BT-Drucksache 16/13472

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/12597, 16/13423- Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13472
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Max Stadler, Gisela Piltz,
Christian Ahrendt, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/12597, 16/13423 –

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die schrecklichen Ereignisse von Winnenden und Wendlingen vom 11. März
2009 haben die Menschen in Deutschland betroffen und fassungslos gemacht.
Die hinter dieser grauenhaften Tat stehenden Probleme sind vielschichtig und
müssen auf den verschiedensten Ebenen der Gesellschaft bewältigt werden.
Ein verantwortungsvoller Lösungsansatz muss viele, komplexe Fragestellun-
gen behandeln. Die Gesetzgebung und insbesondere das Waffenrecht kann
nur ein Teilbereich in einem ganzheitlichen Maßnahmenkatalog sein.

2. Das deutsche Waffenrecht wurde bereits nach dem Amoklauf in Erfurt zwei
Mal verschärft und es ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Leider
hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden und

Wendlingen nicht verhindert. Kein Gesetz kann schützen, wenn es – wie in
Winnenden bei der Aufbewahrungspflicht – nicht beachtet wird. Amokläufe
sind leider durch Gesetze nicht vollständig zu verhindern. Die Politik kann
lediglich versuchen, sie unwahrscheinlicher zu machen. Sie sollte jedoch
nicht den Eindruck erwecken, sie könne absolute Sicherheit garantieren.

Drucksache 16/13472 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Der Vollzug des bestehenden Waffenrechts muss erheblich verbessert wer-
den. Gemeinsam mit den Bundesländern müssen Lösungen erarbeitet wer-
den, wie der Vollzug des geltenden Waffenrechts so verbessert werden kann,
dass die bestehenden Regelungen ihre volle Wirkung auch entfalten können.
Eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Lagerung von Waffen vor Ort muss
dabei unter Wahrung des Grundrechtes aus Artikel 13 des Grundgesetzes
erfolgen. Der konkrete Vollzug ist dabei von Bedeutung. Der Deutsche
Bundestag lehnt auch für die Zukunft eine verdachtsunabhängige, unange-
meldete Überprüfung in Privatwohnungen ab. Das Vorziehen der Umsetzung
der EU-Regelung zu einem zentralen Waffenregister kann bei der Verbesse-
rung des Gesetzesvollzugs unterstützend wirken und wird begrüßt.

4. Unter Berücksichtigung des notwendigen, erheblich zu verbessernden Ge-
setzesvollzuges muss eine Evaluierung der bestehenden waffenrechtlichen
Vorschriften erfolgen. Das Waffenrecht muss auf Grundlage der Evaluierung
ggf. auch hinsichtlich solcher Vorschriften entschärft werden, die sich nicht
als tauglich erwiesen haben, die Sicherheit signifikant zu erhöhen. Solche
Evaluierungen müssen in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

5. Vorschnelle und unausgereifte gesetzgeberische Vorschläge im Waffenrecht,
wie sie ritualisiert nach schrecklichen Ereignissen mit Waffen, wie z. B.
nach Amokläufen, vorgebracht werden, helfen weder den Hinterbliebenen
der Opfer bei der Verarbeitung ihres schweren Verlustes, noch helfen sie bei
der Lösung des Grundproblems. Waffenrechtliche Verschärfungen müssen
dazu geeignet sein, die öffentliche Sicherheit zu erhöhen.

6. Waffenrechtliche Verschärfungen müssen unterbleiben, wenn sie nur dazu
geeignet sind, der Öffentlichkeit eine scheinbare Sicherheit vorzugaukeln.
Zahlreiche vorgebrachte Vorschläge sind entweder unwirksam oder gar kon-
traproduktiv. So hat ein Totalverbot privater Schusswaffen in Großbritannien
1997 nach dem Amoklauf von Dunblane keinesfalls zu einer Senkung der
Waffenkriminalität geführt. Die Gefahr, dass die Zahl der unkontrollier-
baren, illegalen Waffen steigt, ist hoch. Ein Verbot von Spielen wie Paintball
ist reine Symbolpolitik und führt nicht zu einem Sicherheitsgewinn. Wer in
solchen Spielen eine Ursache für verstärkte Aggression und Gewalt sieht,
muss in der Konsequenz auch für ein Verbot von Spielen wie Völkerball
oder von olympischen Sportarten wie Fechten und Boxen eintreten. Das
bereits nach dem Amoklauf von Erfurt und nun erneut diskutierte Auf-
bewahrungsverbot von Waffen in Privathaushalten verringert die öffentliche
Sicherheit. Dadurch erforderlich werdende zentrale Waffendepots, wie z. B.
Schützenhäuser, bergen die erhöhte Gefahr des Diebstahls einer großen An-
zahl von Waffen, die dann in der Illegalität verschwinden.

7. Der Deutsche Bundestag ist sich dessen bewusst, dass nach Auskunft der
Bundesregierung lediglich 2 bis 3 Prozent aller bei Delikten mit Schuss-
waffen eingesetzten Waffen aus legalem Besitz stammen. Das eigentliche
Sicherheitsproblem in Bezug auf Waffen in Deutschland stellen die illegalen
Waffen dar. Diesem Problem kann man gesetzlich nur durch eine straffreie
Abgabe dieser Waffen begegnen, nicht aber durch eine fortlaufende Ver-
schärfung des Waffenrechts. Der Deutsche Bundestag spricht sich in diesem
Zusammenhang für eine straffreie Abgabemöglichkeit für illegale Waffen
bis zum 31. Dezember 2009, im Sinne des Gesetzentwurfs der Fraktion der
FDP auf Bundestagsdrucksache 16/12663, aus.

8. Der Deutsche Bundestag lehnt einen Generalverdacht und eine Vorverurtei-
lung aller legalen Waffenbesitzer entschieden ab. Die vielen Waffenbesitzer,
wie Jäger, Sportschützen oder Sammler historischer Waffen dürfen nicht
durch beliebige, exzessive Gesetzesverschärfungen in ihrer Freiheit einge-
schränkt und in ihrem öffentlichen Ansehen herabgewürdigt werden. Ein

solcher Generalverdacht kann die Diskussion um die wirklichen Ursachen
kriminellen Handelns nicht ersetzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13472

9. Wir benötigen in Deutschland eine Kultur des stärkeren Hinsehens. Gewalt-
und Kriminalprävention müssen einen höheren Stellenwert beanspruchen,
auch bei staatlichem Tun. Die Mittel für Präventionsarbeit müssen, entgegen
dem Trend der zurückliegenden Jahre, an die bestehenden Bedürfnisse an-
gepasst werden. Eine gezielte Forschung auf diesen Gebieten muss weiter
vorangetrieben und unterstützt werden. Die bisherige Schulpolitik der
Länder muss in den Maßnahmenkatalog zur Gewaltbekämpfung einbezogen
werden. Auch Fragen des Medienkonsums müssen überdacht und diskutiert
werden. Wertevermittlung und Kultur sind ebenfalls entscheidende Bau-
steine. Es muss besser wahrgenommen werden, wenn Kinder, Schüler oder
Freunde sich absondern oder Probleme mit sich tragen. Das Erkennen und
Helfen bei Vereinzelungs- und Isolationstendenzen von Personen ist eine be-
deutende gesellschaftliche Aufgabe, auch und gerade vor Ort. Es ist eine,
nicht nur wegen der grausamen Tat in Winnenden und Wendlingen, sehr
bedeutsame Zukunftsaufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte, einschließlich
der Politik.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Gewalt- und Kriminalprävention einen höheren Stellenwert bei staatlichem
Tun einzuräumen, die Mittel für Präventionsarbeit an die bestehenden Bedürf-
nisse anzupassen und gezielte Forschung auf diesen Gebieten weiter zu unter-
stützen. Hierzu gehört auf Seiten der Länder das Aufgreifen zahlreicher Vor-
schläge aus der betreffenden Ministerpräsidenten-Konferenz von 2003, nie-
dergelegt in der Arbeitsgruppe „Gewaltprävention“ (z. B. Ganztagsschulen,
Konfliktmanagement für Lehrer, Medien- und IT-Kompetenz, Jugendsozial-
arbeit, Streitschlichtungsprogramme, Täter-Opfer-Ausgleich etc.);

2. unter Mithilfe aller gesellschaftlichen Kräfte darauf hinzuwirken, dass in
Deutschland eine größere Sensibilität für das jeweilige persönliche Umfeld
– insbesondere bei Jugendlichen – und eine Kultur des Hinsehens entsteht;

3. gemeinsam mit den Bundesländern Lösungen zu erarbeiten, wie der Vollzug
des bestehenden Waffenrechts so verbessert werden kann, dass die bestehen-
den Regelungen ihre volle Wirkung auch bestmöglich entfalten können;

4. den Plänen zur Einführung einer verdachtsunabhängigen, unangemeldeten
Überprüfung der ordnungsgemäßen Lagerung von Waffen in Privatwohnun-
gen mit Blick auf das Grundrecht aus Artikel 13 des Grundgesetzes nicht
näher zu treten;

5. Jäger, Sportschützen oder Sammler historischer Waffen dürfen nicht durch
beliebige, exzessive Gesetzesverschärfungen in ihrer Freiheit eingeschränkt
und unter einen Generalverdacht gestellt werden;

6. die Möglichkeit einer straffreien Abgabe illegaler Waffen bis zum
31. Dezember 2009 im Sinne des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP auf
Bundestagsdrucksache 16/12663 zu schaffen und mit den Ländern einen
sofortigen Dialog aufzunehmen, um hier effektive Begleitmaßnahmen zu
treffen;

7. das Waffenrecht in regelmäßigen Abständen zu evaluieren, bei Bedarf hin-
sichtlich der tatsächlichen Umstände und Bedürfnisse zu korrigieren und
ggf. auch solche Vorschriften zu entschärfen, die sich nicht als tauglich er-
wiesen haben, die Sicherheit zu erhöhen.

Berlin, den 16. Juni 2009
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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