BT-Drucksache 16/11604

Biopatentrecht verbessern - Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen Züchtungsverfahren verhindern

Vom 14. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11604
16. Wahlperiode 14. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska Hinz (Herborn), Jerzy Montag, Cornelia
Behm, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Nicole Maisch,
Undine Kurth (Quedlinburg), Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Anton Hofreiter, Bärbel Höhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Biopatentrecht verbessern – Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen
Züchtungsverfahren verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ein modernes Biopatentrecht muss für einen angemessenen Ausgleich zwi-
schen den Interessen des Erfinders am Schutz einer Erfindung und denen der
Allgemeinheit sorgen.

Die Richtlinie 98/44/EG (Biopatentrichtlinie) wurde 1998 nach langen und
schwierigen Verhandlungen in der Europäischen Union verabschiedet.

Ein wichtiges Ziel der Biopatentrichtlinie war es seinerzeit, Schutzregelungen
vor zu weit reichenden Patentansprüchen auf Lebewesen und biologische Züch-
tungsverfahren einzuziehen. Diesem Anspruch wird die Biopatentrichtlinie
nicht gerecht.

Die zentralen Bestimmungen der Richtlinie wurden 1999 durch Beschluss des
Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation in die Ausführungsanord-
nung zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) übernommen. Infolge-
dessen erteilt das Europäische Patentamt (EPA) seine Patente seitdem auf der
Basis der Biopatentrichtlinie.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Einsprüche unter anderem von Züchter-
verbänden, Unternehmen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen gegen
besonders strittige Patenterteilungen des EPA eingereicht. Diese Einsprüche
betreffen Patenterteilungen mit zu weit reichenden Patentansprüchen auf Pflan-
zen (wie Sojabohnen, Weizen, Sonnenblumen oder Brokkoli) oder auf Tiere
(wie Kühe oder Schweine) mit besonderen Eigenschaften, die entweder durch
gentechnische Verfahren oder durch Züchtungsverfahren von den Patent-
antragsstellern erzielt wurden. Weitere Streitfälle, die derzeit beim EPA verhan-
delt werden, betreffen Patentansprüche auf embryonale Stammzellen. Die
Große Beschwerdekammer des EPA hat im November 2008 – aus Anlass der

Entscheidung über den Patentanspruch der Wisconsin Alumni Research
Foundation (WARF), gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen des EPÜ
sowie auf die Biopatentrichtlinie – grundsätzlich entschieden, dass menschliche
Stammzellen, die mittels Zerstörung menschlicher Embryonen gewonnen wer-
den, nicht patentierbar sind. Die Kammer beruft sich dabei auf die Konkretisie-
rung des allgemeinen Patentierungsausschlusses auf Grund der öffentlichen
Ordnung und der guten Sitten gemäß Artikel 53a EPÜ und der Regel 28 der

Drucksache 16/11604 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ausführungsordnung des EPÜ, die Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Bio-
patentrichtlinie übernommen hat.

Damit hat das unermüdliche ehrenamtliche Engagement einer kritischen
Öffentlichkeit Erfolg gehabt. Zu beklagen ist aber hier, dass das Kontrollsystem
gegen Biopatente erst nach Intervention Dritter – die mit hohen finanziellen
Belastungen durch Amtsgebühren und Anwaltskosten rechnen müssen, was
besonders für kleine und mittelständische Unternehmen sehr belastend ist – zu
der erforderlichen Klarstellung und Einschränkung des zunächst gewährten
Patentes führte.

Die Vielzahl der strittigen Patenterteilungen, die sich in entsprechenden Ein-
sprüchen, Einspruchsbeschwerden und nationalen Nichtigkeitsklagen wider-
spiegelt, macht deutlich, dass ein dringender regulatorischer Handlungsbedarf
besteht und es nicht ausreicht, auf eine Selbstregulierung durch das EPA zu
vertrauen. Vielmehr muss die Biopatentrichtlinie verbessert und die Interpreta-
tionslücken, auf deren Basis das EPA strittige Biopatente wie zum Beispiel auf
biologische Züchtungsverfahren oder embryonale Stammzellen erteilt hat, ge-
schlossen werden.

Über den Rechtsrahmen der Europäischen Union hinaus muss auch bei inter-
nationalen Verträgen und Rahmenrichtlinien wie zum Beispiel der Biodiversi-
tätskonvention (CBD) und des WTO-TRIPS-Abkommens ein Gleichgewicht
zwischen den Interessen der Entwicklungs- und Industrieländern im Umgang
mit genetischen Ressourcen hergestellt wird. Es muss sichergestellt werden,
dass die Interessen dieser Länder an einer Nutzung ihrer genetischen Ressour-
cen nicht übergangen werden. So wurden z. B. auf der CBD-Vertragsstaaten-
konferenz im April 2002 die „Bonner Leitlinien über den Zugang zu gene-
tischen Ressourcen und die gerechte und ausgewogene Beteiligung an den
Vorteilen aus ihrer Nutzung“ verabschiedet. Darin werden die Vertragsparteien
aufgefordert, „Maßnahmen zu erwägen, die dazu ermutigen, das Ursprungsland
der genetischen Ressourcen und der traditionellen Kenntnisse, Innovationen
und Gebräuche eingeborener und ortsansässiger Gemeinschaften in Antrags-
verfahren für geistige Eigentumsrechte offenzulegen“. Hierzu gehört unter
anderem auch, im internationalen Patentrecht wie im Abkommen über handels-
bezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte (TRIPS-Abkommen) eine ver-
pflichtende Herkunftsangabe von verwendeten biologischen Ressourcen zu
verankern. Weiterhin muss im Patentrecht bei der Verwendung menschlicher
Gene, Zellen oder Organe ein effektiver Schutz des Persönlichkeitsrechts ge-
währleistet werden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt,

● dass Deutschland 2004 bei der nationalen Umsetzung der Biopatentrichtlinie
im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Einschränkungen vorgenommen
hat (siehe Bundestagsdrucksachen 15/1719, 15/4417 sowie 15/2657) – un-
ter anderem hinsichtlich der Einschränkung des Stoffschutzes bei mensch-
lichen Gensequenzen und im Bereich der Landwirtschaft. So hat nach natio-
nalem Recht der Landwirt das Recht, auch patentiertes Erntegut mit beson-
deren Eigenschaften zurückzubehalten und für die Wiederaussaat im eige-
nen Betrieb zu verwenden. Zudem werden Landwirte im Falle einer
zufälligen Verunreinigung ihres Saatguts, z. B. durch Pollenflug vom Nach-
baracker, vor patentrechtlichen Ansprüchen geschützt. Weiterhin ist das For-
schungsprivileg für Züchter ausgeweitet worden (Züchterprivileg);

● dass auch bei der EU-Kommission das Bewusstsein für kritische Fragen der
Patentierung von biologischem Material wächst. Dies ist den Berichten der
EU-Kommission über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patent-

rechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie zu entnehmen, die sie im
Rahmen der Berichtspflicht entsprechend dem Artikel 16 der Biopatentricht-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11604

linie (98/44/EG) bisher vorgelegt hat (Kommissionsberichte KOM(2002)
545 und KOM(2005) 312). So stellte die Kommission bereits in ihrem letz-
ten Bericht zur Biopatentrichtlinie (KOM(2005) 312) fest, dass es sowohl in
wirtschaftlicher als auch unter ethischen Aspekten neue Argumente gibt, die
bei der Erteilung von Patenten im Bereich der Biotechnologie und Gen-
technik zu beachten sind;

● dass auch das Europäische Parlament am 26. Oktober 2005 eine Ent-
schließung zu Patenten für biotechnologische Erfindungen (P6_TA-PROV
(2005)0407) gefasst hat und darin unter anderem verlangt, dass Patente auf
menschliche Gensequenzen nur in Verbindung mit einer konkreten Anwen-
dung erteilt werden dürfen und die Kommission aufgefordert wird, beim
Patentrecht für biotechnologische Erfindungen die ethischen Aspekte und
die möglichen Folgen für die Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit gesund-
heitlicher Versorgung und die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen;

● dass auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirt-
schaft und Technologie in einer Stellungnahme vom 24. März 2007 zum
Thema „Patentschutz und Innovation“ unter anderem darauf hinweist, dass
die Kontrollsysteme des EPA nur unzureichend funktionieren und darum
verbessert werden müssten, dass die „Entzifferung“ von Gensequenzen
gesamtwirtschaftlich nur von geringem Interesse sei, wohingegen ihre Ver-
wendung in neuen Medikamenten großen wirtschaftlichen Nutzen stiften
könne und darum vor einem zu starken Patentschutz, der letztlich Innovatio-
nen behindert, warnt;

● die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patent-
amtes im November 2008, dass menschliche Stammzellen, die mittels Zer-
störung menschlicher Embryonen gewonnen werden, nicht patentierbar sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich auf europäischer Ebene für eine Verbesserungen der Biopatentrichtlinie
98/44/EG einzusetzen, so dass insbesondere

1. Patente auf Gene nur in Verbindung mit einer konkreten Anwendung
erteilt werden können und der Geltungsbereich der Patente auf diese
konkrete Anwendung begrenzt wird, so dass andere Anwender die
gleiche DNA-Sequenz für andere Anwendungen nutzen und patentieren
lassen können (zweckgebundener Schutz);

2. Interpretationsspielräume hinsichtlich der Patentierbarkeit von biologi-
schen Verfahren geschlossen werden; so muss u. a. klargestellt werden,
dass auf Verfahren, die auf natürliche Phänomene wie Kreuzung und
Selektion basieren, keine Patente erteilt werden dürfen – und zwar auch
dann, wenn die Verfahren zwar nicht vollständig, aber im Wesentlichen
auf Kreuzung und Selektion basieren. Weiterhin muss ausgeschlossen
werden, dass sich der Schutzbereich von Züchtungsverfahren auf die Ver-
fahrensprodukte erstreckt;

3. Patente auf Pflanzen und Tiere nicht erteilt werden können;

● sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-Kommission im
Rahmen ihrer jährlichen Berichtspflicht die Entwicklungen von Patenten im
Bereich der Biotechnologie, die ethischen Aspekte sowie die Folgen für die
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und die Folgen für die Zugänglich-
keit und Erschwinglichkeit gesundheitlicher Versorgung berücksichtigt;

● sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass diese die in ihrem
ersten Bericht nach Artikel 16c der Biopatentrichtlinie (KOM(2002) 545)

angekündigte Expertengruppe für die ethischen Fragen im Rahmen der Bio-
patentrichtlinie einrichtet;

Drucksache 16/11604 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich dafür einzusetzen, dass das Europäische Patentübereinkommen darauf-
hin überprüft wird, wie die Kontrollmöglichkeit und Transparenz beim EPA
verbessert sowie eine kontinuierliche, institutionelle und unabhängige bio-
ethische Beratung des EPA sichergestellt werden kann;

● einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der
Biotechnologie vorzulegen, u. a. inwiefern die ausreichende Technizität bei
Biopatenten überprüft und sichergestellt wurde, welche Auswirkungen Bio-
patente im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung sowie hinsichtlich Inno-
vationen im medizinischen Bereich haben sowie hinsichtlich ethischer
Aspekte wie zum Beispiel der Patentierung von embryonalen Stammzellen;

● sich bei allen internationalen Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die
verschiedenen internationalen Verträge in den Bereichen biologische Viel-
falt, biologische Sicherheit und Schutz des geistigen Eigentums ein Verbot
der Patentierung von Pflanzen und Tieren beinhalten.

Berlin, den 14. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Praxis der Erteilung von Biopatenten durch das Europäische Patentamt
(EPA) hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die Formulierungen der EU-Bio-
patentrichtlinie Interpretationsspielräume bietet, die zur Erteilung von zu weit
reichenden Patenten auf menschliche, tierische und pflanzliche Gene sowie auf
biologische Züchtungsverfahren und embryonale Stammzellen führen. Diese
Interpretationsspielräume müssen dringend beseitigt werden.

So gewährt die Biopatentrichtlinie zu weit reichende Patentansprüche auf
menschliche, tierische und pflanzliche Gensequenzen und ignoriert dabei, dass
Gensequenzen von chemischen Stoffen unter anderem aus folgenden Gründen
klar zu unterscheiden sind:

● ihre wichtigste Funktion ist der informationelle und nicht der stoffliche
Charakter;

● sie sind multifunktional – das heißt ein Gen kann z. B. für mehrere Proteine
codieren; das alte Dogma „ein-Gen-ein-Protein“, auf dem die Biopatent-
richtlinie basiert, ist wissenschaftlich schon längst überholt;

● sie sind eine begrenzte Ressource – während man früher davon ausging,
dass der Mensch rund 100 000 Gene hat, weiß man heute, dass es wahr-
scheinlich nur rund 25 000 bis 30 000 Gene gibt.

Nach der Biopatentrichtlinie ist es ausreichend, wenn der Antragsteller in der
Beschreibung seiner Patentanmeldung lediglich eine Funktion des offenbarten
Gens angibt; die erteilten Patentansprüche müssen aber nicht hinsichtlich dieser
spezifischen Funktion limitiert werden. Auf diese Weise erstreckt sich der
Schutzbereich der erteilten Patente auf zahlreiche weitere Funktionen und Ver-
wendungen, die nicht im Patent beschrieben sind und oftmals erst später von
Dritten gefunden werden. Dies führt zu einer ungerechtfertigten und inno-
vationsfeindlichen „Vorratspatentierung“ und zu Monopolen einzelner For-
scher/Forscherinnen oder Firmen auf Gene. Solche finanziellen Vorteile, die
weit über die angemessene Erfinderbelohnung hinausgehen, behindern künftige

Forschung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11604

Auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie warnt in einer Stellungnahme vom März 2007, dass rein strategi-
sche Patentansprüche Innovationen nicht fördern, sondern hemmen können:
„Folgeerfindungen oder Anwendungen können aber oft von größerem sozialen
Nutzen sein als die Ersterfindung. So ist die ‚Entzifferung‘ von Gensequenzen
per se gesamtwirtschaftlich nur von geringem Interesse, wohingegen ihre Ver-
wendung in neuen Medikamenten großen wirtschaftlichen Nutzen stiften kann.
Erhält der Ersterfinder zu starken Patentschutz, so müssen Folgeerfinder Lizen-
zen für die Nutzung der Ersterfindung erwerben. Wenn Lizenzierung – wie em-
pirisch vielfach beobachtet – mit hohen Transaktionskosten einhergeht, können
Folgeerfindungen verzögert auftreten oder ganz ausbleiben.“ (wissenschaft-
licher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; Stel-
lungnahme Patentschutz und Innovation vom 24. März 2007, S.13).

Um einer innovationshemmenden Vorratspatentierung Einhalt zu gebieten,
muss darum der Stoffschutz in der Biopatentrichtlinie auf ihre gewerbliche An-
wendbarkeit hin eingeschränkt werden, unabhängig davon, ob es sich um
menschliche, tierische oder pflanzliche Gensequenzen handelt. Selbstverständ-
lich muss auch hier das Patentierungserfordernis gelten, dass diese Verwendung
in den ursprünglich eingereichten Unterlagen der Patentanmeldung explizit
offenbart wurde.

Besonders problematisch sind Patentansprüche im Bereich der Pflanzen- und
Tierzüchtung. Schon seit einigen Jahren warnen Pflanzen- und Tierzuchtver-
bände, auch der Deutsche Bauernverband vor der Gefahr, dass angesichts der
derzeitigen Patentierungspraxis durch das EPA langfristig ein unzulässiger
Monopolanspruch weniger Konzerne auf Pflanzen und Tiere die Züchtung ein-
geschränkt und die Landwirtschaft somit ihrer Produktionsgrundlagen beraubt
wird. Auch im internationalen Raum beklagen zunehmend Agrarforschungs-
zentren und Pflanzenzüchter, dass die Züchtung durch Biopatente unbezahlbar
wird und in den letzten Jahren bereits stark zurückgegangen sei. Im Saatgut-
bereich ist schon heute als Folge einer zunehmenden Patentierung von Pflanzen
eine starke Konzentration auf einzelne Privatfirmen zu beobachten. Das führt
zu einer Verstärkung der wirtschaftlichen Kontrolle der Landwirtschaft durch
einzelne Firmen, während die Züchtung insgesamt rückläufig ist. Die freie Ver-
fügbarkeit von genetischen Ressourcen für die Züchtung ist aber wichtig, auch
und vor allem für die Sicherung der Welternährung.

Ursprünglich sollte mit der Richtlinie unter anderem die Patentierbarkeit von
Pflanzensorten und Tierrassen sowie von biologischen Züchtungsverfahren
verhindert werden. Ein klares Verbot der Patentierbarkeit von Pflanzensorten
und Tierrassen entspricht auch dem Europäischen Patentübereinkommen. Arti-
kel 4 der Biopatentrichtlinie enthält auch eine entsprechende Ausnahme von
Pflanzensorten und Tierrassen von der Patentierbarkeit. Trotzdem hat das EPA
in Auslegung der EU-Richtlinie in den letzten Jahren Patente auf Pflanzen er-
teilt. Obwohl Pflanzensorten wie zuvor ausgeführt nicht patentierbar sind, wer-
den diese von den Patentansprüchen mit abgedeckt, gerade weil sie sich nicht
auf spezifische Sorten beschränken. Dies entspricht einer Interpretation der
Richtlinie durch das EPA, wonach im übertragenen Sinn Südfrüchte patentiert
werden können, Orangen aber nicht. Hier ist der Gesetzgeber gefordert klarzu-
stellen, dass diese Auslegung der Biopatentrichtlinie nicht in seinem Sinn ist.

Wichtig ist auch, sowohl im EU-Recht als auch im nationalen Patentrecht klar-
zustellen, dass biologische Verfahren vom Patentschutz ausgeschlossen sind,
wenn nicht zumindest ein technisches Verfahrensmerkmal erfindungsentschei-
dend ist. Auch hier ist in letzter Zeit verstärkt eine bedenkliche Erteilungspraxis
des EPA zu beobachten, die auf Interpretationsspielräume der Biopatentricht-

linie zurückzuführen sind. So werden immer wieder Patente auf marker-
gestützte Züchtungsverfahren erteilt, obwohl die beanspruchten Verfahren auf

Drucksache 16/11604 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

im Wesentlichen biologischen Verfahrensschritte – Kreuzung und Selektion –
zur Züchtung zurückgreifen und die hierfür verwendeten technischen Hilfs-
mittel – beispielsweise bereits bekannte Gensequenzen – lediglich trivialer
Natur sind. Höchst bedenklich erscheint insbesondere, wenn sich die erteilten
Patente auch auf die Verfahrensprodukte erstrecken, die von natürlich vor-
kommenden Pflanzen oder Tieren nicht unterscheidbar sind oder diese gar
umfassen.

Darüber hinaus ist – worauf unter anderem auch das Europäische Parlament in
einer Entschließung vom 26. Oktober 2005 zu Biopatenten hinweist – im Euro-
päischen Patentübereinkommen (EPÜ) die Patentierung von menschlichen
embryonalen Stammzellen, die aus der verbrauchenden Nutzung und damit der
Zerstörung menschlicher Embryonen gewonnen werden, verboten (Regel 28d
der Ausführungsordnung EPÜ). Auch werden Erfindungen vom Patentschutz
ausgeschlossen, deren Verwertung gegen die guten Sitten verstößt (Artikel 53a
EPÜ). Patente auf embryonale Stammzellen berühren ethische Werte, die auf
elementare und grundlegende europäische Wertvorstellungen zurückzuführen
sind und diese dürfen demnach laut Artikel 53a EPÜ nicht wirtschaftlichen In-
teressen untergeordnet werden. Auch die Charta der Grundrechte der Europäi-
schen Union (2000/C 364/01) und das Übereinkommen über Menschenrechte
und Biomedizin vom 4. April 1997 verbieten die kommerzielle Verwertung des
menschlichen Körpers.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.