BT-Drucksache 16/11839

Arbeitsbedingungen in der Call-Center-Branche - Mitbestimmung und die Notwendigkeit eines Mindestlohns

Vom 4. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11839
16. Wahlperiode 04. 02. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus,
Kornelia Möller und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsbedingungen in der Call-Center-Branche – Mitbestimmung und die
Notwendigkeit eines Mindestlohns

Die Call-Center-Branche ist ein Wirtschaftszweig, in denen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer oftmals unter Ausbeutungsverhältnissen arbeiten ohne tarif-
vertragliche Regelungen und Mitbestimmung. Die Politik muss also dringend
handeln, um die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu un-
terstützen und ihnen eine Arbeit in Würde und ein existenzsicherndes Einkom-
men zu gewährleisten.

Eine Umfrage der Gewerkschaft ver.di unter Call-Center-Beschäftigten im
Herbst 2007 ergab: 99 Prozent der Befragten sind mit ihrer Bezahlung unzufrie-
den. 51 Prozent sagten, sie brauchen einen Zweitjob zum Überleben und 23 Pro-
zent der Befragten gaben an, zusätzliche staatliche Unterstützungsleistungen zu
erhalten.

Diese Probleme treten vor allem bei den branchenunabhängigen Call-Centern
(Call-Center-Dienstleister) auf, weshalb sich folgende Fragen auch nur auf die-
sen Bereich der Call-Center beziehen (die Bundesregierung wird gebeten, auch
nur für diesen Bereich zu antworten).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation in den Call-Centern aus Sicht
der dort arbeitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein?

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wie hoch durchschnittlich die
Monatsverdienste, Stundenlöhne und wöchentlichen Arbeitszeiten der Call-
Center-Agenten sind, die etwa 95 Prozent der Beschäftigten in den Call-Cen-
tern ausmachen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, bitte die entsprechenden Daten für die Jahre 2005 bis 2008 aufzäh-
len.

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Einsatzzeiten der

Call-Center-Agenten und deren Krankheitsquote?

4. Wie hoch ist der Anteil der Call-Center-Agenten, die Teilzeit bzw. Vollzeit
arbeiten, und welchen Anteil macht die geringfügige Beschäftigung aus?

5. Wie hoch ist der Anteil der weiblichen und männlichen Arbeitskräfte unter
den Call-Center-Agenten in den branchenunabhängigen Call-Centern?

Drucksache 16/11839 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
6. Wie viele Call-Center-Agenten in den branchenunabhängigen Call-Centern
gibt es, wie viele davon sind speziell für diesen Beruf ausgebildet worden,
und welche Ausbildung haben die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer, und wie hoch ist der Anteil unter den speziell für diesen Beruf aus-
gebildeten Arbeitnehmern, die eine zweijährige Ausbildung haben, und wie
hoch ist der Anteil derjenigen, die eine dreijährige Ausbildung mit kauf-
männischen Bestandteil haben?

7. In wie vielen Call-Center-Betrieben mit wie vielen Beschäftigten gibt es
einen Betriebrat, und wie hoch ist der Anteil dieser an der Gesamtzahl der
Betriebe und an der Gesamtzahl der Beschäftigten?

8. Gibt es in dem Bereich der branchenunabhängigen Call-Center Tarifver-
träge?

Wenn ja, für wie viele Beschäftigte gelten diese?

Soweit es mehrere Verträge gibt: wer sind jeweils die Tarifvertragsparteien,
und welches ist der Tarifvertrag mit den niedrigsten Entgelten und mit den
höchsten Entgelten (bitte nach Stundenlohn)?

9. Wie hoch ist der Anteil der Aufstocker (also der erwerbstätigen Leistungs-
bezieher aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) unter den Beschäftigten
der Call-Center-Branche (Erfassung in Wirtschaftsklassifikation 2003 unter
74.86, in Wirtschaftsklassifikation 2008 82.20)?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass zahlreiche
Beschäftigte in Call-Centern wegen ihres niedrigen Lohns einen Zweitjob
annehmen?

11. Plant die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode für die Call-
Center-Branche einen branchenspezifischen Mindestlohn festzulegen?

Wenn ja, wann, und wie?

Wenn nein, ist es dann nicht notwendig, endlich einen gesetzlichen Min-
destlohn zu beschließen, mit dem den beschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern ein Einkommen jenseits der Armutsschwelle garantiert wer-
den kann?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Gewinnsituation in der Call-
Center-Branche?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie hoch waren die Gewinne der gesamten Branche seit 2005
(wenn möglich bitte absolut und relativ ausweisen sowie die entsprechen-
den Zahlen für die zehn größten Unternehmen im Bereich der branchenun-
abhängigen Call-Centern angeben)?

13. In welchem Ausmaß sind seit 2005 Unternehmen der Call-Center-Branche
durch verschiedene Instrumente der Wirtschaftsförderung sowie Arbeits-
marktförderung subventioniert worden (wenn möglich bitte die Summe der
Förderung für die einzelnen Jahre nennen sowie nach Art der Förderung
aufzählen als auch die zehn Unternehmen, die die meisten Fördergelder er-
halten haben)?

Berlin, den 3. Februar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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