BT-Drucksache 16/13704

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, KOM(2009)135 endgültig

Vom 1. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13704
16. Wahlperiode 01. 07. 2009

Antrag
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dr. Max Stadler, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L.
Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Dr. Erwin Lotter, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung
des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie
der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI
des Rates, KOM(2009)135 endgültig

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Am 25. März 2009 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für
einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Miss-
brauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderporno-
grafie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates
(KOM(2009)135 endgültig) vorgelegt.

Eine gesicherte Datenbasis, ob sich die Strafrechtsvorschriften des aufzuhe-
benden Rahmenbeschlusses in den Mitgliedstaaten bewährt haben, liegt noch
nicht vor.

Gestützt werden soll der Rahmenbeschluss auf Artikel 31 Absatz 1 Buch-
stabe e des Vertrages über die Europäische Union (EUV), nach dem das ge-
meinsame Vorgehen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsa-

chen die schrittweise Annahme von Maßnahmen zur Festlegung von
Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen
und die Strafen in den Bereichen Organisierte Kriminalität, Terrorismus und
illegaler Drogenhandel einschließt.

2. Bereits am 25. Oktober 2007 hat der Europarat ein Übereinkommen zum
Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch

Drucksache 16/13704 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

(CETS No. 201) zur Zeichnung aufgelegt. Die Bundesregierung hat die
Absicht, die erforderlichen Schritte zur Ratifizierung dieses Übereinkom-
mens zu unternehmen und dem Deutschen Bundestag einen entsprechenden
Gesetzentwurf vorzulegen (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/13271).

Damit stellt sich erneut die Frage, ob und gegebenenfalls wie Doppelarbeit
des Europarats und der Europäischen Union vermieden werden soll. Der
Deutsche Bundestag hatte sich mit dieser Frage schon anlässlich der Beratung
des Vorschlags für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Änderung des Rah-
menbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (KOM(2007)650
endgültig) beschäftigt. Er gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag
wegen des Vorliegens des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung
des Terrorismus (CETS No. 196) Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des
gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgesetzt sei
(Plenarprotokoll 16/136, S. 14386 C i. V. m. Bundestagsdrucksache 16/7769,
insbesondere S. 5).

3. Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich wiederholt mit der Frage befasst, wie
sexuellem Missbrauch an Kindern wirkungsvoll vorgebeugt werden kann.
Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist ein Problem, das
Politik und Gesellschaft gleichermaßen herausfordert. Jeder Missbrauch ist
ein Verbrechen an der Seele der minderjährigen Opfer. Deswegen wurden
Maßnahmen strafrechtlicher Art u. a. durch das 29. Strafrechtsänderungs-
gesetz vom 31. Mai 1994 (BGBl. I S. 1168 f.) und das 6. Strafrechtsreform-
gesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164 ff.) erlassen mit dem Ziel einer
Strafrahmenharmonisierung und der Herstellung einer sachgerechten Ba-
lance zwischen selbstbestimmter Sexualität und dem Schutz junger Men-
schen vor sexuellem Missbrauch. Weitere Maßnahmen strafrechtlicher Art
folgten durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer
Vorschriften vom 21. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007 ff.) und das Gesetz
zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union
zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der
Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149 ff.).

4. Bei der Beratung des Vorschlages wurden in der zuständigen Ratsarbeits-
gruppe von acht Mitgliedstaaten Parlamentsvorbehalte geltend gemacht.
Weitere Delegationen haben allgemeine Prüfungsvorbehalte eingelegt und
das Bedürfnis nach eingehenderer Prüfung geäußert (Ratsdok. 9892/09). So
sieht die Bundesregierung u. a. Klarstellungsbedarf hinsichtlich der Sanktio-
nen für juristische Personen. Insoweit bedürfe die deutsche Sprachfassung
noch einer Anpassung an die Formulierungen in früheren Rahmenbeschlüs-
sen. Weiterer Anpassungsbedarf der deutschen Sprachfassung an die engli-
sche ergebe sich daraus, dass letztere keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten
enthalte sicherzustellen, dass jeder einen begründeten Verdacht des Kindes-
missbrauchs melde. Klarstellungsbedarf bestehe zudem hinsichtlich der Be-
stimmung zur Straffreiheit der Opfer. Diese komme nach Auffassung der
Bundesregierung nur in Betracht, soweit es sich um die ohnehin straflose not-
wendige Teilnahme an den Straftaten handele, deren Opfer sie wurden. Kon-
kretisierungsbedarf bestehe schließlich hinsichtlich der Verpflichtung zur
Risikoabschätzung (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/13271).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13704

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung gemäß Artikel 23 Ab-
satz 3 Satz 1 des Grundgesetzes auf,

1. bei den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken,

a) dass sich der Rahmenbeschluss im Rahmen der Kompetenzen des Arti-
kels 31 Absatz 1 Buchstabe e EUV hält, sexueller Missbrauch gegenüber
Kindern durch die Europäische Union demnach nur insoweit geregelt
wird, als er Verbindungen zur Organisierten Kriminalität aufweist, und an-
sonsten der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten überlassen bleibt;

b) dass der Rahmenbeschluss dem Grundsatz der Subsidiarität gerecht wird.
Das bedeutet zum einen, dass den Mitgliedstaaten nicht – wie mit Arti-
kel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Vorschlages – durch die Europäische
Union vorgeschrieben wird, Verstöße gegen ihr jeweiliges nationales
Recht unter Strafe zu stellen. Zum anderen soll der Rahmenbeschluss zur
Wahrung der Kohärenz der nationalen Strafrechtssysteme die Bestim-
mung von Art und Maß der Sanktionen den Mitgliedstaaten überlassen
und so insbesondere sicherstellen, dass Teilnahme und Versuch weiter
milder als Täterschaft bzw. Vollendung bestraft werden können;

c) dass die Vorschriften des Rahmenbeschlusses in einer Weise ausgestaltet
werden, dass die von dem deutschen Gesetzgeber in den vergangenen Jah-
ren vorgenommene Harmonisierung im Sexualstrafrecht in Bezug auf
strafbares Verhalten und Sanktionen, insbesondere hinsichtlich der Diffe-
renzierungen bei den Altersgrenzen für Täter und Opfer beibehalten wer-
den kann;

d) dass die im bisherigen Recht (Artikel 3 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses
2004/68/JI) enthaltene Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, bestimmte
Handlungen von der Strafbarkeit auszunehmen, erhalten bleibt und

e) dass die hoch umstrittenen Fragen, ob verdeckte Ermittlungsmaßnahmen
eingesetzt und Internetseiten gesperrt werden können, nicht durch Rah-
menbeschluss der Europäischen Union, sondern durch die Parlamente der
Mitgliedstaaten entschieden werden sowie

2. sicherzustellen, dass die oben unter I.4 genannten Klarstellungen vorgenom-
men werden;

3. dem Rahmenbeschluss auf keinen Fall zuzustimmen, bevor nicht der am
27. September 2009 neu gewählte Bundestag Gelegenheit zu einer erneuten
Prüfung des Textes erhalten hat, und

4. letztlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Regelung durch
einen Rahmenbeschluss der Europäischen Union zusätzlich zur Regelung
durch den Europarat abzusehen.

Berlin, den 1. Juli 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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