BT-Drucksache 16/11838

Stand der Umsetzung der "Verkehrsregeln" für den Finanzmarkt

Vom 4. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11838
16. Wahlperiode 04. 02. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Umsetzung der „Verkehrsregeln“ für den Finanzmarkt

In der Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück, vom 29. September 2008 schloss sich dieser der Erkenntnis an,
„dass wir nach der Bankrotterklärung des in weiten Teilen des Finanzmarktes in
den letzten Jahrzehnten dominierenden Laisser-faire-Kapitalismus neue „Ver-
kehrsregeln“ brauchen […].“ Was diese neuen „Verkehrsregeln“ nach Auffas-
sung der Bundesregierung beinhalten müssen, legte er sodann in acht Punkten
dar, die nacheinander auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene
umgesetzt werden müssten: Die Verhinderung außerbilanzieller Risiken, eine
höhere Liquiditätsvorsorge der Banken, die persönliche Haftung verantwort-
licher Finanzmarktakteure, die Vergütungssysteme der Banken, die Rolle des
Internationalen Währungsfonds (IWF) als Kontrollinstanz für die Einhaltung
von Finanzmarktstandards, das Verbot rein spekulativer Leerverkäufe, die
Einschränkung der Möglichkeit Kreditrisiken zu verbriefen und eine weitere
Harmonisierung der europäischen Aufsichtsregime. Diese Positionierung wurde
wenige Tage später in einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel bestärkt und um weitere Regulierungsaspekte, wie etwa eine
neue Regulierung von Ratingagenturen, ergänzt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Initiativen hat die Bundesregierung seither auf jeweils internationa-
ler, europäischer und nationaler Ebene bei der Verhinderung außerbilanziel-
ler Risiken unternommen, und welche Fortschritte konnten dabei erzielt wer-
den?

2. Welche Initiativen hat die Bundesregierung seither jeweils auf internationa-
ler, europäischer und nationaler Ebene bei der Einschränkung der Möglich-
keiten zur Kreditverbriefung unternommen, und welche Fortschritte konnten
hierbei erzielt werden?

3. Ist es in Anbetracht dessen, dass der Bundesminister der Finanzen in der o. g.
Rede einen Anteil von bis zu 20 Prozent erwogen hatte, für die Bundesregie-
rung bereits ein Erfolg, dass die EU-Kommission in ihrem Richtlinienvor-
schlag (Ratsdok. 13713/08) vorsieht, dass der Originator lediglich 5 Prozent
des zu verbriefenden Kreditriskos in den eigenen Büchern halten sollte?
Wenn ja, warum?

Wenn nein, wie hoch sollte dieser Anteil nach Ansicht der Bundesregierung
mindestens sein, und wie begründet sie dies?

4. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung überhaupt möglich, forderungs-
besicherte Wertpapiere (sog. Asset Backed Securities) zu emittieren, die dem

nale, europäische oder nationale Ratingagentur mit Gebührenstruktur, die in
hoheitlichem Auftrag fungiert und über alle Zweifel der Unabhängigkeit
erhaben ist?

16. Was spricht, trotz der noch nicht abgeschlossenen Regulierung und der noch
unzureichenden Aufarbeitung der Rolle der Ratingagenturen in der Finanz-
Drucksache 16/11838 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Originatoren- bzw. Investoreninteresse an Insolvenzferne, Risikoauslage-
rung und Eigenkapitalerhalt entsprechen, wenn außerbilanzielle Risiken
vollständig verhindert werden sollen?

Wenn ja, wie müsste ein solches System der Kreditverbriefung organisert
sein?

5. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung auf jeweils internationaler, eu-
ropäischer und nationaler Ebene bei der Verhinderung von Risiken, die von
Hedgefonds ausgehen, und welche Erfolge konnten dabei bisher erzielt
werden?

6. Welche Initiativen, und mit welcher Maßgabe hat die Bundesregierung seit
Herbst vergangenen Jahres jeweils auf internationaler, europäischer und na-
tionaler Ebene ergriffen, um ein Verbot von Leerverkäufen durchzusetzen,
und welche Fortschritte sind dabei zu verzeichnen?

7. Nach welchen Kriterien unterscheidet die Bundesregierung rein spekulative
von weniger spekulativen Leerverkäufen?

8. Haben die Ende Oktober 2008 zu beobachtenden Leerverkäufe bei der Spe-
kulation mit Volkswagen-Aktien nach Ansicht der Bundesregierung zur
Verbesserung der Markteffizienz und zur Sicherung von Beschäftigung bei-
getragen (bitte mit Begründung)?

9. Welche Schritte hat die Bundesregierung bis zum Herbst vergangenen Jah-
res, und welche danach auf internationaler, europäischer und nationaler
Ebene unternommen, um eine höhere Liquiditätsvorsorge der Banken zu
erreichen, und welche Fortschritte sind dabei festzustellen?

10. Welche Mindestanforderungen an die Liquiditätsvorsorge der Banken hält
die Bundesregierung dabei im Einzelnen für erforderlich, und wie begründet
sie dies?

11. Warum kann es nach Ansicht der Bundesregierung, in Anbetracht des De-
bakels der Hypo Real Estate Holding AG (HRE), dennoch nicht Aufgabe
der Finanzaufsicht sein, die Geschäftsmodelle von einzelnen Banken zu
bewerten (so der Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück bei seiner
Erläuterung der Rettungsaktion der HRE vor der Bundestagsfraktion DIE
LINKE.)?

12. Wie kann eine höhere Liquiditätsvorsorge hinreichend abgesichert und be-
aufsichtigt werden, ohne dass die Finanzaufsicht die Geschäftsmodelle der
Banken in ihre Betrachtung mit einschließt?

13. Findet sich die Bundesregierung mit ihren Vorstellungen zur Regulierung
von Ratingagenturen in dem entsprechenden Richtlinienvorschlag der EU-
Kommission (Ratsdok. 15661/08) vollständig wieder?

Wenn nein, warum nicht?

14. Hält die Bundesregierung es für zielführend, im Bereich der Ratingagentu-
ren auf mehr Wettbewerb zu setzen, da der zu beurteilende Emittent als
Kunde der Ratingagentur in erster Linie ein Interesse an einer guten Note
hat?

15. Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung gegen eine internatio-
krise, dafür, diesen im Rahmen der Novellierung des Pfandbriefgesetzes
erstmals eine maßgebliche Rolle zuzuweisen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11838

17. Welche Initiativen hat die Bundesregierung seit Herbst vergangenen Jahres
auf jeweils internationaler, europäischer und nationaler Ebene ergriffen, um
die persönliche Haftung verantwortlicher Finanzmarktakteure zu forcieren,
und welche Erfolge konnten dabei bisher erzielt werden?

18. Welche Initiativen, und mit welcher Maßgabe hat die Bundesregierung seit
Herbst vergangenen Jahres auf jeweils internationaler, europäischer und na-
tionaler Ebene ergriffen, um auf die Vergütungssysteme der Banken Ein-
fluss zu nehmen, und welche Erfolge konnten dabei bisher erzielt werden?

19. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Möglichkeit zur Kredit-
vergabe durch Unternehmen, die nicht unter den Regelungsbereich des
Kreditwesengesetzes fallen, in Übereinstimmung mit den Anforderungen
an eine verantwortungsvolle Kreditvergabe und an die allgemeine Finanz-
marktstabilität steht?

20. Die Einhaltung welcher bestehenden und noch zu schaffenden weltweiten
Finanzmarktstandards sollte der IWF überwachen, und mit welchen Befug-
nissen sollte er dabei ausgestattet sein?

21. Was spricht dafür, und was spricht dagegen, die von der Bundesregierung
für den IWF vorgeschlagene Funktion einer Institution der Vereinten Na-
tionen zu übertragen?

22. Was hat die Bundesregierung zur Schaffung einer solchen internationalen
Überwachungsinstanz unternommen, und wie weit ist sie ihren Zielen dabei
bisher näher gekommen?

23. Welche Widerstände gilt es nach Ansicht der Bundesregierung bei der Har-
monisierung der europäischen Finanzaufsicht jeweils im Bereich der Be-
aufsichtigung von Banken, Versicherern und anderen Finanzdienstleistern
zu überwinden?

Wie beurteilt sie den Fortgang dieses Harmonisierungsprozesses?

24. Bei welchen Schritten sieht sich die Bundesregierung bei den proklamierten
„Verkehrsregeln“ für den Finanzmarkt jeweils in der Lage, im „nationalen
Alleingang“ die angesprochenen Regulierungsdefizite wettzumachen,
wenn sich in der internationalen bzw. europäischen Abstimmung keine oder
nur unzureichende Ergebnisse erzielen lassen?

25. Zu welchen der proklamierten „Verkehrsregeln“ für den Finanzmarkt plant
die Bundesregierung konkrete Gesetze in das parlamentarische Verfahren
einzubringen, und wann ist damit jeweils zu rechnen?

Berlin, den 3. Februar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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