BT-Drucksache 16/11671

Verbraucherfreundliche und praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung durchsetzen - Verbots- und Bevormundungspolitik verhindern

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11671
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Edmund Peter Geisen, Detlef Parr, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und
der Fraktion der FDP

Verbraucherfreundliche und praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung
durchsetzen – Verbots- und Bevormundungspolitik verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ihre Verbraucher- und Ernährungspolitik auf allen Ebenen nach dem Leitbild
der mündigen Verbraucher als eigenverantwortlich handelnde Konsumenten
und Marktteilnehmer zu gestalten;

2. in der Verbraucher- und Ernährungspolitik nicht auf bürokratische Regle-
mentierungen zu setzen, sondern die erforderlichen Regelungen so zu ge-
stalten, dass ein fairer Wettbewerb auch die Marktteilnahme kleineren und
mittleren Unternehmen ermöglicht;

3. bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln eine verbraucherfreundliche und
praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung durchzusetzen und eine Bevor-
mundung der Verbraucher zu verhindern. Dazu ist erforderlich:

– die erfolgreichen Initiativen der Wirtschaft zur Lebensmittelkennzeich-
nung zu unterstützen, mit denen bereits heute mehr als zwei Drittel der
Lebensmittel freiwillig gekennzeichnet werden. Das ebenfalls auf Frei-
willigkeit basierende „1 plus 4“-Modell des Bundesministeriums für

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist Vorrang vor ver-
pflichtenden staatlichen Reglementierungen einzuräumen. Mit dem so
genannten „1 plus 4“-Modell werden Kalorien, Zucker, Fett, gesättigte
Fettsäuren und Salz gekennzeichnet;

– Ampelkennzeichnungen und farbliche Bewertungen von Lebensmitteln
abzulehnen;

Drucksache 16/11671 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– entscheidende Informationen für Verbraucher auf Lebensmittelverpackun-
gen europaweit einheitlich zu regeln sowie nationale Sonderwege zu ver-
hindern und

– eine 1 : 1-Übertragung der Grundsätze zur Kennzeichnung von verpack-
ten Lebensmitteln auf lose Ware abzulehnen.

Berlin, den 20. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung
In der Verbraucher- und Ernährungspolitik muss neben dem gesetzlichen Ver-
braucherschutz verstärkt auf Eigeninitiative, Anreizsysteme, Wettbewerb und
Marktöffnung gesetzt werden. Das Urteilsvermögen informierter Verbraucher,
Transparenz und Produktvielfalt leisten einen entscheidenden Beitrag zu einem
effektiven Verbraucherschutz. Dirigistische Eingriffe des Staates in das Markt-
geschehen wie z. B. Werbeverbote sind abzulehnen. Selbstverpflichtungen der
Industrie sind zu begrüßen und auszubauen. Diese Grundsätze müssen in der
entscheidenden Verhandlungsphase für eine neue Lebensmittelkennzeichnung
auf europäischer Ebene von der Bundesregierung entschieden vertreten werden,
um eine verbraucherfreundliche und praxistaugliche Regelung durchzusetzen.

Ampelkennzeichnungen oder farbliche Bewertungen von Lebensmitteln bevor-
munden Verbraucher und führen sie möglicherweise in die Irre. Lebensmittel
können auf Grund ihres Fett-, Salz- oder Zuckergehaltes nicht als gut (grün)
oder schlecht (rot) eingeteilt werden. So müssten Produkte wie Avocados,
Butter, Margarine oder Nüsse auf Grund ihres Fettgehaltes mit „rot“ gekenn-
zeichnet werden. Viele Produkte würden zudem einander widersprechende
Bewertungen erhalten: Speiseöl aus Raps würde z. B. mit zwei roten und zwei
grünen Punkten gekennzeichnet. Das verursacht Verwirrung und ist keine Ent-
scheidungshilfe für die Kaufentscheidung von Verbrauchern.

Eine generelle Verpflichtung der Wirtschaft zu weitgehenden Kennzeichnungs-
vorgaben ist nicht notwendig. Denn bereits heute tragen mehr als zwei Drittel
der Lebensmittel Nährwertkennzeichnungen. Diese Aktivitäten der Wirtschaft
gehen auf freiwillige Eigeninitiativen und Empfehlungen der Lebensmittelwirt-
schaft zur Lebensmittelkennzeichnung aus dem Herbst 2007 zurück. Dieser
Weg zur Verbesserung der Verbrauchertransparenz und -information durch frei-
willige Lebensmittelkennzeichnungen der Wirtschaft ist auszubauen. Die
Kennzeichnung im sogenannten Hauptblickfeld, also auf der Vorderseite der
Verpackungen, ist lediglich für den Kalorienwert sinnvoll. Studien haben ge-
zeigt, dass sich Verbraucher hauptsächlich Informationen über den Kalorien-
wert von Lebensmitteln wünschen.

Schließlich ist eine 1 : 1-Übertragung der Grundsätze über die Kennzeichnung
von verpackten Lebensmitteln auf lose Ware abzulehnen, weil gerade hand-
werkliche und handwerksähnliche und landwirtschaftlich individuelle Produk-
tion von frischen Erzeugnissen eine besondere Betrachtungsweise gegenüber
industriell gefertigten und verpackten Produkten erfordert. Nicht sinnvoll ist
zudem die Vorgabe einer Mindestschriftgröße von drei Millimeter für die
Kennzeichnung von Lebensmitteln. Schließlich müssen die Chancen für die
Vermarktung regionaler Produkte gewährleistet bleiben.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.