BT-Drucksache 16/13865

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung der Parlamentsrechte unverzüglich umsetzen

Vom 3. August 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13865
16. Wahlperiode 03. 08. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, Hellmut Königshaus,
Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Elke Hoff, Michael Kauch,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Gisela Piltz, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung
der Parlamentsrechte unverzüglich umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Dem 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode (so genannter BND-

Untersuchungsausschuss) sind teilweise Akten trotz vorliegender Beweis-
beschlüsse nur unvollständig und damit in einer die Verfassung verletzenden
Weise zur Verfügung gestellt worden. Diese Akten müssen nunmehr sofort
vollständig herausgegeben werden. Die Zeit für eine Auswertung dieser
Akten reicht in der laufenden Legislaturperiode durchaus noch aus.

2. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Entscheidungen des Bundesverfas-
sungsgerichts zur Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments vom 17. Juni
2009 (2 BvE 3/07) und vom 1. Juli 2009 (2 BvE 5/06) ausdrücklich. Diese
Beschlüsse entfalten eine nachhaltige Wirkung weit über den BND-Unter-
suchungsausschuss sowie über das Fragerecht von Abgeordneten hinaus. Die
wegweisenden Entscheidungen haben grundsätzliche Auswirkungen auf das
zukünftige Verhältnis zwischen Parlament und Bundesregierung.

3. Die Kontrolltätigkeit des Parlaments gegenüber der Bundesregierung ist in
der parlamentarischen Demokratie eine außerordentlich bedeutsame Auf-
gabe. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses nun in zwei bedeutenden Ent-
scheidungen bestätigt und das bisherige Auskunftsverhalten der Bundes-
regierung gerügt. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit durch ihre
Auskunftspraxis gegenüber dem Bundestag wiederholt die Rechte des Parla-
ments in gegen das Grundgesetz verstoßender Weise verletzt.

4. Dem BND-Untersuchungsausschuss sind während seiner mehr als drei Jahre
währenden Arbeit zahlreiche beantragte Beweismittel seitens der Bundes-
regierung in verfassungswidriger Weise vorenthalten worden. Aussagege-
nehmigungen von Zeugen wurden mit zu weitgehenden Beschränkungen
versehen. Durch diese grundgesetzwidrigen Behinderungen der Ausschuss-
arbeit wurde die Aufklärung der dem Ausschuss zur Bearbeitung übertrage-
nen Sachverhalte stark beeinträchtigt. Die Bundesregierung ist aufgrund der

im BND-Untersuchungsausschuss bereits getroffenen Beweisbeschlüsse ver-
pflichtet, die bislang vorenthaltenen Akten an die im BND-Untersuchungs-
ausschuss tätigen Obleute als Vertreter des Bundestages unverzüglich heraus-
zugeben. Diese Beweisbeschlüsse sind bisher nicht vollständig und nicht in
einer den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechenden Weise
vollzogen worden. Aus diesen Akten können sich neue Erkenntnisse hin-
sichtlich der im Ausschuss untersuchten Gegenstände ergeben.

Drucksache 16/13865 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Die Bundesregierung hat darüber hinaus Rechte weiterer Ausschüsse und an-
derer Gremien des Deutschen Bundestages (beispielsweise Innenausschuss,
2. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode, Parlamentarisches Kon-
trollgremium, Gremium gemäß § 10a des Finanzmarktstabilisierungsgeset-
zes, G 10-Kommission) in ähnlicher Weise missachtet. Dies ergibt sich in der
Konsequenz aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts. Durch dieses Verhalten der Bundesregierung wurde die Kontrolltätig-
keit des Parlaments ebenfalls massiv beeinträchtigt. Der Deutsche Bundestag
kritisiert auch hier das teilweise verfassungswidrige Vorgehen der Bundes-
regierung auf das Schärfste.

6. Das Fragerecht der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist ein wich-
tiger Bestandteil der Ausübung des freien Abgeordnetenmandats und hat
demnach ein besonders hohes Gewicht. Die Bundesregierung ist in der Ver-
gangenheit bei der Beantwortung von Anfragen aus dem parlamentarischen
Bereich teilweise unvollständig, inhaltlich nicht ausreichend und in Teilen
sogar verfassungswidrig vorgegangen. Der Deutsche Bundestag erwartet,
dass die Beantwortung von Anfragen aus dem Bundestag zukünftig stets im
Einklang mit der Verfassung und mit dem gebotenen Respekt gegenüber dem
Parlament und seinen Mitgliedern erfolgt.

7. Der Deutsche Bundestag spricht sich dafür aus, dass für die Zukunft das Ver-
hältnis zwischen Parlament und Bundesregierung auf eine neue Grundlage
gestellt wird. Der Umgang der Bundesregierung mit dem Recht des Bundes-
tages auf Information und Kontrolle ist grundlegend zu ändern. Die Aus-
kunftspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag und
seinen Gremien und Mitgliedern muss abweichend von der bisherigen Praxis
deutlich erweitert werden. Die Sicherheitsbehörden haben in der Vergangen-
heit immer mehr neue Befugnisse erhalten. Das Kontrollrecht des Deutschen
Bundestages und seiner Gremien muss mit diesen erweiterten Befugnissen
korrespondieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unverzüglich die bislang vorenthaltenen Unterlagen zu den Beweisbeschlüs-
sen des BND-Untersuchungsausschusses an die im BND-Untersuchungsaus-
schuss tätigen Obleute als Vertreter des Bundestages herauszugeben;

2. weiteren betroffenen Ausschüssen und anderen Gremien des Bundestages
(beispielsweise Innenausschuss, 2. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperi-
ode, Parlamentarisches Kontrollgremium, Gremium gemäß § 10a des Finanz-
marktstabilisierungsgesetzes, G 10-Kommission) bislang vorenthaltene, be-
antragte Unterlagen unverzüglich herauszugeben;

3. die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni
2009 (2 BvE 3/07) und vom 1. Juli 2009 (2 BvE 5/06) zur Stärkung der Kon-
trollrechte des Parlaments auch im Übrigen vollständig umzusetzen;

4. sich künftig nicht mehr in verfassungswidriger Weise auf eine ausschließ-
liche Zuständigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu berufen,
sondern die Auskunfts- und Informationsrechte anderer Parlamentsgremien
sowie einzelner Abgeordneter zu achten, insbesondere bei der Beantwortung
von Anfragen aus dem parlamentarischen Bereich;

5. insgesamt die Rechte des Parlaments zu achten und ihrer Auskunftspflicht
nachzukommen, so dass zukünftig die Vorgaben des Grundgesetzes und des
Bundesverfassungsgerichts strikt eingehalten werden.

Berlin, den 3. August 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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