BT-Drucksache 16/13088

Freihandelsabkommen EU-Indien

Vom 20. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13088
16. Wahlperiode 20. 05. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin,
Inge Höger, Ulla Lötzer, Dr. Norman Paech, Alexander Ulrich und der Fraktion
DIE LINKE.

Freihandelsabkommen EU-Indien

Auf Beschluss der EU-Außenminister vom 23. April 2007 hat die Europäische
Union (EU) Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit mehreren asiati-
schen Staaten und Staatengruppen aufgenommen, darunter Indien.

In ihrer Antwort vom 18. März 2008 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/8617) gab die Bundesregierung an, in
den Verhandlungen mit den asiatischen Schwellenstaaten das Ziel zu verfolgen,
den Zugang für Unternehmen aus der EU zu den Märkten der Verhandlungs-
partner zu verbessern. Dies solle durch den schrittweisen vollständigen Abbau
von Zöllen erreicht werden. Außerdem sollten die Themen Wettbewerb, öffent-
liches Auftragswesen und Investitionen in die Verhandlungen einbezogen wer-
den, die auf multilateraler Ebene (Welthandelsorganisation) nicht verhandelt
werden.

In Bezug auf die Verhandlungen mit Indien gab die Bundesregierung außerdem
den Abbau von Handelshemmnissen bei Finanzdienstleistungen als Ziel an.
Fachleute warnen aber angesichts der aktuellen Weltfinanzkrise vor einer Libe-
ralisierung der indischen Finanzdienstleistungen. Der indische Finanzmarkt
wurde bislang – im internationalen Vergleich – nur graduell liberalisiert und
zeigte sich daher in der Krise bislang relativ stabil. Eine weitere Liberalisierung
könne jedoch zu erheblichen Verwerfungen führen, mit negativen Folgen ge-
rade für die Ärmsten und deren Zugang zu Finanzdienstleistungen.

Die indische Regierung hatte es bislang abgelehnt, das öffentliche Auftrags-
wesen in die Verhandlungen einzubeziehen, da dieser Bereich maßgeblich ist
für ordnungspolitische Gestaltungsspielräume. Sie wird in ihrer Haltung durch
weite Kreise der indischen Zivilgesellschaft unterstützt.

In Indien hat sich eine breite Bewegung, getragen von Bauern- und Straßenver-
käuferorganisationen, von Gewerkschaften und Gesundheitsaktivisten, for-
miert, die gegen das geplante Freihandelsabkommen auftritt. Die Kritiker des
Abkommens sehen die Gefahr eines ungleichen Verdrängungswettbewerbs zu-
lasten indischer Gewerbetreibender – insbesondere in der Landwirtschaft und

im Einzelhandel – sowie einer Einschränkung politischer Gestaltungsmöglich-
keiten, etwa um lokale Produzenten zu schützen, regionale Wirtschaftskreis-
läufe zu fördern oder den Zugang zu Schutz vor und zur Behandlung von epide-
mischen Krankheiten zu organisieren.

Drucksache 16/13088 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung den augenblicklichen Stand der Ver-
handlungen zwischen der EU und Indien über ein Freihandelsabkommen?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Berücksichtigung deutscher Interes-
sen in diesen Verhandlungen nach dem derzeitigen Stand?

3. Welche Verhandlungsbereiche und Verhandlungsziele sind für die Bundes-
regierung von besonderem Interesse, und wie begründet sie dies?

4. Welche Angebote hinsichtlich des Abbaus von Zöllen und so genannter
nicht-tarifärer Handelshemmnisse liegen von indischer Seite mittlerweile
vor?

Wie bewertet die Bundesregierung diese?

5. Welche Angebote hinsichtlich des Dienstleistungssektors liegen von euro-
päischer und indischer Seite mittlerweile vor?

Wie bewertet die Bundesregierung diese?

6. Inwieweit sieht die Bundesregierung im Lichte der augenblicklichen Welt-
wirtschaftskrise und in der Analyse der Ursachen der Krise die Notwendig-
keit, die Verhandlungsziele der EU, wie sie im Verhandlungsmandat für die
Europäische Kommission niedergelegt sind, zu überprüfen, und wie be-
gründet die Bundesregierung ihre Position?

7. Inwieweit sieht die Bundesregierung Anlass, die Orientierung auf eine wei-
tere Liberalisierung der indischen Finanzdienstleistungen vor dem Hinter-
grund der augenblicklichen Weltwirtschaftskrise zu überprüfen, und wie
begründet die Bundesregierung ihre Position?

8. Welche Konfliktpunkte sind nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
der indischen Regierung und Europäischen Kommission noch strittig?

Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den einzelnen Punkten?

9. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung der EU, dass Zollabsen-
kungen reziprok erfolgen, die Verhandlungen also mit dem Ziel der glei-
chen Zollsenkungen (bzgl. Umfang, Zeitraum und Anzahl der Produkte)
geführt werden sollen (bitte mit Begründung)?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Argumenten der indischen
Seite gegen diese Reziprozität in den Verhandlungen, und wie bewertet sie
diese?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedenken der indischen Regierung
gegen die europäischen Forderungen zum Schutz geistigen Eigentums?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Vorha-
ben, eine Regel zur „Datenexklusivität“ („data exclusivity“) in das Abkom-
men aufzunehmen, was die Zulassung von Generika verzögern und laut
Kritik von Nichtregierungsorganisationen die Regelungen zu Zwangslizen-
zen ad absurdum führen könnte?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die angestrebten Regelungen zur Ver-
längerung der Patentdauer um die Dauer des Anmeldeverfahrens (d. h. von
20 auf maximal 25 Jahre)?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Mehrkosten, die durch die o. g. Aus-
weitung im Bereich geistiger Eigentumsrechte für den Globalen Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) entstehen, der
auch von der Bundesrepublik Deutschland mitfinanziert wird?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13088

15. Unterstützt die Bundesregierung die Forderungen der EU in folgenden
Dienstleistungssektoren: Einzelhandel, Wasser/Abwasser- und Energiesek-
tor (bitte einzeln aufführen und jeweils begründen)?

16. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass im Zuge der schritt-
weisen vollständigen Absenkung von Importzöllen indische Produzenten
durch europäische Konkurrenten von ihren Märkten verdrängt werden?

In welchen Wirtschaftsbereichen erachtet die Bundesregierung die Gefahr
eines Verdrängungswettbewerbs als besonders groß, und wie begründet sie
ihre Position?

17. Welche Maßnahmen zum Schutz der indischen Produzenten vor der Ver-
drängung durch europäische Konkurrenten wären nach Meinung der Bun-
desregierung zulässig?

18. Kann die Bundesregierung die Zurückhaltung der indischen Regierung
nachvollziehen, das öffentliche Auftragswesen in die Verhandlungen ein-
zubeziehen (bitte mit Begründung)?

19. Kann die Bundesregierung das Argument nachvollziehen, dass die Libera-
lisierung des öffentlichen Auftragswesens die Spielräume der öffentlichen
Hand für eine gestaltende Ordnungs- und Wirtschaftspolitik einschränken
würde (bitte mit Begründung)?

20. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass mittels des diskriminierungs-
freien Zugangs für europäische Dienstleistungsunternehmen zu öffent-
lichen Aufträgen in Indien diese Unternehmen indische Anbieter vom
Markt verdrängen würden (bitte mit Begründung)?

21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von indischen Organisationen,
die sich gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien
engagieren?

Kennt sie deren Argumente, und wie bewertet sie diese?

22. Welche konkreten Auswirkungen auf Sozial-, Arbeits- und Umweltstan-
dards in der EU und in der Bundesrepublik Deutschland wären im Falle
eines den Verhandlungszielen der EU entsprechenden Abschlusses des
Freihandelsabkommens mit Indien zu erwarten (bitte einzeln darstellen)?

23. Wann plant die Bundesregierung, die Mitglieder des Deutschen Bundestags
umfänglich über den Stand der Verhandlungen zu informieren?

24. Auf welche Weise will die Bundesregierung die Einbeziehung der interes-
sierten Öffentlichkeit in die Verhandlungen organisieren?

25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von der Einbeziehung der
interessierten Öffentlichkeit in anderen Mitgliedstaaten der EU und in
Indien?

Berlin, den 19. Mai 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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