BT-Drucksache 16/134

Auswirkungen und Probleme der Private Limited Companies in Deutschland

Vom 1. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/134
16. Wahlperiode 01. 12. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Otto Fricke, Dr. Max Stadler, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Auswirkungen und Probleme der Private Limited Companies in Deutschland

Die Zahl der Gründungen einer englischen Private Limited Company (Limited)
ist in Deutschland deutlich angestiegen, seit der Europäische Gerichtshof
(EuGH) in seiner „Überseering“-Entscheidung vom 5. November 2002
(Rs. C-208/00) entschieden hat, dass eine in einem EU-Mitgliedstaat wirksam
gegründete Kapitalgesellschaft in allen anderen Mitgliedstaaten als solche an-
zuerkennen ist. Bereits mit der Entscheidung des EuGH vom 9. März 1999 in
der Rechtssache Centros (Rs. C-212/97) wurde die Niederlassungsfreiheit von
Gesellschaften im Binnenmarkt präzisiert.

Die englische Limited ist zum Teil mit der deutschen Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung (GmbH) vergleichbar. Die neuere Rechtsprechung des
EuGH zum Gesellschaftsrecht stellt für das deutsche Gesellschaftsrecht und
insbesondere für das mehr als einhundert Jahre alte deutsche GmbH-Recht eine
historische Herausforderung dar. Die GmbH konkurriert nicht mehr nur mit
anderen nationalen Rechtsformen, sondern zunehmend auch mit ausländischen
Gesellschaftsformen. Dieser Wettbewerb der Rechtsformen wird durch das
„Inspire Art“-Urteil des EuGH vom 30. September 2003 (Rs. C-167/01) noch
verstärkt. Nach dieser Entscheidung ist es mit dem europäischen Recht unver-
einbar, wenn die Errichtung einer Zweigniederlassung in einem anderen Mit-
gliedstaat von innerstaatlichen Regelungen für die Gründung von Gesellschaf-
ten abhängig gemacht wird.
Einem deutschen Unternehmensgründer steht es frei, nach englischem Recht
eine Limited zu gründen, deren Verwaltungssitz sich in Deutschland befindet.
Für die Errichtung einer englischen Limited ist ein Kapital von ca. 1,40 Euro
ausreichend. Der Unternehmer kann auch über eine Zweigniederlassung in
Deutschland tätig werden. Bei dieser kann es sich sogar um die tatsächliche
Hauptniederlassung der englischen Limited handeln. Die Vorschriften des deut-
schen Gesellschaftsrechts über die Aufbringung eines bestimmten Mindest-

Drucksache 16/134 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kapitals und dessen Erhaltung finden auf eine englische Limited keine Anwen-
dung, wenn sie in Deutschland tätig ist oder hier eine Zweigniederlassung
unterhält.

Die Wahl einer Rechtsform, die auf dem deutschen Markt bisher ungewöhnlich
ist, führt teilweise zu Irritationen bei Kunden und Geschäftspartnern. Dies gilt
insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die schwerpunktmäßig auf
nationalen oder regionalen Märkten tätig sind. Gleichzeitig ist die Rechtsverfol-
gung der englischen Limited schwerer möglich. Durch die Tatsache, dass in der
Regel englisches Recht Anwendung findet, sind die Möglichkeiten der Rechts-
verfolgung für Vertragspartner in Deutschland erheblich erschwert.

Auch für deutsche Gesellschafter einer Limited birgt die Gründung einer
Limited für diese schwer einschätzbare Risiken. Insbesondere die Pflichten, die
mit der Gründung einer Limited verbunden sind, werden von den betroffenen
Unternehmern oft unterschätzt. Dies beruht nicht selten auf einer unzureichen-
den Kenntnis des englischen Rechts. Die Nichteinhaltung formaler Vorschriften
kann dazu führen, dass eine Limited in England von den britischen Behörden
gelöscht wird und das in England belegene Vermögen der englischen Krone zu-
fällt. Auch werden die niedrigen Kosten bei der Gründung einer Limited nicht
in Zusammenhang mit den deutlich höheren Folgekosten gebracht, die ins-
besondere durch die Erfüllung der englischen Offenlegungspflichten – z. B. Er-
stellung von englischsprachigen „annual returns“ – auftreten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Für welche Unternehmensgröße (Umsatz, Mitarbeiter) und welche Unter-
nehmensgegenstände ist die Limited als Rechtsform in Deutschland, nach
Ansicht der Bundesregierung, geeignet?

2. Wie viele Limiteds wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-
ten sieben Jahren von deutschen Unternehmern in England für eine Tätigkeit
in Deutschland gegründet und wie viele von diesen haben ihren Verwal-
tungssitz nach Deutschland verlegt?

3. Wie viele Zweigniederlassungen englischer Limiteds sind in Deutschland in
den letzten sieben Jahren eingetragen und gelöscht worden?

4. Wie viele Gründer einer englischen Limited kommen nach Kenntnis der
Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach, ihre Zweigniederlassung im
deutschen Handelsregister einzutragen?

5. Wie lange dauert die Eintragung einer Zweigniederlassung einer Limited im
Durchschnitt in Deutschland, insbesondere im Vergleich zu der Eintragung
einer GmbH ins Handelsregister?

6. Sieht die Bundesregierung bezüglich der Eintragungsverpflichtung einer
Zweigniederlassung einer Limited Schwierigkeiten, insbesondere auf Grund
des Zusammentreffens von englischen und deutschen Rechtsvorschriften
(z. B. Genehmigungen bei bestimmten Unternehmensgegenständen)?

7. Sieht die Bundesregierung die Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 Han-
delsgesetzbuch (HGB) für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht als
ausreichend für gesetzliche Konsequenzen bei unterlassener Eintragung einer
Zweigniederlassung an und plant sie hierfür andere gesetzliche Konsequen-
zen?

8. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit briti-
schen Behörden, um bessere Kenntnisse über in Deutschland tätige Limiteds
und deren Zweigniederlassungen zu erhalten, und macht sie von diesen

Möglichkeiten bereits Gebrauch?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/134

9. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Offenlegungsverpflichtung für
Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften einzuführen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten einer Limited bei der
Aufnahme von Krediten, insbesondere unter Berücksichtigung der Vorga-
ben von Basel II?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitnehmer bei Beschäftigung
in einer deutschen Limited-Niederlassung genauso abgesichert sind, z. B.
bei ausstehenden Gehältern, wie bei einer deutschen GmbH?

12. Welche Risiken für deutsche Unternehmer bei der Gründung einer Limited
sieht die Bundesregierung insbesondere hinsichtlich der oftmals unzurei-
chenden Kenntnisse über die englischen Rechtsvorschriften?

13. In welchen Wirtschaftbereichen sieht die Bundesregierung durch die Grün-
dung einer Limited Möglichkeiten zur Stärkung des Wirtschaftwachstums?

14. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass dem Bund durch die Zunahme
von Limited-Gründungen Steuerausfälle bevorstehen?

15. Falls ja, in welcher Höhe werden diese erwartet und wie will die Bundes-
regierung diese Steuerausfälle kompensieren?

16. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass die Limited bei sog.
Karussellgesellschaften sehr häufig genutzt wird, um Umsatzsteuerbetrug
begehen zu können?

17. Wenn ja, was will die Bundesregierung dagegen unternehmen?

18. Welche Rolle und Gewichtung misst die Bundesregierung dem niedrigen
Gründungskapital von einem englischen Pfund für die Entscheidung zur
Gründung einer Limited bei?

19. Welche Folgerungen für den deutschen Gesetzgeber zieht die Bundesregie-
rung aus dieser Gewichtung?

20. Könnte eine Reform des Rechts der Industrie- und Handelskammern aus
Sicht der Bundesregierung dazu beitragen, den Bemühungen, durch die
Wahl einer ausländischen Gesellschaftsform die Pflichtmitgliedschaft zu
umgehen, von vornherein die Grundlage entziehen?

21. Will die Bundesregierung das deutsche Gesellschaftsrecht unter Wahrung
seiner Struktur fortentwickeln, um somit die Angleichung der europäi-
schen Gesellschaftsrechte aktiv zu unterstützen?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Haftungs- und Publizitätspflichten
einer englischen Limited?

23. Welche Risiken sieht die Bundesregierung für Gläubiger einer in Deutsch-
land tätigen Limited durch die „liability clause“?

24. Sind nach Ansicht der Bundesregierung Konstellationen denkbar, nach
denen zusätzlich zu den nach englischem Recht geltenden Haftungstat-
beständen für „directors“ einer Limited bei einer Tätigkeit der Limited in
Deutschland zusätzlich deutsches Haftungsrecht greift, und welche deut-
schen Haftungstatbestände wären dies?

25. Haftet nach Überzeugung der Bundesregierung der Gesellschafter einer
Limited unbeschränkt, wenn die Gesellschaft ausschließlich im Inland ope-
riert hat, oder unter welchen weiteren Voraussetzungen ist eine solche Haf-
tung gegeben?

26. In welchem Umfang bzw. inwieweit müssen sich englische Gesellschaften
den zwingenden Vorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts unterwer-

fen?

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27. Wann und nach welchem Gesellschaftsrecht ist nach Einschätzung der
Bundesregierung der Direktor einer Limited verpflicht, bei Zahlungsunfä-
higkeit oder Überschuldung Insolvenz anzumelden?

28. Will die Bundesregierung auf nationaler bzw. auf europäischer Ebene auf
den Wettbewerb der Rechtsform der Limited mit deutschen Gesellschafts-
rechtsformen reagieren, und wenn ja, wie?

29. Nach welchem Recht richten sich nach Ansicht der Bundesregierung die
Insolvenzantragspflicht und das Insolvenzverschleppungsverbot einer eng-
lischen Limited in Deutschland?

30. Vertritt die Bundesregierung die Überzeugung, dass deutsche Rechtsmaß-
stäbe für Fragen des Vorliegens eines eigenkapitalersetzenden Darlehens
auch bei der Limited in Deutschland herangezogen werden dürfen?

31. Sieht die Bundesregierung Schwierigkeiten für deutsche Vertragspartner
einer in Deutschland operierende Limited, die ihren Stammsitz in England
hat, deren vertragliche Ansprüche gerichtlich durchzusetzen?

32. Wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung zur Verbesserung
des Rechtsschutzes deutscher Vertragspartner einer englischen Limited er-
greifen?

33. Wie beurteilt die Bundesregierung rechtlich die mögliche Konstellation,
dass eine Limited in England bereits aus dem Register gelöscht wurde und
trotzdem als „Schein-“Limited durch eine „Zweigniederlassung“ in
Deutschland das Unternehmen weiter betreibt?

34. Sind der Bundesregierung bereits Fälle solcher „Schein-“Limiteds be-
kannt?

35. Wie möchte die Bundesregierung etwaigen „Schein-“Limiteds begegnen?

36. Wie oft sind nach Kenntnis der Bundesregierung englische Limiteds in
Deutschland bereits als Komplementärin an einer Kommanditgesellschaft
beteiligt?

Berlin, den 29. November 2005

Otto Fricke
Dr. Max Stadler
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Jörg Rohde
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil

Jürgen Koppelin Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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