. Werner Hoyer, be-
zichtigte die USA, die OAS und die EU des Versagens ob ihrer Verurteilung des
Putsches (FAZ, 7. August 2009). Er verharmloste den Staatsstreich in Honduras
als „tollpatschigen“ Versuch, eine Verfassungskrise zu lösen, und kommen-
tierte: „Es sollte zu denken geben, dass Zelayas Vorbilder und Freunde wie
Chávez, Ortega, Castro und Morales ebenso die Sektkorken knallen lassen wie
Gysi und Lafontaine. Für sie ist das törichte Vorgehen der neuen Regierung in

Tegucigalpa eine willkommene Chance, einen weiteren Mosaikstein in ihr links-
populistisch-autoritäres Lateinamerikabild einzusetzen.“ (DIE WELT, 3. Juli
2009).

Die FNF hebt in ihren Veröffentlichungen zu Honduras (www.freiheit.org) stets
hervor, dass sie einen außerordentlich engen Kontakt zur Regierungspartei PLH
pflegt, sehr viele der führenden Politiker und zahlreiche Parlamentsabgeordnete
Schulungen der FNF durchlaufen haben und die Stiftung selbst sehr stark in die

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Vorbereitung von Wahlkämpfen, die Projektierung von Regierungsvorhaben
und die Vorbereitung von Gesetzinitiativen involviert ist. So betonte die FNF
nach den letzten Parlamentswahlen, dass „wir jetzt eine 39-köpfige Naumann-
Fraktion haben“ (Rosbinda Sabillon, Projektkoordinatorin der FNF in Hon-
duras, www.freiheit.org).

Die FNF bezichtigte Präsident Manuel Zelaya bereits zwei Monate vor dem
Putsch des Verfassungsbruchs. Sie kritisiert zudem, dass er von seinem „genuinen
liberalen Regierungsstil“ (FNF, Lüth, Hintergrundpapier Nr. 5, April/09: http://
www.freiheit.org/webcom/show_article.php/_c-414/_nr-10533/i.html) abgewi-
chen sei. Habe er ehemals für Freihandelsabkommen votiert und gute Bezie-
hungen zum damaligen US-Präsidenten, George W. Bush, und zum kolumbiani-
schen Präsidenten, Alvaro Uribe, unterhalten, so habe er nun einen Linkskurs
eingeschlagen, unterstütze das Staatenbündnis ALBA und lehne sich an Präsi-
dent Chávez in Venezuela an.

Nach der „Linkswende“ des Präsidenten beschränkte sich die Stiftung deshalb
darauf, „mit der liberalen Strömung innerhalb der Partei zusammen zu arbeiten,
um mögliche folgenschwere Konflikte mit der Regierung zu vermeiden“. Die
FNF gibt selbst an, ihr nahe stehende Kandidaten bei innerparteilichen Vor-
wahlen unterstützt zu haben (Projektbericht der FNF, Regionalbüro Latein-
amerika, 2008).

Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) fördert die Arbeit der politischen Stiftungen in Entwicklungsländern
und den Ländern des ehemaligen Ostblocks mit jährlich über 200 Mio. Euro.
Die Auslandsarbeit der politischen Stiftungen unterliegt Rahmenbedingungen
und Beschränkungen, die festgelegt sind in den „Grundsätzen für die ent-
wicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den
politischen Stiftungen“. Diese verbieten den Parteistiftungen Tätigkeiten, die
das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Partnerland beeinträch-
tigen, sowie die direkte Intervention in innere Auseinandersetzungen des je-
weiligen Landes. Hierzu gehören z. B. Arbeitskämpfe und Wahlen. Verboten ist
ebenfalls die direkte Finanzierung von Parteien im Ausland. Da die Auslands-
arbeit der politischen Stiftungen eine offizielle Billigung des jeweiligen Landes
bedarf, soll die Projektarbeit der Stiftungen ebenfalls so angelegt sein, dass sie
bei einem Regierungswechsel fortgeführt werden kann und der Projektpartner
nicht abhängig wird von der Finanzierung einer deutschen Parteistiftung.

Im Falle der FNF stellt sich die Frage, ob deren Tätigkeit in Honduras gegen
die Grundsätze deutscher Stiftungsarbeit im Ausland verstoßen bzw. den in den
Richtlinien genannten Zielen entsprochen hat. Insbesondere stellt sich die
Frage, in wieweit die FNF sich direkt in die innenpolitischen Angelegenheiten
von Honduras eingemischt hat bzw. gar mit zur Eskalation der Auseinander-
setzungen innerhalb der Regierungspartei beitrug und damit der nicht legalen
Amtsenthebung des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya mit Vorschub leis-
tete. Es stellt sich auch die Frage, ob die FNF ihre derzeitigen Öffentlichkeits-
aktivitäten vom Interesse leiten lässt, eine Rückkehr des Präsidenten Manuel
Zelaya nach Honduras zu verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Projekte finanziert die FNF in welcher Höhe seit 2000,
die Partnerorganisationen in Honduras fördern (bitte Auflistung der Projekte
für die jeweiligen Jahre mit den entsprechenden Fördersummen und Anga-
ben zu Förderungen aus regionalen (z. B. RELIAL) bzw. internationalen
Programmen)?

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2. Welche von diesen Projekten oder Programmen dienen direkt oder indirekt
der Förderung der PLH oder Organisationen aus ihrem Umfeld bzw. mit ihr
kooperierenden Organisationen oder Projekten?

3. Welche konkreten Aktivitäten hat die FNF unterstützt, die im direkten oder
indirekten Zusammenhang mit Wahlen bzw. Vorwahlen standen, sei es
durch die strategische Planung politischer Wahlkämpfe, die Beratung und
Schulung von Kandidaten, die Hilfe bei der Erstellung von Öffentlichkeits-
material für den Wahlkampf, oder anderes mehr, und über welches Projekt
lief diese Unterstützung?

4. Ist den deutschen politischen Stiftungen die direkte oder indirekte Finan-
zierung von Parteien im Ausland erlaubt, und wenn nein, kann die Bundes-
regierung ausschließen, dass die FNF in Honduras direkt oder indirekt die
PLH finanziert?

5. Über welches konkrete Projekt hat die FNF laut eigener Berichterstattung
in 2008 „12 Gesetzinitiativen in Zusammenarbeit mit der Partei und der
Fraktion erarbeitet und ins Parlament eingebracht“ (Projektbericht der
FNF, Regionalbüro Lateinamerika, 2008), und um welche Gesetzinitiati-
ven (zu welchen Themen und mit welchen Anliegen) handelt es sich dabei
konkret?

6. Wurden diese 12 Gesetzinitiativen, an denen die FNF mitgewirkt hat, vom
Parlament verabschiedet, und fanden sie die Zustimmung von Präsident
Manuel Zelaya?

7. Wie rechtfertigt die FNF gegenüber dem BMZ die laut eigener Aussage
derzeitige Begrenzung ihrer Zusammenarbeit mit nur einem Flügel der
PLH angesichts der Tatsache, dass die Projektförderung unter entwick-
lungspolitischen und nicht unter strömungspolitischen Gesichtspunkten ge-
nehmigt wurde?

8. Wird die strömungspolitisch orientierte Zusammenarbeit der FNF mit der
Regierungspartei PLH nach Ansicht der Bundesregierung dem mit der
Mittelbewilligung verbundenen entwicklungspolitischen Auftrag des BMZ
gerecht (bitte mit Begründung)?

9. Kann das BMZ ausschließen, dass die Arbeit der FNF nicht zur Spaltung
der PLH beigetragen hat bzw. diese verfestigt (bitte mit Begründung)?

10. Gibt es vergleichbare Fälle, in denen deutsche politische Stiftungen den
amtierenden, demokratisch gewählten Präsidenten des Gastlandes, der zu-
dem Mitglied in der Partei ist, mit der eine Kooperation unterhalten wird,
des Verfassungsbruchs bezichtigt haben, wie dies die FNF in ihrem Hinter-
grundpapier Nr. 5/April 2009 „Opportunismus und ,Kontinuismus‘ – Der
Präsident von Honduras missachtet die Verfassung und seine Liberale
Partei“ getan hat (www.freiheit.org/webcom/show_article.php/_c-414/_nr-
10533/i.html), und wie bewertet die Bundesregierung eine solche Art der
Öffentlichkeitsarbeit von politischen Stiftungen?

11. Hat nach Ansicht der Bundesregierung das öffentliche Agieren der FNF in
Honduras mit dazu beigetragen, die nicht legale Amtsenthebung des Präsiden-
ten Manuel Zelaya zu rechtfertigen, in dem sie beispielsweise die Argumen-
tation zur Rechtfertigung der Amtsenthebung bereits vor dem Militärputsch
geliefert hat?

12. Ist der Bundesregierung ein vergleichbares Vorgehen von deutschen poli-
tischen Stiftungen im Ausland bekannt, wie das der FNF, die sich nach dem
Putsch hinter den nicht legitimen Interimspräsidenten Roberto Micheletti
gestellt und den legitimen Präsidenten Manuel Zelaya beschuldigt hat, den
Konflikt zu schüren, seine Amtsenthebung selbst provoziert zu haben, und
demnach „mehr Täter als Opfer“ zu sein (FNF, Lüth, Bericht aus aktuellem

Anlass, Nr. 44/09: www.freiheit.org/webcom/show_article.php/_c-415/_nr-
11194/i.html)?

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13. Ist die massive Kritik, die die FNF an der Politik der Regierung Manuel
Zelaya in Honduras geübt hat und weiterhin übt, nach Ansicht der Bundes-
regierung Gründen geschuldet, die sich aus der entwicklungspolitischen
Projektarbeit der FNF ergeben, oder liegt dieser Kritik nach Einschätzung
der Bundesregierung eher ein allgemeines außenpolitisches Motiv der FNF
zugrunde, der politischen Linksentwicklung in Lateinamerika und dem
regionalen Integrationsprojekt ALBA zu begegnen?

14. Inwiefern erkennt die Bundesregierung in den Aktivitäten und Stellung-
nahmen der FNF zum politischen Geschehen in Honduras im Vorfeld des
und seit dem 28. Juni 2009 einen Widerspruch zum in den Förderrichtlinien
des BMZ an die Stiftungen gestellten Auftrag, einen Beitrag zu Aufbau
und Festigung demokratischer Strukturen in den Partnerländern zu leisten?

15. Inwieweit berührt das öffentliche und nichtöffentliche Agieren der FNF die
außenpolitischen Beziehungen der Bundesregierung mit Honduras ange-
sichts dessen, dass der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, die Amtsenthebung von Manuel Zelaya als „nicht legal“ be-
zeichnete?

16. Wertet die Bundesregierung die öffentlichen Stellungnahmen und das
Agieren der FNF als Intervention in die inneren Angelegenheiten von
Honduras, und wenn ja, welche Konsequenzen wird dieses Agieren der
FNF für sie haben?

17. Geht die Aufforderung des nicaraguanischen liberalen Abgeordneten
Eduardo Montealegre an Präsident Manuel Zelaya am 29. Juli 2009, er
möge seine Aktivitäten zur Rückkehr nach Honduras nicht von Nicaragua
aus betreiben (www.la.fnst-freiheit.org/webcom/show_article.php/_c-1101/
_nr-417/_p-1/i.html), auf eine Initiative der FNF zurück, und hat die FNF
das Treffen zwischen Montealegre und dem nicht legitimen amtierenden
Interimspräsidenten Micheletti eingefädelt?

18. Welchen Anteil haben Mitarbeiter der FNF am Zustandekommen und an
der Ausrichtung des Pressestatements des liberalen Lateinamerikanischen
Netzes RELIAL vom 10. Juli 2009 (www.relial.org/Articulos/articulo
Detalle.asp?Id=8435), das dem Tenor der Verlautbarungen der FNF in
Honduras folgt und das über die FNF Projektmittel des BMZ erhält?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit die Fraktion der FDP im Deut-
schen Bundestag politischen Einfluss auf die vom BMZ finanzierten Akti-
vitäten der FNF in Honduras und allgemein in Lateinamerika ausüben, dies
angesichts des oben dargestellten Gleichklangs in der Kommentierung des
Staatsstreichs in Honduras und angesichts der gemeinsamen Pressekonfe-
renz am 5. August 2009 mit den Gästen der Stiftung aus Honduras?

20. Hat die Bundesregierung Kenntnisse davon, dass eine von der FNF ge-
förderte honduranische Jugendorganisation mit dem Namen „Generación
por el cambio“ (Generation für den Wandel) an Ausschreitungen gegen
Demonstrantinnen und Demonstranten beteiligt ist?

21. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Überprüfung dieses Sachverhalts?

Berlin, den 17. August 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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