BT-Drucksache 16/1124

Hartz IV weiterentwickeln - Existenzsichernd, individuell, passgenau

Vom 4. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1124
16. Wahlperiode 04. 04. 2006

Antrag
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Irmingard Schewe-Gerigk,
Cornelia Behm, Dr. Thea Dückert, Kai Boris Gehring, Katrin Göring-Eckardt,
Britta Haßelmann, Peter Hettlich, Ute Koczy, Undine Kurth (Quedlinburg), Monika
Lazar, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar
von Neuforn, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hartz IV weiterentwickeln – Existenzsichernd, individuell, passgenau

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Ziel der Arbeitsmarktreformen der 15. Wahlperiode und insbesondere von
Hartz IV war es, die Zugangschancen von Langzeitarbeitslosen zum ersten
Arbeitsmarkt durch umfangreiche Betreuung, passgenaue Hilfsangebote und
eine effektive Vermittlung zu verbessern. Dieses Ziel muss auch in der 16. Wahl-
periode verbindliche Leitlinie der Arbeitsmarktpolitik bleiben. Eine Rückkehr
zu Transfersystemen, die auf Aktivierung verzichten und durch den Versuch der
Lebensstandardsicherung Arbeitslosigkeit zementieren statt sie zu überwinden,
würde demgegenüber einen Rückschritt bedeuten.

Aber auch die von der Regierung bereits umgesetzten und darüber hinaus an-
gekündigten Leistungsbeschränkungen führen zu sozialen Verwerfungen und
schmälern damit die Akzeptanz der Arbeitsmarktreformen. Die beschlossene
Absenkung des Rentenbeitrages für Erwerbslose weckt bei den Betroffenen die
Angst vor Altersarmut. Die im Zusammenhang mit den Leistungseinschränkun-
gen von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD forcierte Missbrauchsdebatte
hat zusätzlich zu einer Stigmatisierung von Arbeitslosengeld-II-Empfängerin-
nen und -Empfängern geführt. Der Zweck der kurzfristigen Mitteleinsparung
darf nicht das Ziel in den Hintergrund drängen, Langzeitarbeitslosigkeit zu re-
duzieren und Brücken in Erwerbstätigkeit zu bauen.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss stattdessen zu einem verläss-
lichen Hilfesystem weiterentwickelt werden, das armutsfest ist, die Autonomie
der Leistungsempfänger achtet und die Integration in den Arbeitsmarkt fördert.
Das Arbeitslosengeld II (ALG II) muss die Existenzsicherung zuverlässig ge-
währleisten, schnell, unbürokratisch und diskriminierungsfrei bei Bedürftigkeit
zur Verfügung stehen. Die Träger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

(SGB II) müssen die Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfänger umfassend un-
terstützen, passgenaue und qualifizierte Beratung für Notlagen und soziale
Probleme anbieten, den Weg in den Arbeitsmarkt durch Qualifizierung, Vermitt-
lung und Fördermaßnahmen ebnen und Hilfebedürftigkeit präventiv verhin-
dern.

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Die Einführung des Arbeitslosengeldes II zu Beginn des Jahres 2005 hat zu einer
der umfassendsten Reformen der Arbeitsverwaltung und der Sozialbehörden in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geführt. Dieser Prozess ist noch
nicht abgeschlossen. Er wird momentan zusätzlich belastet und verzögert durch
ungenügende Software zur Leistungsbearbeitung, übertriebene Controlling- und
Berichtspflichten der Arbeitsgemeinschaften gegenüber der Bundesagentur für
Arbeit und zahlreiche gesetzliche Änderungen im Leistungsrecht, die durch die
Fraktionen der CDU/CSU und SPD kurzfristig in Kraft gesetzt werden. Die
Folge davon ist ein zu hoher Personalaufwand in den Arbeitsgemeinschaften für
Verwaltungsaufgaben, unter dem die originäre Aufgabe der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, die Beratung und Förderung der Hilfeempfängerinnen und
Hilfeempfänger massiv leidet. Dieser Zustand muss zügig abgestellt werden.
Aber auch das Leistungsrecht und die arbeitsmarktpolitischen Instrumente müs-
sen schrittweise weiterentwickelt werden, um das SGB II als Hilfesystem, das
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und an der Arbeitswelt unterstützt,
dauerhaft in der Gesellschaft zu verankern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, die fol-
gende Anforderungen und Zielsetzungen durch ihre Aufsichtspflicht und eine
entsprechende Gesetzgebung zu erfüllen:

1. Das ALG II muss so ausgestaltet werden, dass es dem sozialstaatlichen Gebot
der Deckung des Existenzminimums für alle Menschen Rechnung trägt.

– Dafür muss eine generelle Überprüfung der Regelleistung im SGB II und
im SGB XII auf Grundlage der aktuellen Einkommens- und Verbrauchs-
stichprobe von 2003 für Gesamtdeutschland durchgeführt werden und die
Regelleistung in einem transparenten Verfahren angepasst werden.

– Die Haushaltskosten für Strom müssen künftig zu 100 Prozent in der Re-
gelleistung berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund der in den letzten
fünf Jahren überdurchschnittlich gestiegenen Stromkosten ist ein Festhal-
ten an den bislang vorgenommenen Abschlägen von 15 Prozent für Strom-
kosten in der Regelleistung nicht begründbar.

– Die mit der Gesundheitsreform 2004 gesetzlich vorgegebenen Zuzahlun-
gen und Leistungsausschlüsse müssen nachvollziehbar in der Regelleis-
tung berücksichtigt werden.

– Durch eine gesetzliche Regelung muss sichergestellt werden, dass atypi-
sche Bedarfe nach dem Vorbild des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch im
SGB II berücksichtigt werden können.

– Die Übernahme von Mietschulden im SGB II muss auch als Beihilfe und
nicht nur als Darlehen möglich sein. Zugleich muss gewährleistet werden,
dass auch für SGB-II-Berechtigte, die keine Leistungen für Unterkunft
und Heizung erhalten (sog. Nichtunterstützte) die Mietschuldenüber-
nahme möglich ist.

– Durch eine eindeutige Regelung zur Finanzierung der Babyerstaus-
stattung im SGB II muss die notwendige Unterstützung für junge Familien
sichergestellt werden.

– Die materielle Schlechterstellung von Kindern im Alter von über 7 Jahren
im Vergleich zur alten Sozialhilfe muss rückgängig gemacht werden.

2. Zur Verringerung der finanziellen Abhängigkeit in Partnerschaften ist eine
stärkere Entkoppelung des Hilfebezugs vom Partnereinkommen erforderlich.
In eheähnlichen Gemeinschaften dürfen Lebensgefährtinnen und Lebensge-

fährten nicht gezwungen werden, ihr Einkommen für den Bedarf der Kinder

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der Partnerinnen und Partner einzusetzen, wenn es nicht die gemeinsamen
sind.

3. Erwerbslose, die aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen kein
ALG II bekommen, müssen an allen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarkt-
politik teilhaben können, um ihre Rückkehr in die Erwerbstätigkeit unab-
hängig vom Leistungsbezug zu fördern und Hilfebedürftigkeit präventiv zu
vermeiden. Dasselbe gilt für Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer, deren
Förderung in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung hinter frühere Stan-
dards zurückgefallen ist.

4. Altersvorsorgevermögen muss umfassender geschützt werden, um eine ver-
lässliche Lebensplanung zu ermöglichen. Dafür muss das Konzept des Al-
tersvorsorgekontos eingeführt werden, das nicht mehr zwischen unterschied-
lichen Vorsorgearten unterscheidet und so angelegtes Vorsorgevermögen von
der Anrechnung ganz freistellt. Sinnvoll ist ein individuelles Altersvorsorge-
konto, auf dem 3 000 Euro pro Lebensjahr steuer- und anrechnungsfrei ange-
spart werden können.

5. Der Kinderzuschlag für Geringverdienende muss unbürokratischer gestaltet
und verbessert werden. Die Bedingungen müssen so geändert werden, dass
mehr Familien den Kinderzuschlag bekommen und so vor dem Abrutschen
in den Hilfebezug geschützt werden.

6. Begleitende soziale Hilfen, wie zum Beispiel die Wohnungslosenhilfe, müs-
sen von den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen in ausreichen-
dem Maße zur Verfügung gestellt werden. So muss beispielsweise Schulden-
beratung auch für diejenigen Leistungsempfänger gewährt werden, die auf-
grund von Kindererziehung oder der Pflege Angehöriger nicht unmittelbar
dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

7. Mit einer qualifizierten Hilfeplanung und dem Vorrang von Qualifizierung
und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsgelegenheiten vor Ein-Euro-Jobs
müssen Beschäftigungsfähigkeit hergestellt und die Überwindung von indi-
viduellen Problemlagen unterstützt werden.

8. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bzw. Arbeitsgele-
genheiten in der Entgeltvariante in Übergangsarbeitsmärkten zwischen ers-
tem und zweitem Arbeitsmarkt müssen ermöglicht werden. Im Bereich der
beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen stellen so
genannte Integrationsfirmen marktnahe Beschäftigung mit guten Integra-
tionschancen zur Verfügung. Dies muss in Zukunft auch im SGB II möglich
sein. Es muss Langzeiterwerbslosen ermöglicht werden, die gesamte Trans-
ferleistung ALG II mitsamt den Sozialversicherungsbeiträgen und eventuel-
len Zuschussbeträgen in ein Beschäftigungsverhältnis einzubringen. Dafür
müssen die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen und die Hürden zur
Nutzung der Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante beseitigt werden. So
genannte Drehtüreffekte zwischen dem Arbeitslosengeld II und der Arbeits-
losenversicherung müssen dabei vermieden werden.

9. Die öffentliche und die fachliche Konzentration auf das neue Leistungsrecht
SGB II übersieht, dass für Menschen mit Behinderungen das SGB IX weitaus
größere Bedeutung hat. Eine stärkere inhaltliche Verzahnung dieser beiden
Sozialgesetzbücher muss deshalb sichergestellt werden. Die Arbeitsgemein-
schaften und Optionskommunen müssen auch Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen nach dem SGB IX mit aus-
reichender Fachkompetenz vergeben können. Dies gilt auch für Leistungen,
die sich nicht ausschließlich auf den ersten Arbeitsmarkt konzentrieren (Leis-
tungen in Berufsbildungswerken, Berufsförderungswerken und vergleichba-

ren Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation). Die Trennung in erwerbs-

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fähig und nichterwerbsfähig ist für Menschen mit Behinderungen zu starr
und muss im SGB II durchlässiger werden. Nur so kann erreicht werden,
dass behinderte Menschen, die auf einem Außenarbeitsplatz einer Werkstatt
für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, probeweise oder zeitlich be-
fristet als reguläre Arbeitnehmer beschäftigt werden, ohne durch den Über-
gang von der WfbM in ein Arbeitsverhältnis zugleich den Rechtsanspruch
auf Erwerbsunfähigkeitsrente nach 20-jähriger Tätigkeit in einer WfbM zu
verlieren.

10. Eingliederungsleistungen für Leistungsempfänger mit einem erhöhten Ein-
gliederungsbedarf, wie zum Beispiel ältere Arbeitnehmer oder Menschen
mit gesundheitlichen Einschränkungen, müssen diesen im benötigten Um-
fang zur Verfügung gestellt werden. Die Integrationskosten dürfen nicht der
alleinige Maßstab dafür sein, wer Hilfen zur Integration in den Arbeitsmarkt
erhält und wer nicht.

11. Für ältere Arbeitslose müssen gezielte Vermittlungsaktivitäten und Qualifi-
zierungen zur Verfügung gestellt werden, die an die Berufserfahrungen der
Betreffenden anknüpfen und auf den Arbeitskräftebedarf von Betrieben
ausgerichtet sind. Sie müssen die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeiten
von Älteren bis zum Eintritt der Rente verbessern.

12. Eine Aufenthaltsverfestigung muss in Zukunft in begründeten Einzelfällen
ungeachtet des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II möglich sein. Dies
ist im Moment – anders als bei der Arbeitslosenhilfe des alten Rechts – nicht
gegeben.

13. Geduldeten Ausländerinnen und Ausländern muss Zugang zu Leistungen
zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt nach dem SGB II eingeräumt wer-
den. Asylsuchende und Geduldete während des ersten Jahres ihres Aufent-
halts (absolute Sperrfrist gemäß § 61 des Asylverfahrensgesetzes, § 10 der
Beschäftigungsverfahrensverordnung – BeschVerfV –) und Geduldete bei
Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 BeschVerfV sind bisher von der
Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Es ist
integrationspolitisch sinnvoll und verfassungsrechtlich erforderlich, zu-
mindest Ausländerinnen und Ausländern mit einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes oder seit langer Zeit Geduldeten
Zugang zu Leistungen zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt nach dem
SGB II einzuräumen.

14. Die Folgen von Hartz IV für die in Deutschland lebenden Ausländerinnen
und Ausländer müssen evaluiert und ggf. zur Förderung der Integration be-
rücksichtigt werden. Insbesondere folgende Aspekte müssen in einer Evalu-
ierung überprüft werden:

– Auswirkungen von Hartz IV auf die Möglichkeiten des Familiennach-
zugs;

– Probleme bei den Eingliederungsvereinbarungen, die vorwiegend oder
ausschließlich Migrantinnen und Migranten betreffen;

– nicht intendierte Auswirkungen der Berücksichtigung von Einkommen in-
nerhalb einer Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft in Migrantenfamilien.

15. Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerinnen und Unionsbürger dürfen in
den ersten drei Monaten ihrer Arbeitsuche in Deutschland nicht vollständig
von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden, sondern müssen
in der Arbeitssuche aktiv unterstützt werden – nicht zuletzt deswegen, weil
der Ausschluss von Freizügigkeitsberechtigten von Leistungen wie der Ar-

beitsvermittlung und Beratung gegen geltendes Gemeinschaftsrecht ver-
stößt.

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16. Stationär untergebrachte Personen, die sich für länger als sechs Monate in
einer stationären Einrichtung aufhalten, müssen in Zukunft Leistungen nach
dem SGB II erhalten können. Obwohl es sich hierbei oftmals um erwerbs-
fähige Personen handelt, werden sie durch die momentane Regelung des § 7
Abs. 4 SGB II kategorisch von Integrationsangeboten ausgeschlossen.

17. Für Auszubildende muss in Zukunft in Härtefällen die Erbringung von Leis-
tungen nach dem SGB II möglich sein. Insbesondere in Großstädten mit ho-
hen Lebenshaltungskosten führt die jetzige Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II,
die nur Hilfen als Darlehen vorsieht, oftmals zu Überschuldung und Ab-
bruch der Ausbildung.

18. Die Sanktionen des SGB II müssen insbesondere für Jugendliche und junge
Erwachsene bis 25 Jahre flexibilisiert werden. Die jetzige Regelung, die den
sofortigen Wegfall der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten vor-
sieht, ist zu starr und wird jugendlicher Entwicklung nicht gerecht. Sie muss
in eine Ermessensvorschrift umgeändert werden, die die Rücknahme der
Sanktion bei Verhaltensänderung und deren zeitliche Flexibilisierung er-
laubt.

19. Das Zustimmungserfordernis des kommunalen Trägers für alle Umzüge von
Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre, das mit dem SGB II-
Änderungsgesetz eingefügt wurde und den Rückzug der unter 25-Jährigen
zu den Eltern vorsehen kann, ist zu restriktiv und bedeutet einen Rück-
schritt. Junge Erwachsene, die bereits auf eigenen Beinen standen, dürfen
bei Hilfebedürftigkeit nicht wieder auf ihr Elternhaus zurückverwiesen wer-
den.

20. Ehrenamtliche Tätigkeiten und bürgerschaftliches Engagement dürfen kei-
nen Leistungsausschluss rechtfertigen. SGB-II-Leistungsbezieher müssen
sich freiwillig engagieren können, ohne ihren Anspruch auf Arbeitslosen-
geld II zu verlieren oder anderweitig von Leistungen des SGB II ausge-
schlossen zu werden.

21. Die Beratung, Vermittlung und Hilfeplanung sowie die Praxis der Anrech-
nung von Vermögen und Einkommen müssen in Zukunft den Arbeitsbedin-
gungen und Erwerbsmustern in atypischen Berufen, z. B. in den Bereichen
Kunst und Kultur, besser gerecht werden. Die Anrechnung von selbst
geschaffenen Kunstwerken als Vermögen oder der Auszug aus Atelier-
wohnungen erschweren die Beendigung der Hilfebedürftigkeit anstatt sie zu
unterstützen.

22. Die Träger nach dem SGB II müssen ihre Verantwortung vor Ort in Zu-
kunft vollständig wahrnehmen und ihren Aufgaben ungehindert nachgehen
können. Vielfältige Lösungen, die den individuellen und regionalen Beson-
derheiten gerecht werden, müssen den Vorrang vor bundeseinheitlichen
Standardlösungen haben. Dafür müssen dezentrale Handlungsspielräume
erweitert und gestärkt werden. Die so genannte Umsetzungsverantwortung
der Bundesagentur für Arbeit darf nicht zum zentralistischen Zwangskorsett
für die Arbeitsgemeinschaften werden.

23. Die im Bereich des SGB II zum Einsatz kommende Software A2LL muss
so schnell wie möglich überarbeitet oder ersetzt werden, um den Trägern
nach dem SGB II eine voll funktionsfähige Software zur Verfügung stel-
len zu können, die den Anforderungen an eine schnelle und transparente
Antragsbearbeitung, zuverlässige Leistungsauszahlung, Flexibilität in der
Anpassung, bundesweite Vernetzung und an den Datenschutz gerecht
wird.

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24. Die von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wieder-
holt angemahnten Mängel bei der Gewährung des ALG II müssen beseitigt
werden. Die zum Teil seit Ende 2004 vorliegenden Verbesserungsvor-
schläge müssen umgesetzt und den Betroffenen zur Verfügung gestellt wer-
den. Die Datenbearbeitung muss den besonders strengen Anforderungen
des Sozialdatenschutzes entsprechen. Die Zusammenarbeit zwischen den
Arbeitsgemeinschaften und den Datenschutzbeauftragten der Länder muss
verbessert werden.

Berlin, den 4. April 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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