BT-Drucksache 16/12754

Strafverfolgung von Piraterieverdächtigen

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12754
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, Elke Hoff, Dr. Werner
Hoyer, Hans-Michael Goldmann, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Strafverfolgung von Piraterieverdächtigen

Das vom Deutschen Bundestag gebilligte Mandat für die deutsche Beteiligung
an der Operation EU NAVFOR Atalanta umfasst neben der Abschreckung und
Bekämpfung der Piraterie im Einsatzgebiet auch das „Aufgreifen, Festhalten
und Überstellen von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlun-
gen oder bewaffnete Raubüberfälle begangen zu haben“, um diese eventuell der
„Strafverfolgung durch Deutschland, andere Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union oder aufnahmebereite und zur Strafverfolgung bereite Drittstaaten“ (Bun-
destagsdrucksache 16/11337) zuzuführen. Im bisherigen Mandatszeitraum ist es
nicht gelungen, die Zahl der seeräuberischen Übergriffe nachhaltig zu reduzie-
ren. Es kommt im Einsatzgebiet nach wie vor unvermindert zu seeräuberischen
Übergriffen und auch Kaperungen von Schiffen. Von diesen Angriffen waren
und sind wiederholt auch deutsche Schiffe und Besatzungen betroffen. In den
Fällen, in denen Piraterieverdächtige im Rahmen der Operation EU NAVFOR
Atalanta von deutschen Kräften festgehalten wurden, war die Frage ob und wenn
ja, wo eine Strafverfolgung stattfinden solle, stets ein Ausgangspunkt für Dis-
kussionen innerhalb der Bundesregierung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass für die Verfolgung von Piraterie

ein eigener internationaler Gerichtshof sinnvoll wäre?

Wenn ja, welche Gründe führt die Bundesregierung dafür an?

Wenn nein, warum nicht?

2. Wie sollten sich aus Sicht der Bundesregierung die Zusammensetzung, die
Zuständigkeiten und Kompetenzen sowie die Finanzierung dieses zu schaf-
fenden internationalen Gerichtshofs gestalten?

Drucksache 16/12754 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Hat die Bundesregierung seit Beginn der Operation EU NAVFOR Atalanta
Anstrengungen unternommen, um einen solchen internationalen Gerichts-
hof zu realisieren und wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie lange dauert es nach Ansicht der Bundesregierung realistischerweise,
bis ein derartiger Gerichtshof arbeitsfähig sein kann?

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Strafverfolgung sinnvoll
bei einer neu zu gründenden Kammer des Internationalen Strafgerichtsho-
fes (IStGH) erfolgen könnte?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

Wenn nein, warum nicht?

6. An welchen Kriterien orientiert sich nach Auffassung der Bundesregie-
rung der „frühestmögliche Zeitpunkt“, zu dem die Freilassung festgehalte-
ner Piraterieverdächtiger oder deren Übergabe an die nationalen oder an
die Strafverfolgungsbehörden eines anderen Staates zu erfolgen habe, wie
die Bundesregierung auf die schriftliche Frage 27 auf Bundestagsdruck-
sache 16/12356 der Abgeordneten Birgit Homburger vom 6. März 2009
antwortete?

Spielt dabei die Frage eine Rolle, ob sich ein Schiff in einem Hafen oder auf
See befindet?

7. Besteht nach Auffassung der Bundesregierung bei einem seeräuberischen
Übergriff ein deutsches Strafverfolgungsinteresse, wenn

a) zur Besatzung des angegriffenen Schiffes deutsche Staatsbürger gehören,

b) das angegriffene Schiff einen deutschen Eigner hat,

c) das angegriffene Schiff unter deutscher Flagge fährt,

d) das angegriffene Schiff einen deutschen Reeder hat,

e) auf dem Schiff Güter von oder nach Deutschland transportiert werden,

f) die auf dem Schiff transportierten Güter Eigentum deutscher Staatsbür-
ger sind?

8. Welche anderen Kriterien sieht die Bundesregierung für die Schädigung
deutscher Rechtsgüter?

9. Anhand welcher Kriterien findet innerhalb des interministeriellen Gremi-
ums eine Prüfung der jeweiligen Einzelfälle statt, mithilfe derer die
Schwere der Schädigung deutscher Rechtsgüter durch seeräuberische
Handlungen festgestellt werden sollen, wie werden diese zueinander ge-
wichtet, und welches Prüfergebnis rechtfertigt

a) die Freilassung der Piraterieverdächtigen,

b) die Strafverfolgung in Deutschland,

c) die Strafverfolgung durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union,

d) die Überstellung an einen aufnahmebereiten und zur Strafverfolgung be-
reiten Drittstaat?

10. Anhand welcher Kriterien und Überlegungen kam das Prüfungsergebnis
des interministeriellen Gremiums zustande, demgemäß jene Pirateriever-
dächtigen nicht in Gewahrsam genommen werden sollten, die im Rahmen
des Einsatzes der Fregatte KARLSRUHE der Deutschen Marine zur Ab-
wehr eines Piratenangriffs gegen den Frachter WADI AL ARAB am 25. De-

zember 2008 durch deutsche Soldaten entwaffnet wurden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12754

11. Anhand welcher Kriterien und Überlegungen kam das Prüfungsergebnis
des interministeriellen Gremiums zustande, demgemäß jene von Soldaten
der Bundeswehr festgehaltenen Piraterieverdächtigen, die am 29. März
2009 den Betriebsstoffversorger SPESSART der Deutschen Marine ange-
griffen haben sollen, an die kenianischen Strafverfolgungsbehörden zu
übergeben seien?

12. Welche Weisungen und Befehle regeln die Sicherstellung von Beweismit-
teln, einschließlich Tatwaffen im Rahmen des Atalanta-Einsatzes?

Sieht die Bundesregierung hier Anpassungsbedarf?

13. Warum sprachen Sicherheitsgründe gegen eine Sicherstellung und Auf-
bewahrung von Tatwaffen im Fall des Angriffs auf den Frachter MV
COURIER?

Welche Konsequenzen hat die Vernichtung der Tatwaffen in diesem Fall
nach Ansicht der Bundesregierung auf das Strafverfahren gegen die Pira-
ten?

14. Hat die Bundesregierung Kenntnis über den derzeitigen Sachstand eines
möglichen Verfahrens gegen diese Piraterieverdächtigen in Kenia, und
wenn ja, wie stellt sich dieser aktuell dar?

Wenn nein, warum hat die Bundesregierung keine Kenntnis hierüber?

15. Hegt die Bundesregierung Bedenken gegenüber Gerichtsverfahren gegen
Piraterieverdächtige in Deutschland aufgrund möglicher Fälle, in denen
diese durch ein deutsches Gericht aufgrund des Vorwurfes der Piraterie ver-
urteilt werden?

Wenn ja, welche Bedenken sind dies, und auf welchen Grundannahmen be-
ruhen diese?

16. Welche Rechtsnormen wären für einen Prozess in Deutschland gegen im
Rahmen der Operation EU NAVFOR Atalanta durch die Deutsche Marine
aufgegriffene Piraterieverdächtige einschlägig, wenn durch diese Verdäch-
tigen gewichtige Rechtsgüter mit hinreichend deutschem Bezug geschädigt
worden sein könnten, und welcher Strafrahmen ist für Fälle einer Verurtei-
lung vorgesehen?

17. Sind Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, nach § 4 des deutschen
Strafgesetzbuchs (StGB) berechtigt, ein Staatszugehörigkeitszeichen der
Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 4 StGB zu führen?

Berlin, den 22. April 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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