BT-Drucksache 16/12904

Entwurf eines Gesetzes gegen Enteignungen

Vom 5. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12904
16. Wahlperiode 06. 05. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Florian Toncar, Frank Schäffler, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Daniel Volk,
Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes gegen Enteignungen

A. Problem

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung ist eine
substantielle Vertiefung und nachhaltige Stabilisierung des deutschen Finanzsys-
tems essentiell. Hierzu zählt die strukturelle Verbesserung privater und
hoheitlicher Aufsichtssysteme ebenso wie die Stärkung langfristiger Wachs-
tumskräfte durch wettbewerbsorientierte Reformen. Kurzfristig muss das Ver-
trauen der Marktteilnehmer und Verbraucher in die Funktionsfähigkeit des
Finanzsystems wiederhergestellt werden. Die erheblichen Anstrengungen der
öffentlichen Hand zur Risikoabschirmung, Bilanzentlastung und Rekapitalisie-
rung von Kreditinstituten haben diesbezüglich erste Wirkungen entfaltet.

Mit dem verfassungsrechtlich bedenklichen Rettungsübernahmegesetz, das im
Finanzmarktstabilisierungsgesetz enthalten ist, wurde das Investitionsklima in
der Bundesrepublik Deutschland beschädigt. Die Mobilisierung von dringend
benötigtem privatem Risikokapital wird dadurch dauerhaft erschwert. Enteig-
nungen sind im Hinblick auf das Ziel der Sicherung der Finanzmarktstabilität
nicht geeignet und daher unverhältnismäßig. Das Gesetz schafft dadurch neue
Rechtsunsicherheit.

Drucksache 16/12904 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

Durch Aufhebung des Rettungsübernahmegesetzes wird die Grundlage für eine
nachhaltige Stabilisierung des deutschen Finanzsystems geschaffen. Die aus die-
sem Gesetz erwachsende Rechtsunsicherheit bei Investoren aus dem In- und
Ausland wird beseitigt. Diese vertrauensbildende Maßnahme ermöglicht zudem,
bisherige Eigenmittelgeber nicht aus der „Chancen-und-Risiken“-Partnerschaft
zu entlassen. Öffentliche Mittel dienen ausschließlich einer effizienten Instituts-
stabilisierung.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Die Maßnahmen verursachen keine zusätzlichen Kosten für Wirtschaft und Ver-
waltung. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das
Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12904

Entwurf eines Gesetzes gegen Enteignungen

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Aufhebung des Rettungsübernahmegesetzes

Das Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisie-
rung des Finanzmarktes (Rettungsübernahmegesetz – Ret-
tungsG) vom 7. April 2009 (BGBl. I S. 725, 729) wird aufge-
hoben.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 5. Mai 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Drucksache 16/12904 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

republik Deutschland spürbar eingetrübt und damit die Stabi-

lisierungsanstrengungen konterkariert. Die Mobilisierung
von dringend benötigtem privatem Risikokapital wird da-
durch dauerhaft erschwert. Enteignungen sind im Hinblick

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Begründung

A. Allgemeines

Ein leistungsfähiges und stabiles Finanzsystem ist für die
wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutsch-
land essentiell. Es sichert staatlichen und privaten Institutio-
nen den nachfrage- und risikogerechten Zugang zu nationa-
len und internationalen Ressourcen. Es bietet institutionellen
Investoren und vorsorgeorientierten Privatpersonen kos-
teneffiziente Anlagemöglichkeiten. Gerade vor dem Hinter-
grund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung ist
daher eine substantielle Vertiefung des deutschen Finanz-
systems geboten. Hierzu zählen die strukturelle Verbesse-
rung privater und hoheitlicher Aufsichtssysteme ebenso, wie
die Stärkung langfristiger Wachstumskräfte durch wettbe-
werbsorientierte Reformen.

Mittelfristig muss die nationale Bankenaufsicht durch Ein-
gliederung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht in die Deutsche Bundesbank modernisiert und durch
vorausschauende Aufsichtsgrundsätze erweitert werden. Für
grenzüberschreitende Finanzinstitute bedarf es einer einheit-
lichen europäischen Aufsicht. Aufsichtsrechtliche Regulie-
rungsvorschriften müssen systemische Risiken für das
Finanzsystem ebenso berücksichtigten wie institutsspezi-
fische Risiken. Bislang durch staatliche Organe kontrollierte
und beeinflusste Finanzinstitute müssen im Interesse eines
stabilen und nachhaltig wettbewerbsfähigen Finanzmarktes
stärker privatwirtschaftlich geführt und überwacht werden.
Im Rahmen einer verbesserten Corporate Governance bedarf
es daher einer konsequenten Professionalisierung und Ent-
politisierung von Verwaltungs- und Aufsichtsräten. Zukünf-
tig müssen alle finanzmarktrelevanten Finanzinstitute dem
Gesetz über das Kreditwesen und damit der Bankenaufsicht
unterstellt werden. Dies gilt insbesondere für die KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Kurzfristig muss das Vertrauen der Marktteilnehmer und
Verbraucher in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems er-
neuert werden. Die erheblichen Anstrengungen der öffent-
lichen Hand zur Risikoabschirmung, Bilanzentlastung und
Rekapitalisierung von Kreditinstituten haben diesbezüglich
erste Wirkungen entfaltet. Die Sozialisierung von Spekula-
tionsverlusten muss soweit wie möglich vermieden werden.
Sie würde zur Verschwendung von Steuermitteln oder staatli-
chem Vermögen führen, die sozialpolitisch gebotene Rück-
führung der Steuer- und Abgabenlast gefährden, eine genera-
tionengerechte Haushaltskonsolidierung erschweren, den
Spielraum für Zukunftsinvestitionen einengen und dadurch
letztlich das Vertrauen der Bürger in die freiheitlich-soziale
Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland ero-
dieren. Die Bereitstellung öffentlicher Mittel muss daher
vollumfänglich den zu stabilisierenden Instituten zufließen.
Das staatliche Engagement muss im Ergebnis zur Reduktion
systemischer Risiken beitragen.

Mit dem verfassungsrechtlich bedenklichen Rettungsüber-
nahmegesetz wurde das Investitionsklima in der Bundes-

auf das Ziel der Sicherung der Finanzmarktstabilität nicht ge-
eignet und daher unverhältnismäßig. Das Gesetz schafft da-
durch neue Rechtsunsicherheit ohne zugleich betriebswirt-
schaftliche Unsicherheiten im Markt zu reduzieren. Im Er-
gebnis kann nicht ausgeschlossen werden, dass das de facto
Einzelfallgesetz krisenverstärkende Effekte entfaltet.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Aufhebung des Rettungsübernahme-
gesetzes)

Das Rettungsübernahmegesetz stellt einen systemfremden
Eingriff in die freiheitlich-soziale Wirtschaftsverfassung der
Bundesrepublik Deutschland dar. Es schafft neue rechtsstaat-
liche Probleme ohne betriebswirtschaftliche zu lösen. Verfas-
sungsrechtliche Bedenken ergeben sich auf unterschied-
lichen Ebenen, die sich nur durch eine Aufhebung des Geset-
zes beheben lassen. Die öffentliche Hand verfügt dabei
grundsätzlich über zahlreiche Handlungsmöglichkeiten,
durch Nutzung milderer Mittel einzelne Institute zu stabili-
sieren (siehe Entschließungsantrag auf Bundestagsdruck-
sache 16/12318).

Das Grundrecht auf Eigentum wird in mehrfacher Weise ver-
letzt. Zum einen sind die mit dem Rettungsübernahmegesetz
begründeten Enteignungsregelungen nicht unmittelbar zur
Sicherung der Finanzmarktstabilität geeignet und daher un-
verhältnismäßig. Enteignungen tragen nicht unmittelbar zur
Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme einzelner Finanz-
institute bei. Weder von Seiten der Bundesregierung noch
von Seiten des Finanzmarktstabilisierungsfonds wurden dem
Deutschen Bundestag bislang quantifizierte und in der Zu-
kunft nachprüfbare Belege erbracht, warum eine Alleinei-
gentümerschaft des Bundes für eine Solvenzsicherung eines
Kreditinstituts unerlässlich ist. Es ist zudem nicht ersichtlich,
warum die Enteignung zur Finanzmarktstabilisierung erfor-
derlich ist. Dieses Ziel kann durch andere, mildere Mittel er-
reicht werden, die zudem einen effizienteren Umgang mit
Steuergeldern und öffentlichem Vermögen versprechen.

Durch die enge Befristung des Rettungsübernahmegesetzes
liegt es nahe, dass ein Verstoß gegen das Verbot des Einzel-
fallgesetzes erfolgt ist. In Kombination mit den hohen Anfor-
derungen an die Enteignung als Ultima Ratio ist es praktisch
ausgeschlossen, dass das Gesetz innerhalb des vorgesehenen
kurzen Zeitraums auf einen anderen Personenkreis Anwen-
dung finden kann als auf die Anteilseigner der Hypo Real
Estate Holding AG. Damit einher geht ein Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Letztlich bestehen substantielle Bedenken hinsichtlich eines
Verstoßes gegen die verfassungsmäßigen Anforderungen an
die Ermächtigung von Rechtsverordnungen. § 4 Absatz 1 des
Rettungsübernahmegesetzes verletzt beispielsweise § 80
Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, als der Zweck der Er-
mächtigung nicht genannt wird. Gleiches gilt ergänzend für
§ 8 Nummer 3 des Rettungsübernahmegesetzes.

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