BT-Drucksache 16/13316

Westsahara

Vom 8. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13316
16. Wahlperiode 08. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche,
Sevim Dag˘delen, Michael Leutert, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Westsahara

Seit 1975 hält Marokko den größten Teil der Westsahara besetzt. Der Konflikt
um die ehemalige spanische Kolonie ist einer der letzten ungelösten Kolonial-
konflikte auf dem afrikanischen Kontinent. Nach einem erbitterten Krieg zwi-
schen den marokkanischen Besatzern und der sahrauischen Unabhängigkeits-
bewegung Polisario kam es 1991 zu einem fragilen Waffenstillstand. Seitdem
versuchen die Vereinten Nationen (VN) bei der Beilegung dieses Konfliktes zu
vermitteln – bisher ohne Erfolg. Seit Jahrzehnten fordern die VN ein Referen-
dum über die Unabhängigkeit der Westsahara – dies wurde bis heute von
Marokko erfolgreich sabotiert und verschleppt. 2007 präsentierte das König-
reich in einem Autonomieplan eine einseitige Lösung, die den Sahrauis ihr
durch internationale Resolutionen anerkanntes Recht auf Selbstbestimmung
verweigert. Frankreich und Spanien unterstützen ihren wichtigen Handelspart-
ner Marokko bei dessen Blockadepolitik. Die Westsahara verfügt über die welt-
weit größten Phosphorvorräte, Erdölvorkommen und eine fischreiche Atlantik-
küste.

Der Sicherheitsrat der VN hat jüngst mit der Resolution 1871 (2009) einen
neuen Anlauf zu einer Lösung des Westsahara-Konflikts gefordert. Im Zuge
dessen wurde das Mandat der VN-Mission für ein Referendum in der Westsa-
hara (MINURSO) um ein weiteres Jahr, bis Ende April 2010 verlängert. Der
VN-Sicherheitsrat bekräftigt in der aktuellen Resolution erneut, „den Parteien
bei der Herbeiführung einer gerechten, dauerhaften und für beide Seiten
annehmbaren politischen Lösung behilflich zu sein, die die Selbstbestimmung
des Volkes von Westsahara im Rahmen von Regelungen vorsieht, die mit den
Grundsätzen und Zielen der Charta der Vereinten Nationen in Einklang stehen
[…]“. Das Mandat sollte durch eine Beobachtermission bezüglich der Men-
schenrechtssituation erweitert werden. Frankreich hat dieser Mandatserweite-
rung als einziges Mitglied im VN-Sicherheitsrat nicht zugestimmt und somit
eine Untersuchung der Menschenrechtssituation durch die VN in der West-
sahara verhindert.

Die menschenrechtliche Situation in der Westsahara gibt jedoch weiterhin An-
lass zu großer Sorge. Demonstrationen für eine Unabhängigkeit der Westsahara

sind verboten bzw. werden von marokkanischen Sicherheitskräften gewaltsam
unterdrückt. Demonstranten werden festgenommen und während der Verhöre
durch die Sicherheitskräfte gefoltert und misshandelt. Sahrauische Menschen-
rechtsverteidiger werden schikaniert und unter zweifelhafter Beweislage zu
langen Gefängnisstrafen verurteilt (Human Rights Watch: Human Rights in
Western Sahara and in the Tindouf Refugee Camps, Dezember 2008; Amnesty
international Report 2008).

Drucksache 16/13316 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte in der
Westsahara?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Menschenrechtssitua-
tion in der Westsahara im Rahmen des MINURSO-Mandats der VN unter-
sucht werden sollte?

Wenn nicht, warum nicht?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund das Veto der
französischen Regierung im VN-Sicherheitsrat gegen eine Aufnahme eines
Mandats zur Untersuchung der Menschenrechtssituation in der Westsahara
in die Resolution des VN-Sicherheitsrates 1871 (2009)?

4. Hat die Bundesregierung Initiativen unternommen, um den VN-Sicher-
heitsrat dabei zu unterstützen, das Mandat der MINURSO um eine Unter-
suchung der Menschenrechtssituation zu erweitern?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

5. Hat die Bundesregierung bis heute öffentlich oder inoffiziell einen Protest
an die marokkanische Regierung gerichtet, um auf deren Missachtung der
Menschenrechte der Sahrauis aufmerksam zu machen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

6. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung als Mitglied des VN-
Menschenrechtsrats zu unternehmen, um die Menschenrechtssituation der
Sahrauis zu verbessern?

7. In welcher Form hat die Bundesregierung bislang auf Frankreich und Spa-
nien eingewirkt, ihre Haltung gegenüber Marokko zu verändern?

8. Wie bewertet die Bundesregierung den von Marokko vorgelegten Autono-
mieplan für die Westsahara?

9. Was plant die Bundesregierung zu unternehmen, um den Frieden und die
Beachtung des internationalen Rechts in der Westsahara zu wahren,

a) im Rahmen der Generalversammlung der VN,

b) im Rahmen der EU,

c) im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Marokko?

10. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Durchführung
des Referendums zur Entscheidung über das Selbstbestimmungsrecht der
Sahrauis voranzutreiben?

11. Hat sich die Bundesregierung bis heute öffentlich oder inoffiziell an die
marokkanische Regierung gewendet, um ihren Protest gegen die marokka-
nische Blockadepolitik, die dem Referendum und einem dauerhaften Frie-
den in der Westsahara im Wege steht, zu äußern?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13316

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bilateral mit Marokko abge-
schlossene Abkommen sowie Abkommen im Rahmen der Mittelmeerunion
sich ausdrücklich nicht auf das Gebiet der Westsahara erstrecken?

a) Wie wird in entsprechenden Verträgen sichergestellt, dass das Gebiet
der Westsahara nicht eingeschlossen ist?

b) Wird im speziellen Fall der Fischereiabkommen mit Marokko Sorge
dafür getragen, dass europäische Fischereiunternehmen nicht in den
Gewässern vor der Westsahara fischen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aktivitäten der Marokkaner zur
Prospektion und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen (vor allem Phos-
phor) in der Westsahara?

14. Welche deutschen Unternehmen sind in der Westsahara tätig?

Seit wann sind diese dort tätig, und in welchen Branchen?

Berlin, den 29. Mai 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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