BT-Drucksache 16/11727

Konsequenzen aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur Rechtswidrigkeit der Verbunddatei "Gewalttäter Sport"

Vom 23. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11727
16. Wahlperiode 23. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Monika Lazar, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konsequenzen aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur
Rechtswidrigkeit der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat in einem Urteil
vom 16. Dezember 2008 (Az. 11 LC 229/08) entschieden, dass der Betrieb der
Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts rechtswidrig ist.
Das Gericht bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom
24. Mai 2008 (Az. 10 A 2412(07)). Das Gericht gab der Klage eines Betroffe-
nen statt, der von der zuständigen Polizeidirektion die Löschung seiner perso-
nenbezogenen Daten verlangt hatte. Diese Daten werden vom Bundeskriminal-
amt als Zentralstelle im Rahmen einer Verbunddatei geführt.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Weigerung der Bundesregierung, ge-
meinsam mit den Ländern eine Rechtsverordnung in Kraft zu setzen von der
Besorgnis getragen ist, sich in einer solchen Verordnung auf ein Mindestmaß
rechtsstaatlicher Klarheit einlassen zu müssen. Gegenwärtig ist weder geklärt,
wie lange die Speicherung andauern darf und die Daten aufbewahrt werden
dürfen. Ungeklärt sind auch die Auskunfts- und Löschungsansprüche sowie der
Zugriff der Behörden auf die Daten der „Hooligan-Datei“.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg wirft eine Reihe rechtlicher
und praktischer Fragen auf. So stellt sich neben der grundsätzlichen Problema-
tik derartiger Verbunddateien auch die Frage, welche Schutzrechte Betroffene
in Anspruch nehmen können, um eine Berichtigung oder Streichung möglicher-
weise unrichtiger Daten durchzusetzen. Die gegenwärtige Praxis der Speiche-
rung ohne Rechtsgrundlage unterläuft in unzulässiger Weise die Schutzrechte
der Bürgerinnen und Bürger. Sie wirft auch die Frage auf, ob angesichts der
Rechtswidrigkeit der Verbunddatei allen Betroffenen ein genereller Anspruch
auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten nach § 32 Absatz 2 Satz 1 des
Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) zusteht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung entgegen dem klaren Wort-
laut des § 7 Absatz 6 BKAG keine Rechtsverordnung über die Einrichtung

einer Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ erlassen, noch bevor das Bundeskri-
minalamt per Errichtungsanordnung diese neue zentrale Datei eingerichtet
hat?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung nach dem Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts Lüneburg, die in § 7 Absatz 6 BKAG vorgeschriebene Rechtsver-
ordnung nunmehr zu erlassen oder lässt sie es auf eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsverfahren ankommen?

Drucksache 16/11727 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. War sich die Bundesregierung nach der erstinstanzlichen Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 10 A 2412/07) bewusst, dass aufgrund
der fehlenden Rechtsgrundlage der „Hooligan-Datei“ auch Gewalttäter
einen Anspruch auf Löschung der sie betreffenden Daten haben könnten,
und warum hat sie daraus nicht die Konsequenz gezogen, gemeinsam mit
den Bundesländern den Erlass der Rechtsverordnung unverzüglich in die
Wege zu leiten?

4. Gibt es von Seiten des Bundesministeriums des Innern zumindest Bemü-
hungen, mit den Bundesländern die Inhalte einer solchen Rechtsverord-
nung abzustimmen, die nach § 7 Absatz 6 BKAG der Zustimmung des
Bundesrates bedarf, und wie schätzt die Bundesregierung die Erfolgsaus-
sichten ein?

5. Wie viele Personen wurden im Jahre 2008 in der Verbunddatei „Gewalt-
täter Sport“ erfasst?

6. Wie hat sich die Zahl der 2008 gespeicherten Personen im Verhältnis zu
den Vorjahren entwickelt?

7. Sind Daten aus der „Hooligan-Datei“ von deutschen Stellen an ausländi-
sche Stellen übermittelt worden, und wenn ja, an welche Stellen?

8. Hat die Bundesregierung die Absicht, in Zukunft den Personen, deren
Daten in der Verbunddatei gespeichert sind, über die Tatsache dieser Spei-
cherung in Kenntnis zu setzen oder hält sie es auch in Zukunft für ausrei-
chend, die Betroffenen lediglich auf die Möglichkeit einer Anfrage über die
Datenschutzbeauftragten der Bundesländer zu verweisen?

9. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen nach Auffassung der Bundes-
regierung den von der Speicherung betroffenen Personen zu, eine Lö-
schung der sie betreffenden Daten in der Verbunddatei durchzusetzen,
wenn nicht einmal die Einstellung eines gegen sie gerichteten Ermittlungs-
verfahrens automatisch die Konsequenz der Löschung der Daten in der
„Hooligan-Datei“ nach sich ziehen soll?

10. Welche Löschungs- und Aufbewahrungsfristen soll es nach Auffassung der
Bundesregierung in Zukunft für die personenbezogenen Daten in der
„Hooligan-Datei“ geben?

Berlin, den 23. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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