BT-Drucksache 16/11279

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/5290- Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei Zertifikaten stärken

Vom 4. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11279

Bericht der Abgeordneten Leo Dautzenberg, Ortwin Runde und Dr. Gerhard Schick

A. Allgemeiner Teil
I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/5290 in
seiner 100. Sitzung am 24. Mai 2007 dem Finanzausschuss
federführend sowie dem Rechtsausschuss und dem Aus-
schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz zur Mitberatung überwiesen.

Die mitberatenden Ausschüsse haben die Vorlage in ihren
Sitzungen am 23. April 2008 behandelt.

Der Finanzausschuss hat den Antrag in seiner 68. Sitzung
am 19. September 2007 erörtert und seine Beratung in der
90. Sitzung am 23. April 2008 fortgesetzt. In der 110. Sit-
zung am 3. Dezember 2008 hat er die Erörterung der Vor-
lage abgeschlossen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag wird darauf verwiesen, dass der Markt für
Zertifikate in den zurückliegenden Jahren lebhaft gewach-
sen sei und das Marktsegment zum ganz überwiegenden

genommen werden. Das Bonitätsrisiko sei dadurch zu be-
grenzen, dass Mindestanforderungen beispielsweise für das
haftende Eigenkapital oder die Einstufung durch renom-
mierte Rating-Agenturen, bestimmt werden. Anbietern mit
geringer Bonität solle die Möglichkeit des öffentlichen An-
gebots von Zertifikaten untersagt werden. Ferner sei sicher-
zustellen, dass über Zertifikate nicht die Umgehung von
Anlegerschutzmechanismen ermöglicht werde. Deshalb
dürfte bei Basiswerten, deren direkter Vertrieb Einschrän-
kungen zugunsten des Anlegerschutzes unterliege, diese
Einschränkungen über ein abgeleitetes Zertifikat nicht um-
gangen werden. Der Handel mit Zertifikaten sei darüber hi-
naus transparenter zu gestalten, in dem wie bei Aktien eine
umfassende Vor- und Nachhandelstransparenz sowohl an
organisierten Märkten als auch bei außerbörslichen Han-
delsplattformen gesetzlich verankert werde. Ferner sei die
kontinuierliche Quotierungspflicht der Anbieter einzufüh-
ren, um stets den Handel mit Zertifikaten zu den vereinbar-
ten Handelszeiten zu möglichen. Ausnahmen hiervon seien
nur für außergewöhnliche Marktsituationen vorzusehen.
Werden Quotes unter Hinweis auf technische Komplikatio-
erleichtern soll eine Klassifizierung durch die Anbieter vor-
16. Wahlperiode 04. 12. 2008

Bericht*
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Bärbel
Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/5290 –

Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei Zertifikaten stärken
Teil von Privatanlegern genutzt werde. Indes seien die Rah-
menbedingungen für die Anleger teilweise verbesserungs-
fähig. Der Emittent von Zertifikaten solle bei der Emission
einen vereinfachten, rechtlich verbindlichen Prospekt erstel-
len. Der oftmals mangelhaften Kostentransparenz sei entge-
genzutreten. Um die Vergleichbarkeit von Zertifikaten zu

nen mit zeitlicher Verzögerung gestellt, seien die entstande-
nen Schäden den Anlegern zu ersetzen. Schließlich seien
die Regelungen für die Behandlung von fehlerhaften Han-
delsgeschäften mit Zertifikaten (Mistrade-Regelungen) an
internationale Standards anzupassen. Das Vorliegen eines
Mistrades sei klar zu definieren und bestehende Ermessens-

* Die Beschussempfehlung wurde auf Drucksache 16/11226 gesondert verteilt.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss empfiehlt mit der Mehrheit der Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie mit den
Stimmen der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
den Antrag abzulehnen.

Die Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
nahm im Verlauf der Erörterung auf den vom Ausschuss zu
den Beratungen über den Entwurf des Finanzmarktricht-
linie-Umsetzungsgesetzes vorgelegten Bericht Bezug (Bun-
destagsdrucksache 16/4899, S. 7). Sie verdeutlichten zu
Beginn der Ausschussberatungen, dass die Entwicklung des
Handels mit Zertifikaten der weiteren Beobachtung bedürfe
und voreiliges Handeln nicht angemessen sei. Die Frage der
Qualität der Anlageberatung in Einzelfällen im Hinblick auf
die nunmehr durch die globale Finanzmarktkrise eingetre-
tene Entwicklung der Zertifikateanlagen mit den im vorlie-
genden Antrag dargelegten Forderungen zu verbinden stelle
sich als Vermischung nicht übereinstimmender Fragestel-
lungen dar. Die Koalitionsfraktionen wiesen darauf hin, mit
der Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie
(MiFID) würden detaillierte Regelungen zum Bereich der
Anlageberatung bei aktienvertretenden Zertifikaten getrof-
fen. Darüber hinaus bestehe, unabhängig von den Vorgaben
der MiFID, an verschiedenen deutschen Börsenplätzen Vor-
und Nachhandelstransparenz im Zertifikatehandel. Ferner
sehe das Wertpapierhandelsgesetz inzwischen eine Risiko-
klasseneinteilung für die Anleger vor. Andere Gesichts-
punkte des Antrags namentlich zum Prospektrecht würden
Fragen der EU-Rechtskonformität aufwerfen. Zur Mistrade-
Regelung merkten die Koalitionsfraktionen an, dass neben
der Tatsache, dass lediglich 0,003 Prozent der Fälle betrof-
fen seien, auch die gesetzliche Definition solcher Mistrades
erhebliche rechtliche Schwierigkeiten aufweise.

zes bei Zertifikaten vorangebracht werde. Die Fraktion der
FDP verdeutlichte, es sei zweifelhaft, dass lediglich auf der
Grundlage von Dokumentationen und schriftlichen Materia-
len der Verbraucherschutz das erforderliche Ausmaß er-
lange. Insofern sei bereits der mit der MiFID verfolgte An-
satz zweifelhaft. Die Fraktion der FDP befürwortete diffe-
renzierte Haftungsregelungen für die Beratungsleistung des
Verkäufers sowie mit Blick auf die mit der Kapitalanlage
verbundenen Risiken. Die Herstellung weiter gehender
Transparenz auf Seiten der Emittenten allein werde den
Anlegerschutz bei Zertifikaten jedenfalls nicht ausreichend
bewirken.

Die Fraktion DIE LINKE. begrüßt die mit dem Antrag
verbundene Zielrichtung. Indes seien die mit der Vorlage
unterbreiteten Vorschläge im Hinblick auf Transparenz und
Verbraucherschutz nicht weitgehend genug.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläuterte zu
ihrem Antrag, bei der Erörterung der Umsetzung der MiFID
sei bereits die Behandlung von Zertifikaten angesprochen
worden. Der Zertifikatemarkt stelle ein Marktsegment von
inzwischen erheblicher Bedeutung insbesondere für Privat-
anleger dar. Vielen Anlegern sei erst mit der aktuellen Welt-
finanzkrise und dem nach der Insolvenz der US-Investment-
bank Lehman Brothers eingetretenen Totalverlust der von
der US-Bank begebenen Zertifikate die Risikohaftigkeit der
Anlageform bewusst geworden. Die Verluste beträfen nicht
nur sachkundige Anleger, sondern in hoher Zahl auch lebens-
ältere Kleinanleger. Diese sollten in die Lage versetzt wer-
den, selbständig die Eignung der Anlageprodukte für ihre
persönliche Finanzlage abschätzen zu können. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach sich vor diesem Hin-
tergrund dafür aus, eine höhere Kosten- und Handelstrans-
parenz bei Zertifikaten herzustellen. Zudem sei deutlicher
auf das bestehende Bonitätsrisiko auf Seiten des Emittenten
hinzuweisen.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Leo Dautzenberg
Berichterstatter

Ortwin Runde
Berichterstatter

Dr. Gerhard Schick
Berichterstatter
Drucksache 16/11279 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

spielräume zugunsten der Marktbetreiber seien durch kon-
krete und objektiv nachvollziehbare Schwellenwerte zu er-
setzen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfehlen je-
weils mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und SPD sowie der Fraktion der FDP gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. und der antragstellenden
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des
Antrags.

Insgesamt sei mit der seit der Vorlage des Antrags beständig
zunehmenden Krise auf den Weltfinanzmärkten die Ziel-
richtung einer parlamentarischen Behandlung zu überden-
ken. Die mit der Vorlage unterbreiteten Maßnahmen im Be-
reich des Verbraucherschutzes seien angesichts dieser Situa-
tion nicht mehr angemessen. Durch zusätzliche Transparenz
auf der Grundlage von Wertpapierprospekten werde der
Schutz der Verbraucher nicht hinreichend verbessern.

Die Fraktion der FDP begrüßte, dass über die Vorlage des
Antrags die parlamentarische Erörterung des Anlegerschut-

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