BT-Drucksache 16/11250

zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/9779- Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen in der Demokratischen Republik Kongo unverzüglich wirksam bekämpfen

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11250
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk,
Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/9779 –

Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen in der Demokratischen Republik Kongo
unverzüglich wirksam bekämpfen

A. Problem

Die Antragsteller stellen fest, dass Frauen auch fünf Jahre nach dem offiziellen
Ende des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo noch immer Opfer
beispiellos brutaler sexualisierter Gewalt sind. Besonders betroffen sind Frauen
in den Provinzen des Ostkongo, in denen weiterhin gekämpft wird. Die Gewalt
macht auch vor Mädchen und sogar Säuglingen nicht halt. Diese sexualisierte
Gewalt geht vor allem von bewaffneten Gruppen wie der „Forces Démocra-
tiques de Libération du Rwanda“ (FDLR) und den aus Ruanda geflohenen Hutu-
Milizen aus, die sich nach wie vor im Ostkongo aufhalten und die Bevölkerung
terrorisieren. Andere Milizen und Angehörige der Armee üben ebenfalls derar-
tige Gewalt aus. Durch die gezielte Entwürdigung der Frauen zerstören die
feindlichen Gruppen die Familienstrukturen und Dorfgemeinschaften.

Nach Auffassung der Antragsteller ist die VN-Friedensmission MONUC (Mis-
sion der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo) an den
Brennpunkten sexualisierter Gewalt völlig unterrepräsentiert. Schlimmer noch,
so die Antragsteller, seien Soldaten der MONUC sogar selbst immer wieder an
sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen oder der Prostitution Minderjähriger
beteiligt. Zudem fokussierten Maßnahmen zur Reform des Sicherheitssektors
und des Polizeiaufbaus, wie die der EU (EUSEC und EUPOL), das Thema
sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen nur mangelhaft. Im Übrigen herrsche für
Vergewaltiger in der Demokratischen Republik Kongo faktisch Straffreiheit.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert,
● ihre Verpflichtungen aus den VN-Resolutionen 1325 und 1820 zu erfüllen
und die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen mit allen erforderlichen Mit-
teln wirksam zu bekämpfen;

● sich innerhalb der VN dafür einzusetzen, dass Schulungen des MONUC-Per-
sonals vorangetrieben werden und dass dieses Personal gezielter an den
Brennpunkten sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen eingesetzt wird;

Drucksache 16/11250 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich innerhalb der VN und gegenüber der kongolesischen Regierung dafür
einzusetzen, dass die Entwaffnung und Demobilisierung der marodierenden
Gruppen endlich umgesetzt wird;

● sich gegenüber der kongolesischen Regierung dafür einzusetzen, dass straf-
fällige Militärangehörige strafrechtlich verfolgt werden und sie einen Veri-
fizierungsmechanismus einrichtet, der sicherstellt, dass keine Offiziere in
Führungspositionen gelangen, die in Verbindung mit Vergewaltigungen und
kriminellen Aktivitäten stehen;

● innerhalb der VN und der EU darauf zu drängen, dass das kongolesische
Militär- und Polizeipersonal im Rahmen gesonderter Programme geschult
wird, die das Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen und effektiver
Schutz von Zivilisten, wie auch den Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern lokaler Hilfsorganisationen vor gewalttätigen Übergriffen zum Inhalt
haben;

● selbst mehr Fachpersonal vor allem zu EUSEC und EUPOL zu entsenden;

● die kongolesische Regierung und Politikerinnen und Politiker im Kongo zu
drängen, ein angemessenes Handlungskonzept zur Bekämpfung von sexuali-
sierter und sexueller Gewalt gegenüber Frauen vorzulegen und den bilatera-
len Dialog mit der kongolesischen Regierung intensiv zu nutzen, ihn um das
Schwerpunktthema sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen zu ergänzen;

● sich für eine konzertierte Zusammenarbeit von VN, AU (Afrikanische
Union) und EU hinsichtlich der Frage sexualisierter Gewalt gegenüber
Frauen einzusetzen;

● sich innerhalb der VN für eine angemessene Umsetzung des humanitären
Aktionsplans für den Kongo einzusetzen und sich an der geplanten Arbeits-
gruppe der VN zur Bearbeitung sexualisierter Gewalt im Kongo zu betei-
ligen;

● sich gegenüber der kongolesischen Regierung dafür einzusetzen, dass sie
eine spezielle Polizeieinheit zur Verfolgung sexualisierter Gewalt gegenüber
Frauen aufstellt;

● Mittel des Friedensfonds gezielt für Frauen einzusetzen, die Opfer sexuali-
sierter Gewalt wurden und hierzu lokale Hilfsorganisationen und ihre Helfe-
rinnen und Helfer, die Opfer von sexueller Gewalt betreuen und beraten, zu
unterstützen;

● Mittel des Friedensfonds gezielt auch für Frauen einzusetzen, die sich auf-
grund von Vergewaltigungen mit HIV infiziert haben;

● misshandelten Frauen verstärkt den Zugang zu medizinischer, psycholo-
gischer und juristischer Unterstützung zu ermöglichen und hierzu einen
speziellen Unterstützungsfonds einzurichten;

● insbesondere für nach einer Vergewaltigung schwanger gewordenen Frauen
einen einfachen Zugang zu Abtreibungen zu schaffen;

● spezielle Programme zu psychosozialen Schulungen für Krankenhausperso-
nal sowie Programme zur Förderung der erforderlichen Ausbilderinnen anzu-
stoßen und zu fördern;

● verstärkt spezielle Integrationsprogramme für Kinder, die aus Vergewal-
tigungen hervorgegangen sind, zu fördern;

● sich gegenüber der kongolesischen Regierung dafür einzusetzen, bestehende
Gesetze gegen Gewalt an Frauen anzuwenden;
● die kongolesische Regierung zu einer Justizreform zu drängen und zu unter-
stützen, damit die Strafverfolgung wirksamer wird und dass Inhalte des

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11250

Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in nationales kongolesisches
Recht überführt werden, damit systematische Sexualverbrechen als Ver-
brechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgt werden
können;

● aufgrund des Ausmaßes sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen im Kongo
in besonders schweren Fällen, Verfahren vor dem Internationalen Straf-
gerichtshof anzustrengen;

● die kongolesische Regierung zu drängen, Programme zum Opfer- und
Zeugenschutz zu entwickeln und umzusetzen und sie dabei finanziell und
beratend zu unterstützen, damit Opfer von sexualisierter Gewalt ihre Fälle
vor Gericht bringen können;

● die kongolesische Regierung bei der strafrechtlichen Verfolgung sexualisier-
ter Straftaten gegenüber Frauen finanziell und beratend zu unterstützen;

● lokale Frauenrechtsorganisationen finanziell zu unterstützen, damit diese ge-
zielter Lobbyarbeit gegenüber Regierungsstellen sowie Politikerinnen und
Politikern betreiben können.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/11250 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9779 abzulehnen.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Der Auswärtige Ausschuss

Ruprecht Polenz
Vorsitzender

Anke Eymer (Lübeck)
Berichterstatterin

Brunhilde Irber
Berichterstatterin

Marina Schuster
Berichterstatterin

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11250

Bericht der Abgeordneten Anke Eymer (Lübeck), Brunhilde Irber, Marina Schuster,
Wolfgang Gehrcke und Marieluise Beck (Bremen)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache

FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung.

Berlin, den 3. Dezember 2008
Anke Eymer (Lübeck)
Berichterstatterin

Brunhilde Irber
Berichterstatterin

Marina Schuster
Berichterstatterin
16/9779 in seiner 187. Sitzung am 13. November 2008 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem
Auswärtigen Ausschuss, zur Mitberatung dem Verteidi-
gungsausschuss, dem Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, dem Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe, dem Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung und dem Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Verteidigungsausschuss hat den Antrag in seiner
95. Sitzung am 3. Dezember 2008 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Antrag in seiner 71. Sitzung am 3. Dezember 2008
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der FDP die Ablehnung.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag in seiner 73. Sitzung am 3. Dezember 2008
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Abwesenheit der Frak-
tion DIE LINKE. die Ablehnung.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 76. Sitzung am 3. De-
zember 2008 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der
SPD die Ablehnung.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag in seiner 74. Sitzung am 3. Dezember
2008 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 76. Sit-
zung am 3. Dezember 2008 beraten und empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE.
gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung.

Der nachstehend aufgeführte von der Fraktion DIE LINKE.
eingebrachte Änderungsantrag wird mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. ab-
gelehnt.

Änderungsantrag

der Vertreter/innen der Fraktion DIE LINKE. im Auswärti-
gen Ausschuss

Zum Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln),
Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
– Drucksache 16/9779 –

Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen in der Demokratischen
Republik Kongo unverzüglich wirksam bekämpfen

Wir beantragen, den Antrag wie folgt zu ändern:

Punkt II: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf …“, Absatz 1: … „ihre Verpflichtungen aus den
VN-Resolutionen 1325 und 1820 zu erfüllen und die sexua-
lisierte Gewalt gegenüber Frauen mit allen erforderlichen
zivilen Mitteln zu bekämpfen …“

Begründung:

Die Formulierung „mit allen erforderlichen Mitteln be-
kämpfen“ kann auch militärische Optionen zur Bekämpfung
von sexueller Gewalt einschließen. Erfahrungsgemäß erhöht
die Anwesenheit militärischer Kräfte jedoch die sexuelle
Gewalt. Auch im Kongo haben UN-Soldaten sich durch Aus-
übung sexueller Gewalt bereits strafbar gemacht.

Berlin, den 3. Dezember 2008
Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)
Berichterstatterin

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