BT-Drucksache 16/13172

Alternativen zum Weiterbau der Bundesautobahn (BAB) 100 in Berlin

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13172
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Renate Künast, Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton
Hofreiter, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, Bettina Herlitzius,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg) Nicole Maisch, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Alternativen zum Weiterbau der Bundesautobahn A 100 in Berlin

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die A 100 ist ein Bundesfernstraßenprojekt, das im Bedarfsplan des gültigen
Fernstraßenausbaugesetzes als vordringliches Projekt ausgewiesen ist. Für den
16. Bauabschnitt zwischen Autobahndreieck Neukölln und Anschlussstelle
(AS) Am Treptower Park läuft derzeit ein Planfeststellungsverfahren, das das
Land Berlin im Zuge der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen für den
Bund durchführt.

Dieses Bauprojekt ist seit vielen Jahren hoch umstritten. Für den 17. Bau-
abschnitt (AS Am Treptower Park bis AS Frankfurter Allee) mit den größten
Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner durch ein dicht besiedeltes
Innenstadtquartier in Berlin-Friedrichshain, konnten bislang keine machbare
Trasse gefunden werden. Aufgrund unüberwindbarer städtebaulicher Hinder-
nisse wurde die Schließung des innerstädtischen Autobahnringes im Nordosten
Berlins (Landsberger Allee bis Michelangelostraße) von Bund und Land ganz
aufgegeben und aus dem Flächennutzungsplan gestrichen.

Das heißt: Mit großem Aufwand und großer Belastung für die betroffene Be-
völkerung wird an einem Ring gebaut, dessen direkte Fortsetzung ganz und gar
unklar ist und der nie zu Ende gebaut werden wird. Die zahlreichen Kritiker des
Projekts befürchten zu Recht, dass dieses Teilstück mehr Verkehrsprobleme er-
zeugt als es löst. Der verkehrliche Nutzen steht bei der A 100 in krassem Miss-
verhältnis zu den finanziellen Kosten für den Staat und die Belastungen für die
Anwohnerinnen und Anwohner und Natur und Umwelt.

Nicht zuletzt deshalb war die rot-grüne Bundesregierung bei der Erarbeitung
des Bundesverkehrswegeplanes 2003 bereit, die dem Land Berlin aufgrund des
Länderschlüssels zustehenden Mittel für den Autobahnbau anderweitig zur
Lösung der Verkehrsprobleme in Berlin zur Verfügung zu stellen. Leider hat die
rot-rote Landesregierung dieses Angebot seinerzeit abgelehnt. Doch es gibt

jetzt eine neue Chance für Berlin. Denn aus dem Bundesministerium für Wirt-
schaft, Bau und Stadtentwicklung verlautet nach einem Bericht der „Berliner
Zeitung“ vom 19. Mai 2009: „In Deutschland wird kein Meter Autobahn gegen
den Willen der Bundesländer gebaut“:

In der Bevölkerung wie an der Basis der Parteien verstummte der Widerstand
gegen die A 100 nie. Umweltverbände und Bürgerinitiativen mobilisieren seit
Jahren mit großer Unterstützung aus allen Bevölkerungskreisen erfolgreich ge-

Drucksache 16/13172 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
gen den Weiterbau der A 100. Die Berliner SPD hat am 17. Mai 2009 auf ihrem
Landesparteitag gegen den Weiterbau der A 100 in Berlin votiert. Eine Woche
zuvor hatten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf ihrem Bundesparteitag die
Ablehnung des Projekts in ihr Bundestagswahlprogramm aufgenommen. Der
Berliner Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE., Klaus Leder, sprach sich
angesichts „der erheblichen Eingriffe in die Lebensqualität“ für eine „Denk-
pause“ aus.

Für das teuerste Autobahnprojekt Deutschlands – rund 442 Mio. Euro für drei
Kilometer – gibt es damit keine politische Mehrheit im Land Berlin mehr. Eine
breite Allianz von Umweltverbänden und Parteien, einschließlich der Regie-
rungspartei SPD und Teilen der Partei DIE LINKE. reagieren damit auf die
Anwohnerproteste und sprechen sich für eine andere Verkehrspolitik des Ber-
liner Senats aus.

Bevor noch mehr Kosten für die Planfeststellungsverfahren entstehen, sollte
daher eine sofortige Einstellung aller Planungen für den Weiterbau der A 100
erfolgen. Das Projekt hat keine überörtliche Bedeutung, da der weiträumige
Verkehr über den bestehenden Berliner Autobahnring geleitet werden kann.
Nur weil dem Land Berlin Bundesmittel für Bundesfernstraßen zur Verfügung
stehen, kommt es zu solch absurd teuren und nutzlosen Großprojekten.

Um die Belastungen der Stadtbewohnerinnen und -bewohner durch den Kfz-
Verkehr zu mindern und um die wirklichen Verkehrsprobleme zu lösen, müssen
schnell tragfähige umweltgerechte Alternativen entwickelt werden.

II. Der Deutschen Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gegenüber dem Land Berlin darauf hinzuwirken, das laufende Planfeststel-
lungsverfahrens für den 16. Bauabschnitt der A 100 einzustellen;

2. die für den Weiterbau der A 100 vorgesehenen Bundesmittel von 420 Mio.
Euro für die Entwicklung Berlins als „Leitmetropole klimagerechte Mobili-
tät“ zu verwenden und dazu

a) die Mittel für die Fertigstellung des Eisenbahnknotens Berlin zu erhöhen
und dabei insbesondere die Schienenanbindung des neuen Flughafens
BBI über die Dresdner Bahn (mit Lärmschutz), eine direkte Schienen-
anbindung der östlichen Bezirke zum BBI und die Verbesserung der In-
frastruktur der S-Bahn zu berücksichtigen,

b) die Mittel für die barrierefreie Erreichbarkeit aller Berliner U- und
S-Bahnsteige bereitzustellen,

c) Mittel in Lärmschutzmaßnahmen an Berliner Autobahnen und Eisen-
bahnstrecken umzuschichten und dabei insbesondere in den aktiven
Lärmschutz (z. B. Flüsterasphalt) zu investieren,

d) im Rahmen des Hauptstadtvertrags für eine Anbindung des Hauptbahn-
hofs im Regierungsviertel an die Nord-Süd S-Bahn zu sorgen,

e) ein Modellprojekt für innovative Straßenbahnprojekte mit einer beson-
ders lärmarmen Trasse zu fördern,

f) Modellprojekte für eine radfahrer- und fußgängerfreundliche Stadt mit
Gemeinschaftsstraßen nach dem Vorbild „Shared Space“ aufzulegen,

g) ein Modellprojekt mit 2 000 öffentlichen Elektroautos nach dem Vorbild
der öffentlichen Mieträder in der Berliner Innenstadt zu fördern, wie es
die Stadt Paris plant.

Berlin, den 27. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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