BT-Drucksache 16/13785

Zur veränderten Situation im Osten der Demokratischen Republik Kongo

Vom 13. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13785
16. Wahlperiode 13. 07. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Heike Hänsel,
Inge Höger, Dr. Hakki Keskin, Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln)
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur veränderten Situation im Osten der Demokratischen Republik Kongo

Seit Januar 2009 hat sich die militärische und politische Lage im Osten der
Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) deutlich verändert. Nach einem
Führungskonflikt in der Rebellenorganisation CNDP (Conseil National pour la
Défense du Peuple), die im Herbst 2008 weite Teile der Provinz Nord Kivu er-
obert hatte, wurde der bisherige Rebellenführer „General“ Laurent Nkunda ent-
machtet. Während Nkunda am 22. Januar in Ruanda verhaftet und in der ruan-
dischen Grenzstadt Gisenyi unter Hausarrest gestellt wurde, starteten Regie-
rungstruppen Ruandas und die kongolesische Armee FARDC (Forces Armées
de la Republique Démocratique du Congo) eine sechswöchige gemeinsame
Militäroperation gegen Stellungen der ruandischen Milizen der FDLR (Forces
Démocratiques pour la Libération du Ruanda) auf kongolesischem Boden. An
der Militäroperation (Umoja Wetu) waren bis zu 6 000 ruandische Soldaten,
mehrere Tausend Soldaten der FARDC sowie ein substanzieller Teil der
CNDP-Rebellen beteiligt. Die „internationale Gemeinschaft“ und die UN-
Mission MONUC waren über die Operation im Vorfeld nicht unterrichtet wor-
den. Nach dem Ende der auf Nord Kivu begrenzten Operation Umoja Wetu
verließen Ruandas Truppen den Kongo Ende Februar. Unabhängige Beobach-
ter hegen Zweifel am militärischen Sieg über die FDLR, die nach Ende der Of-
fensive zahlreiche Vergeltungsangriffe gegen die Zivilbevölkerung durchführte.
Ebenfalls bleiben Beobachter skeptisch, ob das am 27. März erzielte Abkom-
men zwischen kongolesischer Regierung, CNDP und anderen bewaffneten
Gruppen zur Lösung der politischen und sozialen Konflikte in Nord Kivu bei-
tragen kann. Mit einigen Monaten Verspätung startete die FARDC Ende Juni
die lange angekündigte Militäroffensive Kimia II gegen Stellungen der FDLR
in Süd Kivu, von der Expertinnen und Experten befürchten, dass sie zur Ver-
schärfung der humanitären Lage in der Provinz führen wird.

Ähnlich skeptisch bewerten Experten die am 4. März beendete Militäroperation
„Lightning Thunder“ im Nordosten Kongos (Provinz Orientale). Diese Opera-
tion gegen LRA-Stellungen auf kongolesischem Staatsgebiet war nach geschei-
terten Friedensgesprächen zwischen der Regierung Ugandas und der ugan-

dischen Rebellengruppe LRA (Lord’s Resistance Army) ab dem 14. Dezember
2008 von ugandischen und kongolesischen Streitkräften durchgeführt worden.
Aufgrund militärischer Fehler gelang es den Regierungstruppen nicht, die
Rebellen entscheidend zu schwächen. Experten vermuten noch bis zu
1 500 LRA-Kämpfer in der Region. Nach übereinstimmenden Angaben von
UNO, humanitären Organisationen und Human Rights Watch (HRW) hat sich
die Lage für die örtliche Zivilbevölkerung seither massiv verschlechtert. Über

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130 000 Menschen sind vor der Gewalt geflohen. Hauptgrund sind die Vergel-
tungsattacken der LRA, die sich nahezu ausschließlich gegen die Zivilbevölke-
rung richten.

Die allgemeine Sicherheitslage und die humanitäre Situation in der gesamten
östlichen DR Kongo bleiben somit in der ersten Jahreshälfte 2009 schlecht, in
einigen Regionen sogar katastrophal. Die Bemühungen des Wiederaufbaus und
der Rückführung und Reintegration der nach UN-Schätzungen mindestens
1,35 Millionen Binnenvertriebenen allein in den Kivu-Provinzen, Ituri und
Orientale bleiben durch die Unsicherheit bedroht. Besonders betroffen von
Flucht und Vertreibung sowie der massiven Gewalt aller Konfliktakteure gegen
die Zivilbevölkerung bleiben Frauen und Kinder. Sexualisierte Gewalt findet
alltäglich und auf bleibend hohem Niveau statt. Die jüngste UNO-Resolution
zur Mandatsverlängerung von MONUC (S/RES/1856) bekräftigt erneut die
Umsetzung der Resolutionen 1325 (2000) und 1820 (2008) im Rahmen des
MONUC-Mandats, doch konnte dieses Ziel nach Ansicht von Beobachterinnen
und Beobachtern nicht umgesetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche politischen Konsequenzen für den Friedensprozess im Ostkongo er-
wartet die Bundesregierung durch den Führungswechsels in der CNDP, an
deren Spitze nun Bosco Ntaganda steht, gegen den der Internationale Straf-
gerichtshof (IStGH) bereits im August 2006 einen Haftbefehl wegen Kriegs-
verbrechen erließ?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Bosco Ntaganda als
Kommandant an der Militäroperation Kimia II beteiligt ist, insbesondere
hinsichtlich der von MONUC geleisteten Unterstützung für die Operation?
Hat die Bundesregierung diesbezüglich Bedenken gegenüber der UNO zum
Ausdruck gebracht?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Operation Umoja Wetu vor dem Hin-
tergrund, dass das Mandat von MONUC, eine „effektive Koordination“
sicherheitsrelevanter Operationen zwischen FARDC und MONUC als
„essentiell“ für die Umsetzung der Friedensbemühungen ansieht (S/RES/
1856)? Und sind der Bundesregierung Informationen zu den Vereinbarungen
zwischen MONUC und FARDC für die aktuellen Militäroperationen be-
kannt (bitte Details nennen)?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung unabhängiger Beobachter zur
Operation Umoja Wetu, dass diese v. a. eine Verlagerung der FDLR-Aktivi-
täten in entlegene Regionen sowie in die Nachbarprovinzen Süd Kivu und
Maniema bewirkt habe?

Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

5. Liegen der Bundesregierung Informationen zu Opferzahlen (Kombattanten
und Zivilbevölkerung) und zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung durch
ruandische und kongolesische Truppen vor, und in welcher Größenordnung
liegen diese?

6. In welchem Ausmaß ist es seit Ende der Operation Umoja Wetu zu Vergel-
tungsschlägen durch FDLR-Einheiten gegen die örtliche Zivilbevölkerung
gekommen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Operation Umoja Wetu,

a) vor dem Hintergrund, dass nach MONUC-Angaben im Zuge der Opera-
tion nur rund 500 FDLR-Kombattanten (zzgl. Angehörige) repatriiert

wurden, und die Kommandostrukturen der bis zu 6 000 FDLR-Rebellen
nicht zerstört werden konnten?

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b) mit Blick auf die Sicherheitslage in Nord Kivu?

c) mit Blick auf zukünftige Maßnahmen von MONUC, der kongolesischen
und ruandischen Regierungen sowie örtlicher Akteure zur politischen
Lösung der FDLR-Problematik, und sind der Bundesregierung diesbe-
zügliche Initiativen bekannt?

d) Wie schätzt die Bundesregierung die Repatriierung der ruandischen
FDLR-Milizen und ihrer Angehörigen sowie deren Versorgung und Re-
integration in Ruanda ein?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Problem der FDLR Gegenstand
des nächsten Gipfeltreffen der Große-Seen-Konferenz sein wird, und ob
der UN-Chefunterhändler, Olusegun Obasanjo, die FDLR-Problematik im
Rahmen des Nairobi-Prozesses thematisiert, und wenn ja, welche politi-
schen Schritte diskutiert werden?

9. Wie schätzt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen
FARDC-Operation in Süd Kivu (Kimia II), wo sich die größten FDLR-
Rückzugsgebiete befinden, die örtliche politische Lage ein?

10. Welche Maßnahmen ergreift MONUC, um die Zivilbevölkerung in Süd
Kivu (im Zuge der Militäroperationen) zu schützen, wie schätzt die Bun-
desregierung deren Wirksamkeit ein, und welche ergänzenden Maßnahmen
sind ihrer Ansicht nach zu ergreifen?

11. Zum Zeitpunkt der CNDP-Rebellion im Oktober 2008 hatte die Bundes-
regierung den von verschiedenen Seiten erhobenen Forderungen nach einer
EU-Eingreiftruppe eine Absage erteilt und (neben der MONUC-Auf-
stockung) verstärkte politische Bemühungen angekündigt, wir fragen die
Bundesregierung:

a) Welche politischen Initiativen Deutschland und EU seither ergriffen
haben, um zur Verbesserung der Sicherheitslage, der humanitären Situa-
tion und zur Förderung von Friedensinitiativen beizutragen?

b) Wie die Bundesregierung den Erfolg dieser Initiativen bewertet, und
welche Maßnahmen die Bundesregierung der EU in der Zukunft vor-
schlagen wird?

c) Hat die Bundesregierung Informationen darüber, welche Maßnahmen
von der kongolesischen Regierung getroffen werden, um die negativen
Auswirkungen der Militäroperationen auf die Zivilbevölkerung zu be-
grenzen, und in welcher Weise stehen Bundesregierung und EU zu dieser
Frage in Kontakt zur kongolesischen Regierung und Armeeführung?

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zum Stand der Friedens-
gespräche zwischen Ruanda und der DR Kongo im Rahmen des Nairobi-
Prozesses vor?

13. Wie schätzt die Bundesregierung heute die Relevanz des im Februar 2008
abgeschlossenen Goma-Abkommens ein, und verfügt sie über Informatio-
nen zum aktuellen Stand der Umsetzung?

14. Mit welchen Maßnahmen unterstützt sie dessen Implementierung?

15. Wie stabil schätzt die Bundesregierung die im Januar zwischen kongole-
sischer Regierung und Armee (FARDC), der CNDP, den regierungsnahen
PARECO-Milizen (Patriotes Résistants Congolais) und Maï Maï-Milizen
vereinbarte Waffenruhe in Nord Kivu ein?

a) Sind der Bundesregierung seither Gefechte zwischen den genannten
Gruppen bekannt?

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b) Sind der Bundesregierung Übergriffe durch diese Gruppen auf die Zivil-
bevölkerung bekannt?

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus für das
politische Handeln der „internationalen Gemeinschaft“?

d) Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob, und in welcher Form
MONUC bzw. die UNO, die Afrikanische Union (AU) oder andere mul-
tilaterale Organisationen in die Verhandlungsprozesse einbezogen wa-
ren, und ob es Bemühungen gibt, die Waffenstillstandsvereinbarungen
in den Amani-Prozess zu überführen?

e) Welche Maßnahmen der Konfliktbearbeitung müssten nach Ansicht der
Bundesregierung vorrangig ergriffen werden, und wie unterstützt
Deutschland diesen Prozess?

16. Wie bewertet die Bundesregierung das politische Abkommen, das die kon-
golesische Regierung und die CNDP-Führung am 23. März unterzeichne-
ten, und hat die Bundesregierung Kenntnisse,

a) ob auch mit den übrigen bewaffneten Gruppen der Region Abkommen
geschlossen wurden?

b) über Informationen über den Stand der Umsetzung der dort getroffenen
Vereinbarungen?

c) dass die im Abkommen benannten Maßnahmen zur politischen Macht-
teilung mit der CNDP und zur Aussöhnung zu vage bleiben und zu wei-
teren Konflikten mit anderen örtlichen Gruppen führen könnten, und
teilt die Bundesregierung die Meinung von Experten (u. a. International
Crisis Group)?

Und welche Maßnahmen sollten aus Sicht der Bundesregierung ergrif-
fen werden, um diese Konfliktdimension zu bearbeiten?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die politischen Entwicklungen in der
DR Kongo infolge der Militäroperation, besonders die unter erheblichem
Druck erfolgte Amtsniederlegung von Parlamentspräsident Vital Kamerhe,
der im Vorfeld Kritik an Umoja Wetu geäußert hatte?

18. Liegen der Bundesregierungen neue Kenntnisse zum laufenden Verfahren
der Bundesanwaltschaft gegen den in Deutschland lebenden Präsidenten
der FDLR, Dr. Ignace Murwanshyaka, vor?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Mitte März (15. 3.) beendete Militär-
operation ugandischer und kongolesischer Regierungstruppen gegen die
ugandische Rebellenorganisation LRA in der Provinz Orientale (Lightning
Thunder)?

a) Welche Auswirkungen hatten die Operationen auf die örtliche Sicher-
heitslage und die humanitäre Situation?

b) Inwieweit war MONUC in die Operation involviert?

c) Ist die Einschätzung von Beobachtern (u. a. HRW) in Anbetracht der
hohen zivilen Opferzahlen (besonders des „Weihnachtsmassakers“ der
LRA) zutreffend, dass MONUC darin scheiterte, der Bevölkerung
Schutz zu gewährleisten, und wo liegen nach Ansicht der Bundesregie-
rung die Gründe dafür?

d) Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus der Tatsache, dass FARDC und
UPDF (Uganda Peoples Defence Force) die LRA-Rebellen militärisch
nicht besiegen konnten, und welche Handlungsmöglichkeiten sieht sie?
20. Wie schätzt die Bundesregierung die Fortschritte in den Bereichen DDR
und SSR vor dem Hintergrund ein, dass der aktuelle Bericht des UN-Gene-

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ralsekretärs zur Lage im Kongo (S/2009/160, §§ 48 ff.) nur sehr allgemein
von bleibenden Herausforderungen in allen Bereichen spricht (bitte Details
nennen)?

21. Liegen der Bundesregierung aktuelle Kenntnisse zum Stand der Eingliede-
rung von CNDP-Einheiten sowie Maï Maï und PARECO-Milizen in die
Strukturen der FARDC vor, die im letzten UN-Bericht als „äußerst fragil“
(S/2009/160, § 4) bezeichnet wurde?

a) Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, ob, und wie viele Solda-
ten seit Januar 2009 effektiv demobilisiert und (ins Zivilleben) reinte-
griert wurden, und wie viele Waffen der MONUC übergeben wurden?

b) Wie schätzt die Bundesregierung die Nachhaltigkeit der Integration der
rund 10 000 CNDP-Kämpfer sowie der PARECO und Maï Maï in die
FARDC ein, die nach Informationen des südafrikanischen Forschungs-
instituts ISS sowie der International Crisis Group nach dem Muster der
„Mixage“ verlief, das bereits im Vorjahr gescheitert war?

22. Mit welchen Maßnahmen unterstützen MONUC und die „internationale
Gemeinschaft“ die Prozesse von DDR und SSR?

a) Welche Maßnahmen sollten ihrer Ansicht nach ergriffen werden, um die
DDR-Prozesse im Osten des Landes wirksamer und nachhaltiger umzu-
setzen?

b) Gibt es von Seiten der Geber Unterstützungsleistungen für die DDR-
Prozesse, die über finanzielle Beiträge zum Multi-Donor-Fund sowie
über die Beteiligung an MONUC hinausgehen?

Wenn ja von welchen Gebern, und wenn nein, warum nicht?

23. Teilt die Bundesregierung die Ansicht kritischer Experten, dass vor dem
Hintergrund des desolaten Zustands der FARDC, den auch die Bundes-
regierung selbst einräumte (Ausschussdrucksache 16(19)480), die Maß-
nahmen der SSR im Bereich der Armeereformen weit hinter den Zielen
und Zeitplänen hinterherhinken?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche Erfolge konnten im Osten Kongos im Bereich der
Armeereform überhaupt erzielt werden?

c) Welche Konsequenzen ziehen Bundesregierung und „internationale
Gemeinschaft“ daraus?

24. Wie stellt sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Fortschritt im Be-
reich der Polizeireformen dar, und welche konkreten Maßnahmen wurden
von kongolesischer Regierung und MONUC im letzten Jahr durchgeführt?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Ent-
wicklungen den Beitrag Deutschlands und der EU zur Unterstützung der
Sicherheitssektorreformen im Rahmen der Programme EUSEC (Armee-
reform) und EUPOL (Polizeireformen)?

a) Wie viele der jeweils rd. 50 europäischen Beamten sind in den Krisen-
regionen im Osten des Landes stationiert bzw. präsent, und welche
Aufgaben nehmen sie dort wahr (bitte gesondert für EUSEC und
EUPOL beantworten)?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den zustän-
digen kongolesischen Autoritäten?

c) Wie beurteilt sie die bisherigen Resultate des „Zahlungskettenprojekts“

der EUSEC in Anbetracht anhaltender Berichte über Plünderungen von
FARDC-Soldaten und die Verstrickung von Kommandeuren in den

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illegalen Raubbau von Erzen, Diamanten sowie in Schmuggelaktivi-
täten in Ostkongo?

d) Welche Maßnahmen werden im Rahmen von EUSEC und EUPOL er-
griffen (bzw. sind ggf. in Planung), um dem Problem der Straflosigkeit
innerhalb der Polizei und Streitkräfte, und dort v. a. in den höheren
Rängen, entgegenzuwirken?

e) Existieren für EUPOL und EUSEC Zeitpläne und Kriterien, um die
Fortschritte der Programme zu kontrollieren, und wenn ja, wurden diese
erreicht, und wenn nein, warum nicht?

26. Welche Konsequenzen ziehen EU und Bundesregierung daraus für die
künftige Ausgestaltung von EUPOL (deren Verlängerung jüngst vom
Ministerrat beschlossen wurde) und EUSEC?

a) Wenn ja, wird es Veränderungen oder Korrekturen der Programme ge-
ben (bitte gesondert für EUSEC und EUPOL beantworten)?

b) Existieren Pläne, die Programme personell und finanziell aufzustocken
oder zu reduzieren, und in welchen Größenordnungen werden diese
Veränderungen voraussichtlich liegen (bitte gesondert für EUSEC und
EUPOL beantworten)?

27. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Erfolg (oder Misser-
folg) des Waffenembargos für den Osten der DR Kongo, das im Dezember
2008 (S/RES/1857) erneut um 12 Monate verlängert wurde?

a) Mit welchen diplomatischen und politischen Maßnahmen, die über die
finanzielle Unterstützung von MONUC hinausgehen, unterstützt die
Bundesregierung – auch im Rahmen der EU – die Durchsetzung des
Waffenembargos?

b) Welche politischen Maßnahmen unternehmen Bundesregierung und
EU, um zu gewährleisten, dass über die Anrainerstaaten keine Waffen-
exporte in die DR Kongo gelangen, und wie erfolgreich sind diese Maß-
nahmen?

c) Welche politischen Maßnahmen unternehmen Bundesregierung und EU
in Kooperation mit örtlichen Regierungen, um den illegalen Waffen-
schmuggel über Anrainerstaaten zu unterbinden, und wie erfolgreich
sind diese?

28. Liegen der Bundesregierung vor dem Hintergrund der zuletzt pessimis-
tischen Beurteilungen der humanitären Lage in Ostkongo durch viele
Hilfsorganisationen und UNO (S/2008/728 §§ 31 ff. und S/2009/160
§§ 23 f.) aktuelle Informationen vor,

a) wie sich die humanitäre Lage in Nord Kivu seit Ende der CNDP-Rebel-
lion sowie von Umoja Wetu verändert hat?

b) wie sich die Lage in Süd Kivu und Maniema durch die zwei FARDC-
Operationen gegen die FDLR (Umoja Wetu und Kimia II) verändert hat,
und an welchen Orten besondere humanitäre Brennpunkte entstanden
sind?

c) wie sich die Lage in der Provinz Orientale seit Aufnahme der Operation
Lightning Thunder verändert hat?

29. Welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung erforderlich,
um die Versorgung der Zivilbevölkerung auch in entlegenen Regionen mit
Wasser, Nahrung, Medikamenten und sonstigen Hilfsgütern zu gewährleis-
ten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/13785

30. Welche Beiträge leistet die Bundesregierung – über Auswärtiges Amt (AA)
und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (BMZ) – derzeit und welche Maßnahmen sind für 2009 vorgesehen
(bitte gesondert nach den Bereichen „humanitäre Hilfe“ und „entwick-
lungsorientierte Nothilfe“ aufführen)?

31. Welche nichtstaatlichen Organisationen und Nothilfeprojekte werden von
der Bundesregierung 2009 in welcher Höhe gefördert?

32. An welchen multilateralen Hilfsprogrammen (z. B. im Rahmen von
ECHO) ist Deutschland mit welchen Mitteln beteiligt?

33. Stimmt die Bundesregierung mit den Expertenbeobachtungen überein, dass
MONUCs Akzeptanz in der Bevölkerung in den Krisenregionen Ost-
kongos seit Jahren schwindet, da der Mission vorgeworfen wird, die Zivil-
bevölkerung nicht ausreichend zu schützen?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche politischen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung daraus?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung das aktuelle UN-Mandat, das trotz
Kenntnis und Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der FARDC
erneut die Kooperation von MONUC in verschiedenen Aufgaben (S/RES/
1856, § 3) sowie die aktive Koordination militärischer Operationen der
FARDC (S/RES/1856, § 3g) vorschreibt?

35. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass MONUC die aktive militä-
rische Kooperation mit der FARDC so lange aussetzen sollte, bis erkennbar
ist, dass Regierung und Armeeführung ernsthafte Schritte einleiten, um
Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte zu unterbinden und eine
wirksame strafrechtliche Ahndung der Verantwortlichen zu gewähren?

36. Mit welchen Maßnahmen, die über die Beteiligung an EUSEC und EUPOL
hinausgehen, unterstützt die Bundesregierung den Aufruf der UN-Sicher-
heitsrates (Präambel der Resolution 1856) an die kongolesische Regierung,
gewaltsame Übergriffe der Sicherheitskräfte zu stoppen, präventive Maß-
nahmen zu ergreifen und Verantwortliche rechtlich zu verfolgen?

Welche Erfolge wurden erreicht?

37. Was unternimmt die Bundesregierung bilateral gegenüber der kongole-
sischen Regierung sowie in (welchen) multilateralen Foren, um Menschen-
rechtsaktivisten, Anwälte und Opfer von staatlicher Willkür und/oder Ge-
walt zu schützen?

Was unternimmt die Bundesregierung zur Bekämpfung der Straflosigkeit?

38. Sind die Informationen zutreffend, dass die Auszahlung der Mittel aus dem
2007 aufgelegten Friedensfonds aufgrund bestehender Altschulden der DR
Kongo blockiert war?

a) Wie hoch war der Anteil der blockierten Mittel, und sind diese Mittel in-
zwischen freigegeben worden?

b) Wie groß sind die bilateralen Außenstände der DR Kongo bei Deutsch-
land, handelt es sich dabei um Altschulden aus der Mobutu-Ära, und
wofür waren diese Mittel verliehen worden?

c) Handelt es sich bei den Schulden um Außenstände, die die Kriterien
„illegitimer Schulden“ (Odious Debts) erfüllen, und wenn ja, plant die
Bundesregierung, der DR Kongo diese bilateralen Schulden zu erlassen,

und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/13785 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

39. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die vor dem Hintergrund der Wirt-
schaftskrise von den Kreditinstitutionen Weltbank, IWF und ADB sowie
der EU gewährten Finanzmittel von insgesamt rund 360 Mio. US-Dollar an
die kongolesische Regierung ausreichend, um die schlimmsten sozialen
Folgen der Krise abzufedern?

a) Handelt es sich dabei um Kredite, und zu welchen ökonomischen und
politischen Bedingungen wurden die Zahlungen gewährt (bitte Details
nennen)?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die IWF-Entscheidung, den Transfer
von rund 500 Mio. US-Dollar im Rahmen der HIPC-II-Initiative erneut
bis Dezember 2009 aufzuschieben?

40. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung – auch in Kooperation
mit EU und UNO – um die illegale Rohstoffausbeutung (v. a. Coltan,
Casseterite und andere Erze sowie Gold und Diamanten) durch die
Konfliktakteure in Ostkongo (einschließlich der FARDC) und den Export
dieser Rohstoffe über Anrainerstaaten einzudämmen und zu unterbinden?

a) Welche Maßnahmen ergreift sie (bilateral und multilateral), gegenüber
kongolesischen Behörden und Sicherheitskräften sowie gegenüber den
Anrainerstaaten (v. a. Ruanda und Uganda), um das lukrative Geschäft
mit Konfliktrohstoffen zu unterbinden und die verbreitete Beteiligung
korrupter Amtsträger an diesem Geschäft zu verhindern?

b) Welche Maßnahmen ergreift sie (bilateral und multilateral), gegenüber
(international agierenden) Unternehmen, um die von vielen NGOs
(u. a. des Fatal Transactions-Netzwerks) und im UN-Expertenbericht
(S/2008/773) geforderte Einhaltung von „Due Dilligence-Kriterien“
durch private Rohstoffimporteure durchzusetzen, um konfliktverschär-
fenden Handel zu unterbinden und Transparenz in den Handelsketten
herzustellen?

c) Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die Wirk-
samkeit bestehender Initiativen und Regime (u. a. EITI, Kimberley-
Prozess und OECD-Richtlinien) zu erhöhen und diese zu – für Staaten
und Unternehmen – rechtlich bindenden Regelungen auszubauen?
Wenn nein, warum nicht?

d) Liegen Ergebnisse über das bereits 2007 aufgenommene Pilotprojekt
„Herkunftsnachweis Coltan“ vor, mit dem die Wirksamkeit einer um-
fassenden Zertifizierung der Handelsketten mit mineralischen Roh-
stoffen getestet werden sollte, und welche nächsten Schritte sind ge-
plant?

41. Verfügt die Bundesregierung im Zusammenhang mit intransparenten Berg-
bauverträgen mit internationalen Firmen, der extremen Ausbeutung von
Arbeitskräften v. a. im nichtindustriellen (artisanalen) Kleinbergbau sowie
der systemischen Korruption in Ministerien und Behörden die die Haupt-
gründe dafür sind, dass auch in westlichen und südlichen Landesteilen der
DR Kongo der Abbau (nicht nur) mineralischer Rohstoffe erhebliche Kon-
fliktpotenziale birgt und nicht zur nachhaltigen Entwicklung des Landes
beiträgt, über Kenntnisse

a) über den Stand des Revisionsverfahrens von Bergbauverträgen und
Lizenzen, wie diese von zwei kongolesischen parlamentarischen Unter-
suchungskommissionen (2005 und 2007) aufgrund der massiven Un-
regelmäßigkeiten und teils offenen Rechtsverstöße in vergangenen Ver-
gabeverfahren von der Kabila-Regierung gefordert wurden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/13785

b) Welche Haltung nimmt die Bundesregierung – bilateral gegenüber der
kongolesischen Regierung und in multilateralen Foren – in Bezug auf
die von den Untersuchungskommissionen sowie internationalen und
kongolesischen NGOs geforderten Neuverhandlungen der Bergbauver-
träge ein?

42. Wie erklärt die Bundesregierung die stark abweichenden Angaben zu
Opfern sexualisierter Gewalt in Ostkongo, die nach Informationen von
Menschenrechts-NGOs allein 2008 rund 100 000 Frauen und Mädchen be-
tragen, wohingegen die Angaben der UNO mit rd. 6 900 gemeldeten Fällen
in der ersten Jahreshälfte 2008 weit darunter liegen?

43. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob sich die Häufigkeit und
Intensität sexualisierter Gewalt nach dem Ende der CNDP-Rebellion und
dem Abschluss der Operation Umoja Wetu in Nord Kivu verringert hat?

44. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung, die die UN-Resolution 1820
ratifiziert hat, multilateral sowie gegenüber der kongolesischen Regierung
unternommen, um die Umsetzung der Resolution in den Krisenregionen im
Ostkongo zu befördern?

45. In der UN-Resolution zur DR Kongo (S/RES/1856) sowie im aktuellen
Bericht des UN-Generalsekretärs (S/2009/160, § 69) wurde die sexuali-
sierte Gewalt der Kriegsparteien – unter expliziter Nennung der staatlichen
Sicherheitskräfte – verurteilt, sind der Bundesregierung Bemühungen der
kongolesischen Regierung bekannt,

a) mit besonderen Maßnahmen zu einem besseren Schutz von Frauen und
Kindern in den Konfliktregionen in Ostkongo beizutragen (und wenn ja,
bitte aufführen)?

b) mit Aufklärungs- und Präventionskampagnen innerhalb ihrer Sicher-
heitsapparate unter Offizieren und Soldaten/Polizisten größere Gender-
Sensibilität herzustellen?

c) um Straftäter schneller zu ermitteln, anzuklagen und juristisch zur Ver-
antwortung zu ziehen?

d) mit denen der verbreiteten Straflosigkeit – besonders bei höherrangigen
Angehörigen der Sicherheitskräfte – bei Tatbeständen sexueller Gewalt
wirksam entgegengewirkt wird?

46. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den zustän-
digen kongolesischen Ministerien bei der Umsetzung des Aktionsplan zur
Implementierung einer Strategie gegen sexualisierte Gewalt im Rahmen
von EUSEC und EUPOL, auf den die Bundesregierung Ende 2008 erst-
mals verwies (Bundestagsdrucksache 16/11332), und welche Fortschritte
konnten bisher erreicht werden?

47. Warum hat die Bundesregierung bislang keinen eigenen nationalen Ak-
tionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 vorgelegt?

48. Wie groß ist der Anteil von Projekten an den rund 9,2 Mio. Euro umfassen-
den bilateralen Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitssysteme, die
explizit und schwerpunktmäßig die Versorgung von Frauen und Kindern
fördern, die infolge von Vergewaltigungen mit HIV, Geschlechts- oder
anderen Infektionskrankheiten infiziert wurden (bitte mit Nennung der Pro-
jekte)?

49. Welche Projekte medizinischer und psychosozialer Betreuungsangebote
und Wiedereingliederungsprojekte für Frauen und Kinder, die Opfer von
(sexualisierter) Kriegsgewalt wurden, existieren in Ostkongo, und welche

werden durch die Bundesregierung in welcher Höhe unterstützt?

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50. Aus welchen Gründen setzt der bilaterale Friedensfonds zur Förderung ört-
licher Wiederaufbaumaßnahmen und der Nachkriegsentwicklung keine
expliziten Schwerpunkte auf die Förderung von Frauenprojekten im Sinne
der UN-Resolution 1325, d. h. auf Maßnahmen zur medizinischen und
psycho-sozialen Behandlung, zur gesellschaftlichen Reintegration und zur
Förderung politischer Partizipation von Frauen?

51. Inwiefern ermöglicht der Friedensfonds eine gezielte, direkte und schnelle
Hilfe für vergewaltigte Frauen und zur Unterstützung lokaler Fraueninitia-
tiven?

52. Nach Angaben der KfW wurden bis Anfang 2009 rund 30 Mio. Euro aus
Mitteln des insgesamt 50 Mio. umfassenden Friedensfonds abberufen, und
für welche Projekte hat die Bundesregierung bislang Mittel (in welcher
Höhe) zur Verfügung gestellt (bitte konkrete Angaben zu Projekten und
Förderhöhe)?

53. Ist geplant, bei der Auszahlung der ausstehenden rund 23 Mio. Euro beson-
ders Projekte zu beachten, die sich für die Bekämpfung sexueller und
sexualisierter Gewalt einsetzen sowie zur verbesserten gesellschaftlichen
und politischen Partizipation von Frauen beitragen?

54. Unterstützt die Bundesregierung die von lokalen und internationalen Frauen-
organisationen erhobene Forderung nach Schaffung einer MONUC-Sonder-
einrichtung zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt sowie die Aufstellung
weiblicher Polizeieinheiten nach dem Modell in Liberia?

a) Wenn ja, hat die Bundesregierung konkrete Initiativen ergriffen, um den
Aufbau derartiger Einheiten zu unterstützen?

b) Wenn nein, warum nicht?

55. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit der „zero-tolerance“-
Politik der MONUC, mit der diese vor dem Hintergrund wiederholter Ver-
strickungen von MONUC-Personal in Fälle von (Zwangs-)Prostitutions-
ringen seit 2004 versucht, sexuellen Missbrauch und sexualisierte Gewalt
durch MONUC-Angehörige zu verfolgen und zu ahnden?

a) Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass MONUC trotz dieser Politik
wiederholt in die Schlagzeilen gerät – zuletzt wurden im August 2008
indische Blauhelme der „sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Miss-
brauchs“ von z. T. minderjährigen Prostituierten (Mädchen und Jungen)
beschuldigt?

b) Welche Maßnahmen müssten nach Ansicht der Bundesregierung ergrif-
fen werden, um zu erreichen, dass schuldige UN-Mitarbeiter in ihren
Entsendeländern zur Rechenschaft gezogen werden?

c) Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, um die Entsendeländer
stärker in die Verantwortung einzubinden?

d) Welche Maßnahmen werden von der UNO bzw. MONUC derzeit zur
Schulung des internationalen militärischen und zivilen Personals über
international gültige Menschenrechtsstandards sowie die in den in der
UN-Resolution 1325 enthaltenen Vorgaben für Einsätzkräfte durchge-
führt, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Maßnahmen?

Berlin, den 13. Juli 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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