BT-Drucksache 16/129

Für ein modernes Berufsbeamtentum

Vom 1. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/129
16. Wahlperiode 01. 12. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, Ernst Burgbacher, Jens
Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph
Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Für ein modernes Berufsbeamtentum

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag begrüßt das Eckpunktepapier „Neue Wege im öffent-
lichen Dienst“ des Bundesministeriums des Innern, des dbb beamtenbund und
tarifunion und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als wichtigen
Beitrag zu einer Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts. Leider enthält
der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 dazu
nichts Konkretes.

Ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst ist eine wichtige Säule unseres demo-
kratischen Rechtsstaats. Die Modernisierung des öffentlichen Dienstes ist eine
Daueraufgabe im Interesse von Bürgern, Gesellschaft und Staat.

Das Berufsbeamtentum hat sich bei der politischen Entwicklung Deutschlands
bewährt. Es bietet unersetzliche Vorteile, wie z. B. besondere Loyalitätspflich-
ten, Streikverbot, Bindung an Recht und Gesetz und damit für den Gesetzgeber
die Gewährleistung eines unparteiischen und objektiven Gesetzesvollzugs,
außerdem breite Einsetzbarkeit, ggf. dienstherrenübergreifend, sowie die Rege-
lung der Beschäftigungsbedingungen durch Gesetz und auf Grund gesetzlicher
Vorschriften.
Der Deutsche Bundestag hält an dem Ziel fest, das Berufsbeamtentum zu mo-
dernisieren. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums lassen
genug Spielraum für eine umfassende Fortentwicklung und Erneuerung des
Beamtenrechts.

Drucksache 16/129 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag bekennt sich zur Stärkung des Leistungsgedankens im
öffentlichen Dienstrecht und zur Erleichterung des Personalaustauschs zwi-
schen öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft.

Der Deutsche Bundestag spricht sich für eine Konzentration des Berufsbeamten-
tums auf seine Kernaufgaben aus. Des beamtenrechtlichen Sonderstatus bedarf
es nur für die Erfüllung eigentlicher, eng verstandener Hoheitsaufgaben. Inner-
halb dieses Aufgabenbereichs ist der Beamtenstatus auf solche Personengruppen
zu beschränken, die wegen ihrer Leitungs-, Steuerungs- und/oder Vollzugsfunk-
tionen und ihrer gegenüber der politischen Verantwortungsebene bzw. gegen-
über dem Bürger herausgehobenen Verantwortung einer besonderen Absiche-
rung ihrer Unabhängigkeit und Unparteiischkeit bedürfen. Auf diese Weise wird
es gelingen, dem Berufsbeamtentum ein klares Profil und qualifizierten Bewer-
bern die Perspektive zu geben, dem Staat an herausgehobener Stelle im Sinne
einer Lebensentscheidung dienen zu können. Das entspricht den historischen
Grundlagen des Berufsbeamtentums und aktuellen europarechtlichen Entwick-
lungen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

zur Umsetzung der Eckpunkte ein Gesetz und ergänzende Verwaltungsregelun-
gen vorzulegen, die folgenden Maßgaben entsprechen:

1. Die leistungsbezogene Bezahlung ist gerecht, transparent und unbürokra-
tisch auszugestalten. Es ist sicherzustellen, dass die für die leistungsbezo-
gene Bezahlung vorgesehenen Mittel auch tatsächlich zu diesem Zweck ver-
wendet werden. Der Rahmen der variablen Bezahlung ist entsprechend der
übernommenen Funktion festzulegen. Er wächst mit der Wertigkeit der
Tätigkeit und dem Maß der beruflichen Verantwortung. Bei höherwertigen
Tätigkeiten mit gesteigerter beruflicher Verantwortung soll der Anteil der
leistungsabhängigen Vergütungsbestandteile über den im Eckpunktepapier
vorgesehenen Rahmen hinaus bis zu 20 Prozent des Basisgehaltes betragen.
Gehälter bei Spitzenämtern der B-Besoldung sowie bei den Ämtern, die auf
Probe oder auf Zeit vergeben werden, müssen in einem vorgegebenen Rah-
men ausgehandelt werden können. Dabei sind auf der Basis der gegenwärti-
gen Gehälter Abschläge bis zum nächstniedrigeren Amt und Zuschläge bis
zum nächsthöheren Amt möglich.

2. Das Bezahlungssystem ist so auszugestalten, dass es neben der Differenzie-
rung nach Leistung auch regional-, arbeitsmarkt-, berufsgruppen- und auf-
gabenbezogene Differenzierungen ermöglicht.

3. Die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung von Bund und Ländern ist zu
stärken. Dies setzt im Statusbereich eine deutliche Reduzierung der Rege-
lungsdichte voraus. Insbesondere sind die Regelungsmöglichkeiten der
Länder in den Bereichen Teilzeitbeschäftigung, langfristige Beurlaubung,
Nebentätigkeits- und Personalaktenrecht zu erweitern.

4. Beamtinnen und Beamten sind nach Eignung, Befähigung, Leistung und
dienstlichen Gegebenheiten mehr individuelle Möglichkeiten zur freiwilligen
Weiterarbeit nach Erreichen der Altersgrenze einzuräumen. Zur langfristigen
Sicherung der Beamtenversorgung ist die Kapitaldeckung der Versorgungs-
kosten auszubauen. Hierzu sind für neu berufene Beamtinnen und Beamte
Versorgungsrückstellungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen
zu bilden, die generationengerecht und so haushaltsfest auszugestalten sind,
dass sie nicht zur Disposition aktueller und/oder sachfremder finanzieller
Bedürfnisse stehen. Die Anlagemöglichkeiten sind zu erweitern. Die Verwal-
tung der Versorgungsfonds ist auszuschreiben, eine Übertragung auf private

Dritte zu ermöglichen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/129

5. Die Attraktivität des Wechsels von der Wirtschaft in den öffentlichen Dienst
ist zu erhöhen, u. a. durch Aufhebung der Altersgrenzen für eine Ver-
beamtung, durch Anrechnung gleichwertiger Tätigkeiten außerhalb des
öffentlichen Dienstes auf die Probezeit und durch Berücksichtigung außer-
halb des öffentlichen Dienstes erworbener beruflicher Qualifikationen bei
der Festlegung der Einstiegsebene. Das Eckpunktepapier regelt nur den um-
gekehrten Fall des Wechsels vom öffentlichen Dienst in die Wirtschaft und
sieht vor, dass Beamtinnen und Beamte ihre beamtenrechtlichen Versor-
gungsansprüche mitnehmen können. Die Förderung des Personalaustauschs
zwischen öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft ist jedoch keine Einbahn-
straße.

6. Die Verfahren zur Leistungsfeststellung und -bewertung, die die Grundlage
der Leistungsbezahlung bilden, sind zu objektivieren. Mitarbeiter sind früh-
zeitig in das Verfahren zur Leistungsfeststellung einzubeziehen. Ihnen soll
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Darüber hinaus erhalten
Mitarbeiter Gelegenheit zur Beurteilung von Vorgesetzten. Auf diese Weise
erhalten Führungskräfte eine Rückmeldung, die dazu beitragen kann, das
Führungsverhalten fortlaufend zu verbessern. Das Bewertungsverfahren ist
so zu strukturieren, dass ein erhöhter bürokratischer Aufwand vermieden
und die Verantwortung des Vorgesetzten nicht durch politische Einfluss-
nahme oder durch Gremien, z. B. Personalräte, beeinträchtigt werden. Basis
sind Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche, die regelmäßig, mindestens ein-
mal jährlich, stattzufinden haben. Sie dienen u. a. der Erörterung des Leis-
tungsstandes und bereiten die Leistungsfeststellung und -bewertung vor, die
im Zweijahresrhythmus erfolgt.

7. Der öffentliche Dienst braucht eine neue Führungskultur und moderne
Instrumente der Personalführung. Hierzu ist ein Leitbild für Führungskräfte
zu entwickeln, das nicht nur auf Fachkenntnisse abstellt, sondern Führungs-
qualitäten und soziale Kompetenzen, z. B. gender mainstreaming, einbe-
zieht. Ein wichtiges Instrument der Personalführung sind Zielvereinbarun-
gen. All dies ist auch bei Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zu be-
rücksichtigen. Im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und zur
Stärkung von Motivation und Einsatz sind Transparenz und eine Verbesse-
rung der innerbehördlichen Kommunikation ebenso anzustreben, wie der
Abbau von Hierarchien, die Zusammenführung von Aufgaben und Verant-
wortung sowie eine stärkere Projektarbeit.

8. Das Berufsbeamtentum ist auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren. Auf
Grund seiner Organisationshoheit hat der Bund diesen Kernbereich für seine
Bediensteten auszufüllen. Im Zusammenhang mit der gesetzgeberischen
Umsetzung der Eckpunkte legt die Bundesregierung ein Konzept zur Kon-
zentration des Berufsbeamtentums auf einen Kernbereich vor.

9. Eine derartige Umsetzung der Eckpunkte „Neue Wege im öffentlichen
Dienst“ wird Signalwirkung und Vorbildfunktion für die Erneuerung des
öffentlichen Dienstrechts auch in den Ländern und Gemeinden im Rahmen
ihrer Regelungskompetenzen haben.

Berlin, den 30. November 2005

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Antrag
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