BT-Drucksache 16/10978

Besteuerung von Dienstwagen CO2-effizient ausrichten und Privilegien abbauen

Vom 14. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10978
16. Wahlperiode 14. 11. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius,
Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Sylvia Kotting-Uhl,
Christine Scheel, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Besteuerung von Dienstwagen CO2-effizient ausrichten und Privilegien abbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Dienstwagen haben einen großen Anteil an den Neuzulassungen von Kraftfahr-
zeugen in Deutschland. Laut Verkehrsclub Deutschland sind 60 Prozent der
neuen Pkw Geschäftswagen. Diese werden häufig nach relativ kurzer Zeit wei-
terverkauft und haben so einen entscheidenden Einfluss auf den Gebraucht-
wagenmarkt. Dienstwagen können Vorreiter sein bei der Verbreitung ver-
brauchsärmerer Fahrzeuge in Deutschland. Das gilt insbesondere für den
Bereich der gehobenen Mittel- und Oberklasse, in dem der Anteil der Geschäfts-
wagen sogar 85 Prozent erreicht. Das Steuerrecht soll beim Wandel hin zu einem
energieeffizienten und modernen Automobilsektor Unterstützung leisten, indem
es Anreize für mehr Nachfrage nach spritsparenden Pkw setzt.

Orientiert sich die steuerliche Behandlung von Geschäftsautos an Energieeffi-
zienzkriterien, kann auch das Dienstwagenprivileg, also die steuerlichen Vor-
teile bei Dienstwagen, abgebaut werden. Denn teurere Modelle führen nicht nur
tendenziell zu höheren steuerlichen Vorteilen, sondern sind auch diejenigen, die
mehr Kraftstoff verbrauchen und klimaschädlicher sind. Reduzieren sich deren
steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, muss die Allgemeinheit weniger für
teure und spritschluckende Pkw aufkommen.

Dienstwagen sind in vielen Unternehmen fester Bestandteil der Mitarbeiter-
motivation und -bezahlung. Sie sind häufig mehr Statussymbol als Transport-
mittel. Statussymbole deutscher Führungskräfte muss die Allgemeinheit aber
nicht steuerlich subventionieren. Deswegen ist auch aus sozialen Gesichtspunk-
ten eine steuerliche Bevorzugung teurer Dienstwagen ungerechtfertigt.

Bei der steuerlichen Behandlung von Dienstwagen gibt es zwei Ansatzpunkte:
Die Besteuerung beim Unternehmen und die Besteuerung bei Privatpersonen.
Beide sollen geändert werden. Das Grundprinzip dabei lautet: Kosten für Fahr-

zeuge und ihre private Nutzung bis zu einem CO2-Ausstoß von 120 g/km (ent-
spricht 5 Litern Benzin bzw. 4,5 Litern Diesel pro 100 Kilometer) werden
steuerlich so behandelt wie heute.

Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß zwischen 121 und 240 g/km können weniger
abgeschrieben werden bzw. die private Nutzung muss höher versteuert werden.
Je höher der CO2-Ausstoß, desto geringer ist die steuerliche Absetzbarkeit für
Unternehmen und desto höher die Versteuerung der privaten Nutzung. Fahr-

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zeuge, die mit 240 g/km mehr als das Doppelte des zukünftig erlaubten Durch-
schnittsgrenzwerts ausstoßen, sollen gar nicht mehr abgeschrieben werden dür-
fen und die private Nutzung muss voll versteuert werden. Wer also einen
spritschluckenden Geländewagen oder ein übermotorisiertes Auto fahren will,
soll dies nicht mehr steuerlich gefördert bekommen.

Damit soll ein Lenkungseffekt für die Anschaffung umweltfreundlicherer
Dienstwagen erzielt werden. Die Steuermehreinnahmen aufgrund unseres Vor-
schlags sind abhängig davon, wie stark der Lenkungseffekt wirkt. Auf der Basis
der heutigen Dienstwagenflotten gehen wir von Steuermehreinnahmen von min-
destens 2,7 Mrd. Euro aus.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem

● die steuerliche Behandlung von Dienstwagen in Unternehmen so geändert
wird, dass sich der Anteil der steuerlich geltend zu machenden Abschreibun-
gen für einen Dienstwagen mit steigendem CO2-Ausstoß verringert;

● die steuerliche Absetzbarkeit der weiteren Kosten für Dienstwagen, und da-
bei insbesondere der Kraftstoffkosten, für Unternehmen so geändert werden
soll, dass sich der Anteil der steuerlich geltend zu machenden Aufwendungen
mit steigendem Kraftstoffverbrauch verringert;

● die steuerliche Behandlung der privaten Nutzung (geldwerter Vorteil) von
Dienstwagen im Einkommensteuerrecht so geändert werden soll, dass sich
die Besteuerung mit steigendem CO2-Ausstoß entsprechend erhöht.

Der CO2-Zielwert soll wie beim Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN für eine Reform der Kfz-Steuer schrittweise abgesenkt werden, und
zwar von 120 g/km zum 1. Januar 2012 auf 100 g/km und zum 1. Januar 2015
auf 80 g/km (siehe auch Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom
12. März 2008, Bundestagsdrucksache 16/8538).

Berlin, den 14. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Eine bloße Änderung der Besteuerung des Kraftstoffverbrauchs von Dienstwa-
gen – wie sie von SPD-Umweltpolitikern diskutiert wird – greift zu kurz. Um
einen wirkungsvollen Effekt zu erzielen, sind Regelungen notwendig, die auch
die Anschaffungskosten berücksichtigen und sowohl bei den Unternehmen (a)
als auch bei der Besteuerung der privaten Nutzung (b) ansetzen.

a) Besteuerung bei Unternehmen

Das deutsche Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten
Kosten. Die Absetzbarkeit von Aufwendungen, die für die Gewinnerzielung er-
forderlich sind, muss gewährleistet sein. Aber das Steuerrecht ist nicht „blind“,
ob die Unternehmensaufwendungen notwendig sind und wie sie sich auswirken.
Denn der Gebrauch von Dienstwagen hat Einfluss auf die Umwelt. Insofern
kann der Staat die damit verbundenen Kosten für die Gesellschaft bei der Aus-

gestaltung der steuerlichen Abziehbarkeit berücksichtigen. Dies findet bisher
aber keinen Niederschlag im Steuerrecht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10978

Außerdem sind mit der Nutzung von Dienstwagen auch Vorteile verbunden, die
nicht unmittelbar der Gewinnerzielung dienen wie beispielsweise, im Falle von
Selbstständigen, der Gebrauch durch den Unternehmer selbst, der auch dienst-
lich aus Freude am Fahren einen hochwertigen Pkw nutzen will. Insofern han-
delt es sich um sogenannte gemischte Aufwendungen. Deshalb benennt bereits
jetzt der § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einige Betriebsaus-
gaben, die den privaten Bereich derart berühren, dass der steuerliche Abzug
ganz oder teilweise ausgeschlossen wird, selbst wenn die betriebliche Veran-
lassung grundsätzlich gegeben ist.

Deshalb ist es gerechtfertigt, die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstwagen an
Bedingungen zu koppeln, beispielsweise an den CO2-Ausstoß. Für die Unter-
nehmen wäre ein Anreiz zum Kauf sparsamerer, emissionsärmerer und damit
klimafreundlicherer Pkw gesetzt, wenn sie die Kosten dafür nur bis zu einer
bestimmten Verbrauchsobergrenze vollständig als Betriebsaufwendungen abset-
zen könnten und anschließend die Absetzbarkeit mit zunehmendem CO2-Aus-
stoß abnimmt. Aktuell entspricht die Abschreibungssumme vollständig dem
Anschaffungspreis inklusive aller Sonderausstattungen. Laut AfA-Tabelle
(AfA: Absetzung für Abnutzung) können Pkw über sechs Jahre abgeschrieben
werden. Hinzu kommt die Abschreibung für die weiteren Kosten.

Konkret sollen die Abschreibungen bis zu einem Zielwert von 120 g/km CO2-
Ausstoß weiterhin uneingeschränkt steuerlich geltend gemacht werden können.
Beträgt der CO2-Ausstoß zwischen 121 und 240 g/km, dann wird ein entspre-
chender Abschreibungsfaktor gebildet, und zwar als Quotient aus Zielwert und
Istwert für die CO2-Emission des Dienstwagens. Dieser Abschreibungsfaktor
wird auf die Anschaffungskosten des Dienstwagens angewendet und bestimmt
den Umfang, in dem diese abgeschrieben werden können. Dienstwagen mit
mehr als 240 g/km CO2-Ausstoß sollen gar nicht mehr von der Steuer abge-
schrieben werden können. Eine solche Regelung ist bürokratiearm sowohl für
die Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Unternehmen.

Zudem soll die volle steuerliche Absetzbarkeit der weiteren Kosten für Dienst-
wagen bei einem CO2-Ausstoß von 120 g/km gedeckelt werden. Das entspricht
etwa einem Verbrauch von 5 Litern Benzin bzw. 4,5 Litern Diesel/100 km. Da-
nach wird analog zur Regelung für die Absetzbarkeit der Anschaffungskosten
ein Faktor gebildet und auf die Aufwendungen für die weiteren Kosten ange-
wendet. Für Dienstwagen mit mehr als 240 g/km CO2-Ausstoß sollen keine wei-
teren Kosten mehr absetzbar sein.

Durch die vorgeschlagene Regelung verringert sich die Abschreibungssumme je
nach CO2-Ausstoß ab dem Zielwert von 120 g/km. Beispielsweise können ab
200 g/km CO2-Ausstoß (entspricht rund 8 l/100 km) nur mehr 60 Prozent der Kos-
ten für einen Dienstwagen abgesetzt werden. Fahrzeuge mit mehr als 240 g/km
CO2-Ausstoß gehen zukünftig bei der Abschreibung leer aus.

Die Kopplung der Abschreibungsmöglichkeiten an die Klimaschädlichkeit wird
mit der vorgeschlagenen Einführung eines Abschreibungsfaktors erreicht. Den
Effekt zeigen folgende Beispiele:

Ein typischer deutscher Dienstwagen ist ein 3er BMW Diesel (325d Limousine)
für rund 36 300 Euro Basispreis und einem CO2-Ausstoß von 164 g/km. Der
Abschreibungsfaktor errechnet sich durch 120 (Zielwert) dividiert durch 164
(CO2-Wert des Fahrzeugs) gleich 73 Prozent anstatt bisher 100 Prozent. Multi-
pliziert mit den Anschaffungskosten ergibt sich eine Abschreibungssumme von
rund 26 600 Euro verteilt über die Nutzungsdauer. Ein Unternehmen, das sei-
nem Mitarbeiter einen 3er BMW Diesel zur Verfügung stellt, könnte künftig also
fast 10 000 Euro weniger steuermindernd abschreiben; bei einem Steuersatz von
z. B. rund 30 Prozent einer Kapitalgesellschaft entspräche dies einer Steuer-

mehreinnahme von rund 2 900 Euro.

Drucksache 16/10978 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Bei Anschaffungskosten von 68 000 Euro für einen Porsche Cayenne S und
einem Istwert für die CO2-Emissionen von 358 g/km CO2 könnten keine Kosten
mehr abgeschrieben werden. Ein Unternehmen, das seinem Mitarbeiter einen
Porsche Cayenne S zur Verfügung stellt, könnte künftig also 68 000 Euro weni-
ger steuermindernd abschreiben. Bei einem Steuersatz von z. B. rund 30 Prozent
einer Kapitalgesellschaft wären also 20 400 Euro mehr Steuern über die Nut-
zungsdauer fällig.

Liegt der CO2-Wert pro Kilometer unter dem Grenzwert von 120 g/km, dann
sind 100 Prozent der Anschaffungskosten absetzbar. Beispielsweise würden ein
Toyota Prius (CO2-Ausstoß 104 g/km) oder ein VW Polo BlueMotion (CO2-
Ausstoß 99 g/km) steuerlich nicht mehr belastet als bisher. Das gilt für die An-
schaffungs- wie für die variablen Kosten.

Bei einem angenommenen durchschnittlichen Verbrauch für Dienstwagen in
Deutschland von 7,5 l/100 km (CO2-Wert 180 g/km) ergeben sich Steuermehr-
einnahmen in Höhe von rund 1,5 Mrd. Euro aus der Änderung der Abschreibungs-
bedingungen der Anschaffungskosten für Unternehmen. Das ist konservativ
gerechnet, da angenommen wird, dass alle Unternehmen – Personen- und Ka-
pitalgesellschaften – einer Gewinnbesteuerung von 30 Prozent unterliegen.

Die übrigen Kosten sollen analog zur Regelung bei den Abschreibungen in der
ersten Phase bis 5 l/100 km (entspricht 120 g/km) zu 100 Prozent absetzbar sein.
Danach setzt der Abschreibungsfaktor ein. Daraus ergeben sich Steuermehrein-
nahmen von mehr als 1,2 Mrd. Euro.

Insgesamt ist mit Steuermehreinnahmen von knapp 3 Mrd. Euro infolge der
CO2-differenzierten steuerlichen Behandlung von Dienstwagen in Unternehmen
zu rechnen.

b) Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen

Wird der Dienstwagen für Privatfahrten eingesetzt, dann muss der geldwerte
Vorteil, der daraus entsteht, entsprechend versteuert werden. Aber auch hier sind
die gleichen Überlegungen gerechtfertigt wie bei der Kopplung der steuerlichen
Abziehbarkeit von Aufwendungen für einen Dienstwagen im Unternehmen an
den CO2-Ausstoß bzw. den variablen Kosten. Infolgedessen sollten die Pau-
schalmethode wie auch die Nachweismethode für die Besteuerung des geld-
werten Vorteils bei der Überlassung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken so
geändert werden, dass die Besteuerung an den CO2-Ausstoß gekoppelt wird.
Das würde die Beschäftigten auch veranlassen, ihren Arbeitgeber zum Kauf
eines verbrauchsarmen und klimafreundlichen Dienstwagens zu drängen. Bei-
spiel (hier ohne Berücksichtigung der Nutzung für Fahrten zwischen Wohn- und
Arbeitsstätte):

Bei einem privat genutzten Dienstwagen (BMW 325d) mit einem Listenpreis
von 36 300 Euro und einem CO2-Ausstoß von 164 g/km ergibt sich ein geldwer-
ter Vorteil in Höhe von 12 Prozent multipliziert mit 164 g/km dividiert durch
120 g/km gleich 16,4 Prozent oder knapp 6 000 Euro pro Jahr. Bisher musste der
Arbeitnehmer nur 12 Prozent von 36 300 Euro, also fast 4 400 Euro pro Jahr ver-
steuern. Ein Arbeitnehmer, dem ein solcher BMW zur Verfügung gestellt wird,
zahlt also bei einem Grenzsteuersatz von 40 Prozent künftig rund 640 Euro mehr
Steuern im Jahr.

Damit wird deutlich, dass mit der Kopplung der Besteuerung an den CO2-Aus-
stoß auch das Dienstwagenprivileg abgebaut wird. Die Eigentümer großer und
teurer Autos werden stärker zur Kasse gebeten als Kleinverdiener mit einem
sparsamen Auto.

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