BT-Drucksache 16/12283

Faire Wettbewerbsbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften schaffen

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12283
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten, Dr. Hans Peter Friedrich (Hof),
Georg Brunnhuber, Laurenz Meyer (Hamm), Hartmut Koschyk, Eduard Oswald,
Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der
CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Michael Bürsch, Ute Berg, Klaas Hübner, Ludwig
Stiegler, Doris Barnett, Dr. Axel Berg, Willi Brase, Edelgard Bulmahn, Ulla
Burchardt, Martin Dörmann, Garrelt Duin, Rolf Hempelmann, Dr. Bärbel Kofler,
Dr. Hans-Ulrich Krüger, Dr. Uwe Küster, Ute Kumpf, Marko Mühlstein, Thomas
Oppermann, Dr. Sascha Raabe, Reinhard Schultz (Everswinkel), Dr. Rainer
Tabillion, Jörg Tauss, Andreas Weigel, Dr. Rainer Wend, Dr. Margrit Wetzel, Andrea
Wicklein, Engelbert Wistuba, Manfred Zöllmer, Dr. Peter Struck und der Fraktion
der SPD

Faire Wettbewerbsbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) bzw. Public Private Partnership (PPP)
sind heute in Deutschland ein allgemein anerkanntes und erfolgreiches Instru-
ment öffentlicher Beschaffung und Leistungserstellung. Zwischenzeitlich wur-
den in Deutschland 116 PPP-Projekte (Stand Dezember 2008) mit einem Ge-
samtinvestitionsvolumen von 3,5 Mrd. Euro verwirklicht. Von den 116 PPP-
Projekten hat bereits über ein Viertel die Investitionsphase abgeschlossen und
befindet sich in der Betriebsphase.

Wie in anderen Ländern auch zeigen Untersuchungen verwirklichter PPP-Vor-
haben in Deutschland klar die Vorteile dieser Beschaffungsvariante: Durch eine
angemessene und vernünftige Risikoverteilung zwischen Staat und Privatwirt-
schaft und durch den Lebenszyklusansatz von PPP, d. h. die Integration von
Planung, Bau, Betrieb, Finanzierung und gegebenenfalls Verwertung, entstehen
Effizienzvorteile und damit Kosteneinsparungen für den Steuerzahler gegenüber
der traditionellen Beschaffung in der Größenordnung von 5 bis 25 Prozent. Im
Durchschnitt liegen die Kosteneinsparungen von Öffentlich Privaten Partner-
schaften in Deutschland bei 15 Prozent.
Öffentlich Private Partnerschaften haben sich deshalb als ein wirksames Instru-
ment erwiesen, den haushaltsrechtlich normierten Grundsätzen der Wirtschaft-
lichkeit und Sparsamkeit besser gerecht zu werden. Der Wettbewerb mit dieser
neuen Beschaffungsalternative hat zudem zu einer größeren Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit bei traditionellen Beschaffungen der öffentlichen Hand ge-
führt.

Drucksache 16/12283 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das sog. ÖPP-Beschleunigungsgesetz vom September 2005 hat die gesetzlichen
Rahmenbedingungen für ÖPP in Deutschland verbessert und für Investoren und
öffentliche Hand mehr Rechtssicherheit geschaffen. Es hat damit wesentlich
zum Erfolg von PPP in Deutschland beigetragen. So sind die Investitionen in
PPP-Projekte von 65 Mio. Euro in den Jahren 2002/2003 auf 875 Mio. Euro im
Jahr 2007 gestiegen.

Im Koalitionsvertrag ist eine Reihe von weiteren Vorschlägen zur Verbesserung
und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partner-
schaften vereinbart worden. Sie dienen der Zielsetzung der Bundesregierung,
den Anteil von PPP-Projekten an öffentlichen Beschaffungen auf 15 Prozent zu
erhöhen. Bislang beträgt der Anteil lediglich gut 4 Prozent. Insbesondere perso-
nalintensive Öffentlich Private Partnerschaften unterliegen einer Umsatzsteuer-
mehrbelastung.

Erbringt die öffentliche Hand hoheitliche Leistungen mit eigenem Personal, so
unterliegen diese Leistungen nicht der Umsatzbesteuerung, da kein umsatzsteu-
erlicher Leistungsaustausch gegeben ist. Werden derartige Leistungen aber im
Rahmen von PPP erbracht, so unterliegen sie der Umsatzsteuer. Damit werden
Öffentlich Private Partnerschaften gegenüber der konventionellen Leistungser-
stellung durch die öffentliche Verwaltung weniger attraktiv. Je höher der Perso-
nalkostenanteil an der Leistungserstellung ist, desto stärker ist der Effekt. Damit
werden falsche Anreize gesetzt, eine Leistungssteigerung der öffentlichen Hand
behindert, die Expansion von PPP auf personalintensive Bereiche verhindert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in einem Modellversuch zu klären, in welchem Ausmaß umsatzsteuerliche
Mehrbelastungen PPP-Projekte gegenüber einer konventionellen Realisie-
rung benachteiligen und inwieweit eine gebotene und sinnvolle Ausweitung
von PPP-Projekten dadurch verhindert wird.

Ziel des Modellvorhabens ist es, umsatzsteuerliche Benachteiligungen von
PPP-Projekten außerhalb des Umsatzsteuerrechts auszugleichen, praktische
Erkenntnisse über Art und Ausmaß der umsatzsteuerlichen Mehrbelastung
bei PPP-Projekten zu sammeln, die Notwendigkeit einer gesetzlichen Rege-
lung zur Erstattung von Umsatzsteuermehraufkommen sowie von alternati-
ven Lösungsansätzen zu prüfen und ggf. einen Vorschlag zu erarbeiten.

Das Modellvorhaben enthält folgende Eckpunkte:

● Projektförderung: Erstattung von Umsatzsteuermehraufkommen: Die an
dem Modellvorhaben teilnehmenden Gebietskörperschaften erklären sich
bereit, ihren PPP-Projektträgern zum Ausgleich von nachgewiesenen Um-
satzsteuermehrbelastungen eine wechselseitige Projektförderung nach
folgender Maßgabe zu gewähren:

– Antragsberechtigt sind ausschließlich öffentliche Projektträger des
Bundes und der teilnehmenden Länder einschließlich deren Kommu-
nen.

– Voraussetzung für die Projektförderung ist ein PPP-Vertrag.

– Die teilnehmenden Gebietskörperschaften stellen grundsätzlich für die
Projektförderung Fördermittel in Höhe des auf sie entfallenden Um-
satzsteuermehraufkommens bereit, das durch die geförderten Projekte
generiert wird.

– Der Förderanspruch wird grundsätzlich für die Gesamtlaufzeit des
PPP-Vertrages gewährt.
– Die Projektträger stellen ihr Projekt für Evaluierungszwecke zur Ver-
fügung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12283

● Teilnehmer an dem Modellvorhaben sind der Bund und interessierte Län-
der auf freiwilliger Basis. Das Modellvorhaben wird gestartet, wenn ne-
ben dem Bund mindestens drei Länder teilnehmen.

● Die Laufzeit des Modellvorhabens beträgt fünf Jahre.

● Finanzbedarf: Die teilnehmenden Gebietskörperschaften stellen für das
Modellvorhaben aus Haushaltsmitteln jeweils einen jährlichen Festbetrag
zur Verfügung, wobei die einzelnen Beträge grundsätzlich entsprechend
dem Umsatzsteueranteil von Bund und Ländern ermittelt werden. Eine
Orientierungsgröße für die Höhe des Festbetrags könnte sich aus dem er-
mittelten Umsatzsteuermehraufkommen der jeweiligen Gebietskörper-
schaft aus den laufenden PPP-Projekten des Vorjahres ergeben. Um den
Charakter als Modellvorhaben zu betonen und es haushaltsmäßig kalku-
lierbar zu halten, werden zunächst nur so viele Vorhaben bewilligt, dass
ein Betrag von jährlich 10 Mio. Euro an Bundesmitteln nicht überschritten
wird.

● Verfahren: Die am Modellvorhaben teilnehmenden Gebietskörperschaften
legen die Eckpunkte des Modellvorhabens in einer gemeinsamen
Kooperationsvereinbarung nieder. Die Durchführung des Modellvorha-
bens erfolgt unter Beteiligung der ÖPP Deutschland AG.

Die Verwendung von Bundes- und Landesmitteln für die wechselseitige För-
derung von Projekten des Bundes, der teilnehmenden Länder und deren
Kommunen ist verfassungsrechtlich zulässig. Das vorliegende Konzept ist
beihilferechtlich zulässig. Damit handelt es sich bei den Begünstigten nicht
um Unternehmen i. S. d. Artikels 87 des EG-Vertrags, die hinsichtlich der zu
fördernden Auftragsvergabe auf einem Markt agieren. Es besteht insofern
auch keine Notifzierungspflicht. Die Detailausgestaltung ist abschließend
beihilferechtlich zu prüfen;

2. dem Deutschen Bundestag noch in dieser Wahlperiode ein Gesetz zur Verein-
fachung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften (PPP-Ver-
einfachungsgesetz) vorzulegen, das folgende Einzelmaßnahmen aufgreift:

a) Bundeshaushaltsordnung (BHO)

Gemäß § 7 Absatz 1 BHO sind bei Aufstellung und Ausführung des Haus-
haltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu be-
achten. § 7 Absatz 1 Satz 2 BHO lautet: „Diese Grundsätze verpflichten
zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken
dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaat-
lichung oder Privatisierung erfüllt werden können.“ Öffentlich Private
Partnerschaften haben sich in der Vergangenheit als ein wirksames Instru-
ment erwiesen, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
gerecht zu werden.

aa) Ergänzung von § 7 Absatz 1 BHO

Nachdem PPP inzwischen auch in Deutschland als Beschaffungs-
variante der öffentlichen Hand allgemein anerkannt ist, soll § 7 Ab-
satz 1 entsprechend ergänzt werden. Damit wird verdeutlicht, dass die
bestehende Prüfpflicht auch eine Prüfung hinsichtlich des Eingehens
von Öffentlich Privaten Partnerschaften umfasst:

„Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grund-
sätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Diese
Grundsätze verpflichten zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben
oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten
durch Ausgliederung und Entstaatlichung, Öffentlich Private Partner-

schaften oder Privatisierung erfüllt werden können.“

Drucksache 16/12283 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
bb) Ergänzung von § 7 Absatz 2 BHO

§ 7 Absatz 2 BHO regelt die Durchführung „angemessener Wirt-
schaftlichkeitsuntersuchungen“. § 7 Absatz 2 soll ergänzt werden. Mit
der Ergänzung erfolgt eine Klarstellung zu den verfahrensmäßigen
Abläufen. Sofern sich aus den vorangegangenen Verfahrensschritten
ergibt, dass eine private Lösung geeignet und wirtschaftlich ist, sollen
Private mit der Aufgabendurchführung beauftragt werden. Spezial-
vorschriften wie auch vergaberechtliche Vorgaben bleiben unberührt.

„Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirt-
schaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Dabei ist auch die mit
den Maßnahmen verbundene Risikoverteilung zu berücksichtigen. In
geeigneten Fällen ist privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben,
darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffent-
lichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut
oder besser erbringen können (Interessensbekundungsverfahren). Mit
der Aufgabendurchführung sollen Private beauftragt werden, soweit
sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirt-
schaftliche Tätigkeiten ebenso gut oder besser erbringen können.“

b) Novellierung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre sollen Entwicklung und Ge-
staltung von Verkehrsinfrastrukturprojekten nach dem Fernstraßenbau-
privatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) weiterentwickelt werden. Um
die Wirtschaftlichkeit der Projekte zu stärken, sollen die mit einem Fern-
straßenprojekt in einem unmittelbaren Zusammenhang stehenden Teilstü-
cke eines Bauwerks oder einer Strecke in die Mautpflicht einbezogen wer-
den. Dabei können die betrieblichen Belange wirtschaftlicher und
technischer Art sein: Sie umfassen unter anderem die Erzielung eines ste-
tigen Verkehrsflusses und die Anordnung von Mauterhebungseinrichtun-
gen. Eine grundsätzliche Refinanzierungsverlagerung durch die Einbezie-
hung von projektfremden Teilstrecken ist aber nicht zulässig und auch
nicht beabsichtigt. Die §§ 1, 3 FStrPrivFinG sollen daher mit dem Ziel der
Einbeziehung von Teilstücken eines Bauwerkes oder einer Strecke in die
Mautpflicht geändert werden.

Berlin, den 18. März 2009

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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