BT-Drucksache 16/124

Aufklärung zu den Vorwürfen der CIA-Geheimgefängnisse, CIA-Gefangenentransporte und Counter Terrorist Intelligence Centres (CTIC)

Vom 30. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/124
16. Wahlperiode 30. 11. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer,
Birgit Homburger, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Markus Löning, Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Aufklärung zu den Vorwürfen der CIA-Geheimgefängnisse, CIA-Gefangenen-
transporte und Counter Terrorist Intelligence Centres (CTIC)

Der Einleitung einer offiziellen Untersuchung des Europarats über mutmaßli-
che Gefangenentransporte und geheime Gefängnisse des amerikanischen Ge-
heimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) in Europa ging eine Vorunter-
suchung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses der Parlamentarischen
Versammlung des Europarats, Dick Marty, voraus. Der eigens für die Frage
möglicher Geheimgefängnisse der CIA und Gefangenenflüge vom Europarat
benannte Berichterstatter, Dick Marty, untersucht 31 verdächtige Flüge aus den
vergangenen Jahren auf Grundlage einer von Human Rights Watch übergebe-
nen Liste.

Der Generalsekretär des Europarats, Terry Davis, teilte am 23. November 2005
mit, der Europarat habe bei allen Mitgliedstaaten einen formellen Antrag auf
Auskunft gestellt. Artikel 52 der Europäischen Menschenrechtskonvention ver-
pflichtet die Mitgliedstaaten, dem Europarat Auskunft über mutmaßliche Men-
schenrechtsverletzungen auf ihrem Hoheitsgebiet zu übermitteln.

Der Europarat drückte auch seine Besorgnis über die mutmaßlichen Geheimge-
fängnisse in den und Gefangenentransporte durch die Mitgliedstaaten des Euro-
parats aus. In einem Brief vom 21. November 2005 wurden die Regierungen

aufgefordert, bis zum 21. Februar 2006 Erklärungen über die Art und Weise zu
liefern, wie ihr innerstaatliches Recht die wirksame Umsetzung der Europäi-
schen Konvention zum Schutz der Menschenrechte sicherstellt.

Überdies hat die Europäische Union die Vereinigten Staaten aufgefordert, über
die angebliche Existenz geheimer CIA-Gefängnisse und über mögliche Gefan-
genenflüge innerhalb der EU zu informieren.

Drucksache 16/124 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zahlreichen Medienberichten zufolge sollen Geheimgefängnisse und Geheim-
zentren der Central Intelligence Agency (CIA) in Europa sowie Geheimdienst-
transporte von Gefangenen unter Nutzung deutscher und europäischer Flughä-
fen existieren. In Europa, Asien und dem Mittleren Osten sollen mehr als zwei
Dutzend Counter Terrorist Intelligence Centres (CTIC; Anti-Terror-Zentren) in
Kooperation mit den jeweiligen Regierungen aufgebaut worden sein. Im einzi-
gen multinationalen Anti-Terror-Zentrum in Paris sollen u. a. Franzosen und
Deutsche mit den Amerikanern kooperieren. Darüber hinaus soll es v. a. in Ost-
europa Geheimgefängnisse der CIA geben, in denen Terrorverdächtige ohne
Gerichtsbeschluss gefangen gehalten werden. Die Garantie eines fairen Verfah-
rens vor einem unabhängigen Richter würde damit fundamental verletzt. Au-
ßerdem soll das Verbot, unmenschlich behandelt oder gar gefoltert zu werden,
also das Recht auf körperliche Unversehrtheit, gebrochen werden. Weder An-
wälte noch das Rote Kreuz haben Kenntnis der Gefangennahme noch Zugang.

Unter Missachtung der Genfer Konventionen sollen Gefangene über geheime
Transporte durch ganz Europa gereist sein. Die Zwischenlandungen in mindes-
tens sechs europäischen Ländern sollen ohne Unterrichtung der örtlichen Be-
hörden über den Zweck der Flüge stattgefunden haben.

Das „Handelsblatt“ meldete am 25. November 2005 unter Berufung auf US-
Geheimdienstkreise, dass geheime CIA-Flüge mit gefangenen Terrorverdächti-
gen an Bord offenbar weiterhin stattfänden. In der Bundesrepublik Deutschland
sei neben dem Frankfurter Flughafen die US Air Base im rheinland-pfälzischen
Ramstein betroffen. Die jeweiligen Regierungen seien von amerikanischer
Seite allerdings nicht informiert worden.

Die Bundesregierung hat bislang weder zu den Vorwürfen existierender Ge-
heimgefängnisse in Europa noch zu den Berichten über Geheimtransporte über
den deutschen Luftraum oder existierender CTICs inhaltlich Stellung genom-
men.

Wir fragen die Bundesregierung:

Geheimgefängnisse

1. Welche Informationen hat die Bundesregierung bzw. der Bundesnachrich-
tendienst über geheime CIA-Gefängnisse auf deutschem und europäischem
Boden, welches sind die Informationsquellen und seit wann liegen diese In-
formationen ggf. vor?

2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es CIA-Gefängnisse in anderen
Mitgliedstaaten des Europarats (z. B. in Polen oder Rumänien) gibt?

3. Hat die Bundesregierung Informationen über die Existenz eines solchen Ge-
heimgefängnisses auf deutschem Boden, und wenn ja, seit wann?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Untersuchung des Europarats zu Ver-
letzungen des Artikels 52 der Europäischen Menschenrechtskonvention?

5. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung bei einer Verletzung in-
nerdeutschen Rechts zur wirksamen Umsetzung der Europäischen Konven-
tion zum Schutz der Menschenrechte einzuleiten?

Gefangenentransporte

6. Welche Informationen hat die Bundesregierung seit wann über mutmaßliche
geheime Gefangenentransporte der CIA von Terrorverdächtigen, die über
deutsche und europäische Flughäfen abgewickelt wurden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/124

7. Hat die Bundesregierung Informationen über Zwischenlandungen von
Flugzeugen mit Gefangenen an Bord auf dem Weg zu Geheimgefängnissen

a) auf europäischem Boden,

b) auf deutschem Boden,

c) auf außereuropäischem Boden,

und wenn ja, seit wann?

8. Falls solche Gefangenentransportflüge stattgefunden haben, ist die Bun-
desregierung bzw. sind die örtlichen Behörden über diese Flüge informiert
worden, und wenn ja, wann?

9. Wenn ja, welcher Zweck wurde bei Information der deutschen Behörden
durch die US-Behörden angegeben?

10. Welche Informationen hat die Bundesregierung seit wann über die angeb-
liche mehrfache Landung von CIA-Flugzeugen auf der Rhein-Main-Air-
base in Frankfurt?

11. Ist die Bundesregierung über den Flug am 21. Januar 2003 (Start einer Her-
cules AC-130 von der Rhein-Main-Airbase in Frankfurt Richtung Baku,
Aserbaidschan) über österreichischem Luftraum informiert worden, und
wenn ja, wann?

12. Gibt es Informationen über die Anwesenheit von Terrorverdächtigen an
Bord dieses Fluges?

13. Hat die Bundesregierung von den US-Behörden Auskunft über mögliche
Zwischenlandungen von der CIA genutzten Flugzeugen auf deutschem
Boden verlangt?

14. Wann hat die Bundesregierung zum ersten Mal Kenntnis von einer Zwi-
schenlandung eines mutmaßlichen geheimen Gefangenentransports der
CIA am Abend des 17. Februar 2003 auf dem US-Luftwaffenstützpunkt
Ramstein erhalten?

15. Ist es der Bundesregierung möglich, Auskunft über verdächtige Flugbewe-
gungen vom Satellitenzentrum der Europäischen Union (in Torrejon) oder
von Eurocontrol (in Brüssel) zu erhalten?

16. Inwieweit sind der Bundesregierung die Zwischenergebnisse des Verfah-
rens der Staatsanwaltschaft Zweibrücken im Zusammenhang mit dem ent-
führten Imam H. M. O. N. bekannt?

17. Ist zwischenzeitlich eine Antwort der US-Behörden auf das Rechtshilfe-
ersuchen der Bundesregierung im Falle Imam H. M. O. N. eingetroffen?

18. Wann wurde die Bundesregierung vom Fall des 2003 von Skopje nach
Afghanistan verschleppten deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri be-
nachrichtigt?

19. Ist der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
München im Fall des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri bekannt?

20. Was weiß die Bundesregierung über den im „SPIEGEL“ vom 21. Novem-
ber 2005 berichteten Fall des deutschen Staatsbürgers M. H. Z.?

21. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung seit wann über die Fest-
nahme in Marokko und seine berichtete Verbringung durch die CIA von
Marokko nach Syrien?

22. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Verstößen gegen das Folterverbot
oder unmenschliche Behandlung im Falle M. H. Z’s?

Drucksache 16/124 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
23. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einem Besuch deutscher Sicher-
heitsbeamter in Syrien, im Zusammenhang mit dem Verhör M. H. Z.’s?

Counter Terrorist Intelligence Centres

24. Über welche Informationen bezüglich der Planung und der Existenz sol-
cher Anti-Terror-Zentren auf deutschem und europäischem Boden verfügt
die Bundesregierung, seit wann?

25. Waren die Bundesregierung bzw. Bundesbehörden bei der Planung und
dem Aufbau von CTICs beteiligt?

26. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, ob es ein CTIC in Deutsch-
land gibt?

27. Wie geht die Bundesregierung mit Informationen um, die aus Ermittlungen
innerhalb solcher CTIC gewonnen werden?

28. Welche Anweisung erhalten die deutschen Sicherheitsbehörden für den
Umgang mit Informationen, die möglicherweise gegen das Verbot, un-
menschlich behandelt oder gar gefoltert zu werden, verstoßen haben?

29. Welche Maßnahmen zu der Einhaltung menschenrechtlicher Normen und
Verträge bei der Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden gedenkt die Bundes-
regierung einzuleiten?

30. Inwieweit sind deutsche Behörden in die Arbeit von CTICs außerhalb
Deutschlands involviert?

31. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass deutsche Geheimdienst-
experten im Pariser CTIC arbeiten, und wenn ja, seit wann?

32. Hat die Bundesregierung die Existenz solcher Zentren auf EU-Ebene im
Rahmen des Ministerrats, EU-Gipfels oder informeller Zusammenkünfte
der Regierungschefs beraten?

33. Hat die Bundesregierung die US-Regierung zu der Existenz solcher CTICs
befragt?

34. Wann hat die Bundesregierung zum ersten Mal Kenntnis von der Existenz
solcher CTICs erhalten?

Berlin, den 29. November 2005

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
Kleine Anfrage
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