BT-Drucksache 16/12339

Defizite in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12339
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk,
Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Defizite in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung

In ihrem Antrag „Steuerhinterziehung bekämpfen“ auf Bundestagsdrucksache
16/11389 fordern die Fraktionen der CDU/CSU und SPD, die Steuergerechtig-
keit durch eine „konsequente Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden
Steuerquellen“ zu erhöhen. Daraus folgt, dass dies nach Ansicht der Initiatoren
des Antrags bisher nicht erfolgt. Nachdem die SPD bereits seit mehr als 10 Jah-
ren den Bundesminister der Finanzen stellt, drängt sich die Frage auf, warum es
bisher nicht gelungen ist, die Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen bzw.
Steueroasen auszutrocknen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass das Bundes-
ministerium der Finanzen diese Probleme über 10 Jahre hinweg zwar beobach-
tet aber nicht gehandelt bzw. offenbar wirkungslose Maßnahmen ergriffen hat.
Der Erfolg der Finanzpolitik in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung bzw.
im Umgang mit Steueroasen muss folglich so gering ausgefallen sein, dass ein
weiteres Handeln aus Sicht der Fraktionen der CDU/CSU und SPD unaus-
weichlich scheint.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich nach Einschätzung der Bundesregierung seit Beginn der
14. Legislaturperiode die jährlichen Einnahmeverluste des deutschen Staa-
tes durch Steuerhinterziehung entwickelt?
2. Wie haben sich nach Einschätzung der Bundesregierung seit Beginn der
14. Legislaturperiode die Einnahmeverluste des deutschen Staates durch
die Nutzung so genannter Steueroasen verändert?

Drucksache 16/12339 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie hoch müssten nach Ansicht der Bundesregierung die Steuereinnahmen
des deutschen Staates bei einer „konsequenten Ausschöpfung aller zur
Verfügung stehenden Steuerquellen“ ausfallen, und wie stellen sich im
Vergleich dazu die tatsächlichen Einnahmen bezogen auf die einzelnen
Steuern dar?

4. Wie hat sich nach Ansicht der Bundesregierung der jährliche Einnahme-
verlust des Staates durch Umsatzsteuerbetrug seit Inkrafttreten des Steuer-
verkürzungsbekämpfungsgesetzes verändert, und welchen Einfluss hat
nach Einschätzung der Bundesregierung das Gesetz auf diese Entwick-
lung?

5. Wie hat sich die Zahl der jährlich durchgeführten Umsatzsteuernach-
schauen seit Inkrafttreten des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes ent-
wickelt, und in wie vielen Fällen ergaben die durchgeführten Untersuchun-
gen Hinweise auf einen eventuellen Umsatzsteuerbetrug?

6. Wie viele Betrugsfälle bzw. Datensätze sind mittlerweile in der Zentralen
Datenbank zur Speicherung und Auswertung von Umsatzsteuer-Betrugs-
fällen und Entwicklung von Risikoprofilen (ZAUBER) gespeichert, wie
hat sich seit Einführung der Datenbank die Anzahl der durchgeführten Ab-
fragen geändert, und in wie vielen Fällen konnten die in der Datenbank
gespeicherten Informationen einen Beitrag zur Aufdeckung eines Umsatz-
steuerbetruges leisten?

7. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die in der Datenbank ZAUBER
gespeicherten Informationen ausreichend, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre diesbezügliche Auffassung?

8. Wie hoch sind die bisher im Zusammenhang mit der Entwicklung, Einrich-
tung, Wartung und dem Betrieb der Datenbank entstandenen Kosten, und
wie stellen sich im Vergleich dazu die durch den Einsatz der Datenbank
reduzierten Steuerverluste dar?

9. Wie viele Scheinunternehmer konnten durch die Datenbank bisher ent-
deckt werden?

10. Wie viele Kontrollmitteilungen aufgrund einer Außenprüfung nach § 194
Absatz 3 der Abgabenordnung wurden seit Einführung des Instrumentes
jährlich durchgeführt, und in wie vielen Fällen ergaben sich bezogen auf
die einzelnen Jahre Anhaltspunkte für einen Steuerbetrug?

11. Wie hat sich die Anzahl der jährlich erfolgen Abrufe von Kontostammda-
ten nach § 93 Absatz 7 und 8 sowie § 93b der Abgabenordnung seit Ein-
führung dieses Instrumentes entwickelt, und in wie vielen Fällen haben
sich dabei konkrete Anhaltspunkte für einen Steuerbetrug ergeben?

12. Welche Gründe sind nach Ansicht der Bundesregierung ausschlaggebend
dafür, dass die Umsatzsteuerausfälle mit 17,5 Mrd. Euro pro Jahr auf
einem nach wie vor sehr hohen Niveau verharren, und wie beabsichtigt
die Bundesregierung dieses Problem zu lösen?

13. Wie weit lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung mit verhältnismäßi-
gem Aufwand das Niveau des Umsatzsteuerbetruges absenken, und welche
Maßnahmen wären dafür notwendig?

14. Welches sind nach Ansicht der Bundesregierung die Hauptursachen für
den Umsatzsteuerbetrug, inwieweit sind diese beseitigt, falls noch nicht,
warum wurden diese noch nicht beseitigt, und wann gedenkt die Bundes-
regierung, diese zu beseitigen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12339

15. Warum ist es der Bundesregierung seit Beginn der 14. Legislaturperiode
nicht gelungen, die Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen sowie das
Problem der Steueroasen zu lösen, ist die Bundesregierung der Auffassung,
dass der erwähnte Antrag bzw. der Referentenentwurf des Bundesministe-
riums der Finanzen für ein Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuer-
praktiken und der Steuerhinterziehung diese Probleme nachhaltig lösen
können, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auf-
fassung?

16. Welche Defizite in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und von so
genannten Steueroasen gibt es nach Ansicht der Bundesregierung?

17. Welche dieser Defizite werden nach Ansicht der Bundesregierung durch
die aktuellen Gesetzesvorhaben beseitigt, welche bleiben weiter bestehen,
und welche Gründe hindern die Bundesregierung, eventuell weiterhin be-
stehende Defizite nicht zu beseitigen?

18. Welche Erweiterungen der Richtlinie zur Zinsbesteuerung sind nach An-
sicht der Bundesregierung notwendig, um den Steuervollzug wirksamer zu
machen?

19. Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlasst, bislang von ent-
sprechenden Initiativen gegenüber Mitgliedstaaten der Europäischen
Union bzw. Drittstaaten abzusehen, und warum bedarf die Bundesregie-
rung der Aufforderung des Deutschen Bundestages, um tätig zu werden?

20. Welche Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit den Bundesländern
und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach Ansicht der
Bundesregierung notwendig, um die Kompetenzen der zuständigen Ermitt-
lungs- und Strafverfolgungsbehörden weiter zu verbessern und auf euro-
päischer Ebene einen wirksamen Beitrag zur innergemeinschaftlichen Ko-
ordinierung einer effektiven steuerrechtlichen Missbrauchsbekämpfung zu
ereichen, und welche diesbezüglichen Maßnahmen hat die Bundesregie-
rung geplant?

21. Welche neuen Instrumente der automatisierten Datenverarbeitung sind
nach Ansicht der Bundesregierung für eine verbesserte Steuerbetrugsbe-
kämpfung notwendig, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbe-
zügliche Auffassung?

22. Welche Defizite bzw. Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bundesregie-
rung in Bezug auf den gezielten Einsatz der personellen und materiellen
Ressourcen der Finanzverwaltungen für eine effektive steuerliche Betrugs-
bekämpfung, wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auf-
fassung, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vorgesehen, um
diese zu beseitigen?

23. Welche bestehenden Risikomanagementsysteme müssen nach Ansicht der
Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern zügig weiterentwickelt
und eingesetzt werden, und bis wann soll dies bezogen auf die einzelnen
Systeme erfolgen?

24. Welche Initiativen hat die Bundesregierung bisher nachweislich unternom-
men, um sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck dafür einzusetzen,
hinsichtlich der von Drittstaaten mit den USA getroffenen besonderen Ver-
einbarungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung zu gewährleisten,
dass inhaltsgleiche Regelungen auch im Verhältnis zu europäischen Mit-
gliedstaaten getroffen werden, und warum bedarf die Bundesregierung
hierzu der Aufforderung durch den Deutschen Bundestag?

Drucksache 16/12339 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

25. Was hat die Bundesregierung bislang davon abgehalten, gemeinsame Ab-
wehrmaßnahmen gegen negative Wirkungen zu unterstützen, die von sog.
Steueroasen und anderen Staaten und Gebieten ausgehen, die den Steuerbe-
hörden keinen ausreichenden Zugang zu Bankinformationen ermöglichen,
um Steuerschlupflöcher zu schließen, Steuerflucht und Steuerhinterziehung
einzudämmen und die Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage
der Mitgliedsstaaten zu verhindern, und warum bedarf die Bundesregierung
hierzu der Aufforderung durch den Deutschen Bundestag?

26. Welche Initiativen hat die Bundesregierung nachweislich unternommen,
um sich im Rahmen der Arbeiten der Organisation für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Eindämmung des schädlichen
Steuerwettbewerbs und in anderen Foren, z. B. der G7-, G20-Staaten so-
wie des Internationalen Währungsfonds, nachdrücklich um die internatio-
nale Durchsetzung der von der OECD entwickelten Grundsätze von Trans-
parenz und effektivem Auskunftsaustausch sowohl gegenüber Mitglied-
staaten als auch gegenüber Drittstaaten zu bemühen und sich für die
Entwicklung gemeinsamer Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung einzuset-
zen, und warum bedarf die Bundesregierung hierzu der Aufforderung
durch den Deutschen Bundestag?

27. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „schädlicher Steuerwettbe-
werb“, hält die Bundesregierung das Steuerrecht für ein legitimes Mittel
im Bemühen der Staaten um Investitionen, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre diesbezügliche Auffassung?

28. Welche Staaten betreiben nach Ansicht der Bundesregierung einen „schäd-
lichen Steuerwettbewerb“?

29. Welche weiteren Möglichkeiten auf nationaler und internationaler Ebene,
die zur Austrocknung von Steueroasen wirksam beitragen, gibt es nach
Ansicht der Bundesregierung, welche dieser Maßnahmen sind bereits er-
griffen, welche müssen nach Ansicht der Bundesregierung noch folgen,
und warum sind diese noch nicht umgesetzt?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, die Ratifizierung des
Schengen-Abkommens im Verhältnis zu Staaten, die zur Steuerhinterzie-
hung besonders geeignet erscheinen, zu überprüfen, in Bezug auf welche
Staaten plant die Bundesregierung eine entsprechende Prüfung, und ist die
Bundesregierung tatsächlich bereit, die Ratifizierung des Schengen-Ab-
kommens in Bezug auf diese Staaten auszusetzen?

31. Welche weiteren Anstrengungen müssen nach Ansicht der Bundesregie-
rung unternommen werden, um die Betrugs- und Missbrauchsanfälligkeit
des deutschen Umsatzsteuerrechts und damit die Umsatzsteuerausfälle zu
reduzieren, wann ist mit einer Umsetzung dieser Maßnahmen zu rechnen,
und welche Gründe haben die Bundesregierung davon abgehalten, diese
bereits zu ergreifen?

32. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, hinterzogene Steuern
künftig mit einem deutlich höheren als dem sonst geltenden Zinssatz von
derzeit 6 Prozent pro Jahr zu verzinsen, wie begründet die Bundesregie-
rung ihre diesbezügliche Auffassung, und bis wann ist mit einer Umset-
zung dieses Vorschlages zu rechnen, bzw. welche Gründe halten die Bun-
desregierung davon ab, diesen Vorschlag aufzugreifen?

33. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gemeinsam mit den
Bundesländern die Effektivität und Effizienz des Steuervollzugs weiter zu
verbessern, insbesondere auch im Hinblick auf die Umsatzsteuersonder-
prüfung und die Betriebsprüfung, und warum hat die Bundesregierung

diese noch nicht umgesetzt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12339

34. Wird nach Ansicht der Bundesregierung der geschaffene rechtliche und
technische Rahmen auf der Basis einer hinreichenden Personalausstattung
zur Vermeidung und effektiven Bekämpfung von Steuerkriminalität konse-
quent genutzt, inwieweit muss dieser gegebenenfalls erweitert werden, und
wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auffassung?

Berlin, den 18. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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