BT-Drucksache 16/12736

Bologna-Reform verbessern - Studienqualität erhöhen und soziale Dimension stärken

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12736
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), Ekin Deligöz,
Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Grietje Staffelt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bologna-Reform verbessern – Studienqualität erhöhen und soziale
Dimension stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung hinsichtlich einer
grundlegenden Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses dazu auf,

1. die eingeleitete Studienstrukturreform im Zusammenwirken mit den Län-
dern und den Hochschulen in eine umfassende Lehr- und Qualitätsreform
einmünden zu lassen, die Studierende in den Mittelpunkt stellt;

2. bei den Verhandlungen mit den Ländern zum Hochschulpakt II die Kosten
der zu finanzierenden Studienplätze so anzusetzen, dass diese die not-
wendige höhere Betreuungsintensität im Rahmen der Bachelorstudiengänge
und -plätze abdecken;

3. gemeinsam mit den Ländern eine Gesamtstrategie zur Verbesserung der
Qualität der Lehre in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen vor-
zulegen und eine entsprechende Finanzierung sicherzustellen;

4. gemeinsam mit den Bundesländern und den Bologna-Teilnahmestaaten zu
gewährleisten, dass sich die Mobilität der Studierenden und die Durchlässig-
keit der Hochschulsysteme – sowohl inländisch als auch europäisch und
international – tatsächlich steigert und somit ein echter europäischer Hoch-
schulraum entsteht;

5. im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eine Evalua-
tion bezüglich der Studierbarkeit der umstrukturierten Studiengänge in Auf-
trag zu geben und dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Diese Evaluation
muss Empfehlungen zur Nachjustierung im Sinne einer besseren Studierbar-
keit und höheren Studienqualität enthalten, die innerhalb der Akkreditie-
rungsverfahren umgesetzt werden sollten;

6. zusammen mit den Wirtschaftsverbänden vor allem bei kleineren und mitt-
leren Unternehmen über den Bachelorabschluss und die darin erworbenen
Kompetenzen zu informieren, um bei potenziellen Arbeitgebern so mehr

Akzeptanz als berufsbefähigenden Abschluss zu erreichen.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung mit dem Ziel einer
Stärkung der sozialen Dimension des Bologna-Prozesses dazu auf,

1. gemeinsam mit den Ländern die Öffnung der Hochschulen für bisher unter-
repräsentierte Gruppen voranzutreiben und damit für mehr gesellschaftliche
Vielfalt und Heterogenität (Diversity) auf dem Campus zu sorgen;

2. dabei vor allem für Studieninteressierte aus Familien mit geringem Ein-
kommen und mit Migrationshintergrund (Bildungsinländer und Bildungs-
ausländer) sowie für Studienberechtigte mit Kind(ern) oder einer Behinde-
rung spezifische und systematische Strategien zur sozialen Öffnung und
Inklusion auf dem Campus zu entwickeln;

3. die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) zeitnah umzusetzen, um
beruflich Qualifizierten den Hochschulzugang in der Praxis tatsächlich
bundeseinheitlich zu erleichtern und Mittel dafür bereitzustellen, Studieren-
den ohne schulische Studienberechtigung zu Studienbeginn gezielte Unter-
stützungsleistungen zu geben;

4. die staatliche Studienfinanzierung zu verbessern und zu stärken, um mehr
Studierende aus einkommensarmen Elternhäusern für ein Studium zu ge-
winnen und alle Herkunftsgruppen besser zu fördern, denen die Finanzier-
barkeit ihres Studiums Schwierigkeiten bereitet;

5. auf die Länder einzuwirken, dass sie die soziale Infrastruktur an den Hoch-
schulen, wie insbesondere Studienberatung, Wohnheimplätze sowie Kinder-
betreuung und Betreuungsinfrastruktur ausbauen und weiterentwickeln;

6. an die Länder und Hochschulen zu appellieren, die Studierenden viel inten-
siver an der Weiterentwicklung der Bologna-Reform vor Ort zu beteiligen,
um auf diese Weise die soziale und demokratische Teilhabe an den Hoch-
schulen zu fördern.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung mit dem Ziel einer
besseren Struktur und Studierbarkeit der neuen Studiengänge dazu auf,

1. über das bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) angesiedelte Bologna-
Zentrum auf die Hochschulen einzuwirken, dass sie die zeitliche Vorgabe
der KMK für die Regelstudienzeiten bei Bachelor- und Masterstudien-
gängen in ihrer ganzen Breite nutzen. Die Hochschulen müssen den Spiel-
raum erhalten und nutzen, Bachelorstudiengänge anzubieten, die auf sieben
oder acht Semester angelegt sind;

2. über das Bologna-Zentrum darauf hinzuwirken, dass die Anerkennung von
Studienleistungen, die an anderen Hochschulen des Bologna-Raumes
erbracht worden sind, einheitlich und für die Studierenden vorhersehbar
gehandhabt wird;

3. in Gesprächen mit den Ländern und der HRK unter Mitwirkung des Bologna-
Zentrums darauf hinzuwirken, dass bei der Reakkreditierung die zeitliche
Verdichtung und die Arbeitsbelastung innerhalb der neuen Studiengänge
(u. a. durch eine zu hohe Zahl an leistungspunkterelevanten Präsenzzeiten
und studienbegleitenden Prüfungen) kritisch überprüft und wo nötig mit dem
Ziel einer besseren Studierbarkeit und geringeren Belastung abgesenkt wird;

4. gemeinsam mit den Ländern mittels des Bologna-Zentrums dafür zu sorgen,
dass die Hochschulen die Übergänge vom Bachelor- zum Masterstudium
deutlich verbessern. Dabei muss sichergestellt werden, dass eine aus-
reichende Zahl von Masterstudienplätzen angeboten wird und die inten-
sivere Betreuung der Bachelorstudierenden nicht zu einer Verknappung der

Kapazitäten bei den Masterstudiengängen führt;

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5. im Rahmen der GWK ein Monitoringsystem zu installieren, das kontinuier-
lich u. a. die Auswirkungen der gestuften Studiengänge auf die Teilnahme-
quoten von Frauen und von Studierenden aus einkommensschwächeren
Familien in den Blick nimmt.

Berlin, den 22. April 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Seit Verabschiedung der Bologna-Erklärung vor zehn Jahren ist die tief-
greifendste Hochschulreform der vergangenen Jahrzehnte auf den Weg ge-
bracht worden. Die Förderung der Mobilität, internationale Vergleichbarkeit
und Anerkennung von Abschlüssen sind wichtige hochschulpolitische Ziele,
die Deutschland im Rahmen des Bologna-Prozesses im Zusammenspiel mit
seinen europäischen Partnern verfolgt. Die Vision eines internationalen und
europäisch grenzenlosen Hochschulraums ist bislang noch nicht in die Realität
umgesetzt. Der aktuelle Stand der Umsetzung der Bologna-Reform ist als
durchwachsen anzusehen und noch lange nicht als Erfolg zu werten.

Der Bologna-Bericht der Bundesregierung, der die Veränderungen von 2007
bis 2009 in den Blick genommen hat, zeigt, dass die Umstellung der Studien-
strukturen weit vorangeschritten ist. Nach Angaben des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) machen die Bachelor- und Masterstudien-
gänge mittlerweile 75 Prozent des gesamten Studienangebots aus. Im Winter-
semester 2007/2008 waren laut Statistischem Bundesamt gut 30 Prozent aller
Studierenden in Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben – im Win-
tersemester 2005/2006 betrug der Anteil noch 12,5 Prozent. Aufgrund spe-
zieller Fachkulturen und fachinterner Widerstände kommt insbesondere in den
Staatsexamensfächern Lehramt, Jura und Medizin die Umstellung auf die
neuen Abschlüsse nur schleppend oder gar nicht voran.

Die Akzeptanz des Bachelorabschlusses muss erhöht werden. Das zeigt u. a.
die Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft „Wie entwickeln sich
angesichts des Strukturwandels zur Wissensgesellschaft und der Einführung
der Bachelorstudiengänge die Chancen für duale Ausbildungsberufe und das
duale System?“ von Dezember 2008. Darin wird bilanziert, dass der Bachelor-
abschluss noch nicht am Arbeitsmarkt angekommen sei. Es fehle einerseits an
Erfahrungen im Umgang mit Bachelorabsolventen und der Qualität des Ab-
schlusses sowie andererseits mit der Akzeptanz aufgrund eines derzeit noch
geringen Bekanntheitsgrads. Das Informationsdefizit insbesondere in kleinen
und mittleren Unternehmen muss der Bund zusammen mit den Wirtschafts-
verbänden beheben.

Die mangelnde Akzeptanz der Bachelorabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt
schlägt immer stärker auf die Studierenden durch. Selbst diejenigen, die sich
selbst gute Kenntnisse über den Bologna-Prozess bescheinigen, äußern sich zu-
nehmend kritisch. Ungefähr die Hälfte von ihnen bemängelt die zu geringe
individuelle Studiengestaltung (seit 2001 Zunahme von 35 auf 49 Prozent).
Viel seltener sehen sie es als zutreffend an, dass der Bachelor auf dem Arbeits-
markt gute Chancen eröffne (Rückgang von 38 auf 20 Prozent). Hier müssen
Bund und Länder und Hochschulen gemeinsam handeln. Die Phase der Um-

strukturierung muss in eine Lehr- und Qualitätsreform münden, die Studierende
in den Mittelpunkt stellt. Aufgabe von Bund und Ländern ist es, im Rahmen

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einer solchen zweiten Reformwelle für eine angemessene Gegenfinanzierung
der Bologna-Reform zu sorgen. Denn Bachelorabschlüsse kosten meist mehr
als die bisherigen Studiengänge. Die Mittel wurden aber seitens der Länder
nicht aufgestockt, so dass die Bologna-Reform im Ergebnis unterfinanziert ist.
Bei den Verhandlungen zum Hochschulpakt II muss sichergestellt werden, dass
es für den bedarfsgerechten und ausreichend finanzierten Studienplatzausbau
eine realitätsgerechte Mittelausstattung gibt. Die bei der Fortsetzung des Hoch-
schulpakts vorgesehenen 6 500 Euro pro Studienplatz im Jahr liegen deutlich
unter den Erfordernissen für gute Studienbedingungen. Nur bei einer Finan-
zierung, die sich zumindest am OECD-Durchschnitt von ca. 10 600 Euro pro
Studierenden und Jahr orientiert, sind unterschiedlich kostenintensive Fächer-
gruppen sowie betreuungsintensivere Bachelor- und Masterstudiengänge be-
rücksichtigt.

Die bessere Ausstattung des Hochschulpakts müssen Bund und Länder zudem
mit einer Gesamtstrategie zur Verbesserung der Qualität der Lehre unterfüttern.
Da das Bachelorstudium eine fundierte wissenschaftliche Grundausbildung an-
gereichert durch Schlüsselkompetenzen und Praxiselemente bieten soll, sind
neue Lehr- und Lernformen und eine intensivere Betreuung der Studierenden
erforderlich. Hier sollte der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Bil-
dungsforschung stärker als bislang Fragen der Hochschuldidaktik, der Lehr-
und Lernforschung an Hochschulen sowie Absolventen- und Abbrecheranaly-
sen zum Gegenstand zu machen. Um die Reputation der Lehre zu verbessern,
muss in der Exzellenzinitiative eine Säule zur Prämierung herausragender
Lehre ergänzt werden.

Viele der neuen Bachelorstudiengänge sind bereits erfolgreich akkreditiert wor-
den. Bei der Umstellung der alten Diplom- und Magisterstudiengänge wurden
aber oftmals die gleichen Studieninhalte in die kürzeren Bachelorstudiengänge
gepresst. Eine Strukturumstellung nach dem schlichten Motto „Verschulen,
Verdichten, Umbenennen“ hat dazu geführt, dass Abbruchquoten nicht sinken
sondern steigen. Grund hierfür ist ein erheblicher zusätzlicher Workload für die
Studierenden. Sie fühlen sich dadurch häufig überfordert; die Überlastung
äußert sich in einer Zunahme psychosozialer Probleme, einem erhöhten Bera-
tungsbedarf und weniger Zeit und Flexibilität für studentisches Engagement.
Besonders problematisch hat sich die Strukturumstellung für Studierende mit
Kind(ern) ausgewirkt. Denn die gestiegenen Anwesenheitspflichten ignorieren
die besonderen Bedürfnisse von Familien.

Eine Reakkreditierung von Studiengängen muss unter dem besonderen Fokus
der Studierbarkeit vorgenommen worden. Wie viele Hochschulen diesen Weg
schon gegangen sind oder anderweitig an einer besseren Studierbarkeit arbei-
ten, ist der Bundesregierung laut Regierungsbefragung zum Bologna-Bericht
vom 18. März 2009 nicht bekannt. Der Bund kann hier den Hochschulen Unter-
stützung anbieten, so dass die Überarbeitung und Reakkreditierung von Stu-
diengängen gelingt. Über die GWK soll darum eine Evaluation hinsichtlich der
Studierbarkeit der umstrukturierten Studiengänge in Auftrag gegeben und dem
Deutschen Bundestag vorgelegt werden, die auch Empfehlungen zur Nachjus-
tierung im Sinne einer besseren Studierbarkeit enthält.

In Gesprächen mit den Ländern und der HRK muss der Bund darauf hinwirken,
dass bei der Reakkreditierung die zeitliche Verdichtung und die Arbeits-
belastung innerhalb der neuen Studiengänge kritisch überprüft und, wo nötig,
mit dem Ziel einer besseren Studierbarkeit und geringeren Belastung abgesenkt
wird. Dazu kann vor allem gehören, die Zahl der leistungspunktrelevanten Prä-
senzzeiten und studienbegleitenden Prüfungen zu reduzieren bzw. besser zu
gestalten. Zu einer Weiterentwicklung der Bologna-Reform vor Ort gehört

zudem, die Studierenden viel intensiver zu beteiligen, um die soziale und
demokratische Teilhabe an den Hochschulen zu fördern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12736

Die soziale Dimension des Bologna-Prozesses soll seit der Ministerkonferenz
in London von 2007 im Mittelpunkt stehen. In London haben die 46 Teil-
nehmerländer den gesamtgesellschaftlichen Anspruch formuliert, dass bei Be-
teiligung und Abschluss der Hochschulbildung auf allen Ebenen die Zusam-
mensetzung der Bevölkerung widerspiegeln soll. Von der Erfüllung dieses An-
spruchs ist Deutschland weit entfernt. Die von der KMK und dem BMBF vor-
gelegten „Strategien zur sozialen Dimension des Bologna-Prozesses“ sind in
ihrer Beschreibung erschreckend. Die soziale Selektivität tritt deutlich zu Tage.
So ist im Studienanfängerjahrgang 2005 der Anteil der Arbeiterkinder nur halb
so groß wie ihr Anteil an der altersgleichen Bevölkerung (20 zu 40 Prozent).

Ein zentrales Ziel des Bologna-Prozesses muss die Öffnung der Hochschulen
werden, um zu gesellschaftlicher Vielfalt (Diversity) auf dem Campus zu kom-
men. Der Bund muss deshalb gemeinsam mit den Ländern die Öffnung der
Hochschulen für bisher unterrepräsentierte Gruppen vorantreiben. Zentrales
Ziel muss sein, den Hochschulzugang junger Menschen aus allen Einkommens-
schichten – vor allem aber aus einkommensschwächeren und hochschulfernen
Bildungsmilieus – zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Bund
auch darauf hinwirken, dass die Länder die soziale Infrastruktur an den Hoch-
schulen wie Studienberatung, Wohnheimplätze und auch Kinderbetreuung aus-
bauen. Daneben muss die staatliche Studienfinanzierung verbessert und ver-
stärkt werden. Notwendig ist eine grundlegende Reform der Lebensunterhalts-
finanzierung von jungen Menschen im Studium. Zeitgleich mit einer zweiten
Bologna-Reformwelle, die das Ziel der Öffnung der Hochschulen hat, müssen
auch tiefgreifende Veränderungen im Schulbereich und bei der frühkindlichen
Bildung angegangen werden, damit mehr junge Menschen aus bildungsfernen
Schichten bis zur Hochschulreife gelangen.

Zusammen mit der Festlegung, den Bachelor als Regelabschluss zu betrachten,
hat die KMK bestimmt, dass das Masterstudium „von besonderen Zugangs-
voraussetzungen abhängig gemacht werden“ solle. Die KMK begründet dies
mit der Sicherung wissenschaftlicher Qualität. Eine künstliche Verknappung
von Masterplätzen ist jedoch abzulehnen. Wenn Bewerber mit ihrem Bachelor-
abschluss nicht den Vorgaben für einen Masterstudienplatz genügen, sollen sie
bei frei gebliebenen Kapazitäten dennoch zugelassen werden. Wer ein Master-
studium absolvieren möchte, dem sollen nicht unnötig Steine in den Weg gelegt
werden. Das Qualitätsargument der KMK verschleiert, dass vielen Hochschulen
für umfassende Masterangebote schlichtweg die Mittel fehlen. Die Verkleine-
rung einer Bachelorlerngruppe um rund zehn Prozent führt nach Berechnungen
des Hochschul-Informations-System (HIS) dazu, dass zwar die Abbruchquote
sinkt. Der Hochschule bleibe aber für die Kapazität des Masterstudiums rein
rechnerisch nichts. Dies macht deutlich, dass eine bessere Grundausstattung der
Hochschulen sowohl der Verbesserung der Bachelorstudiengänge als auch der
Kapazitätssicherung bei den Masterstudiengängen dienen muss.

Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen seltener als Männer ein Masterstudium
absolvieren. Einer Befragung des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft
und Forschung (CEWS) zufolge betrug der Frauenanteil an den Bachelor-
abschlüssen im Jahr 2002 rund 53 Prozent. Bei den Masterabschlüssen lag ihr
Anteil bei 32,7 Prozent. Der Rückgang des Frauenanteils war in fast allen
Fächergruppen zu beobachten, so dass man von geschlechtsspezifischen Hin-
dernissen ausgehen kann. Dies sollte in der nächsten Zeit differenzierter
beobachtet werden. Der Bund sollte daher im Rahmen der Gemeinsamen Wis-
senschaftskonferenz ein Monitoringsystem installieren, dass sowohl die Aus-
wirkungen der gestuften Studiengänge auf die Teilnahmequoten von Frauen als
auch von Studierenden aus einkommensschwächeren Familien kontinuierlich
in den Blick nimmt.

Drucksache 16/12736 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu einem harmonisierten europäischen Hochschulraum ist es noch ein weiter
Weg. Inländische und internationale Mobilität liegen noch in weiter Ferne. Der
Bund muss gemeinsam mit den Bundesländern und den Bologna-Teilnahme-
staaten gewährleisten, dass sich die Mobilität der Studierenden und die Durch-
lässigkeit der Hochschulsysteme – sowohl inländisch als auch europäisch und
international – tatsächlich steigern und somit ein echter europäischer Hoch-
schulraum entsteht.

Bachelorstudierende unternehmen weniger statt mehr Auslandsaufenthalte, da
ihre Studiengänge kaum „Mobilitätsfenster“ vorsehen. Die Vorgabe der Kultus-
ministerkonferenz ermöglicht unterschiedliche Ausgestaltungen: „mindestens
drei höchstens vier Jahre für die Bachelorstudiengänge und mindestens ein und
höchstens zwei Jahre für die Masterstudiengänge“. Die Hochschulen müssen
den Spielraum erhalten und nutzen, Bachelorstudiengänge anzubieten, die in
sieben oder acht Semestern absolvierbar sind. Die rigide Beschränkung auf
sechs bzw. vier Semester verringert nicht nur die internationale Mobilität so-
wohl von als auch nach Deutschland, sondern verhindert auch die spezielle
Ausrichtung von Studiengängen bzw. das Einbeziehen von größeren Praxis-
anteilen etwa in sozialen Studiengängen.

Die Mobilität von Studierenden hängt auch stark davon ab, ob ihre Studien-
leistungen andernorts bei der Rückkehr anerkannt werden. Wie groß die
Probleme im Bereich der internationalen Mobilität derzeit noch sind zeigt der
Bologna-Bericht der Bundesregierung. Zwar soll die Anerkennung von
Studienleistungen an ausländischen Hochschulen die Regel sein, in der Praxis
wurden aber knapp ein Viertel aller Auslandssemester von Bachelor- und
Masterstudierenden an deutschen Hochschulen im Nachhinein für den Studien-
fortgang nicht anerkannt. Der Bund muss über das bei der HRK angesiedelte
Bologna-Zentrum auf die Hochschulen einwirken, dass die Anerkennung von
Studienleistungen, die an anderen Hochschulen des Bologna-Raumes erbracht
worden sind, einheitlich und für die Studierenden vorhersehbar gehandhabt
wird.

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