BT-Drucksache 16/10972

Verpflichtung oder Ermöglichung von Privatisierung der Kinderbetreuung durch das Kinderförderungsgesetz

Vom 14. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10972
16. Wahlperiode 14. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Katja Kipping, Katrin Kunert,
Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Verpflichtung oder Ermöglichung von Privatisierung der Kinderbetreuung
durch das Kinderförderungsgesetz

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 180. Sitzung am 26. September 2008 das
„Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und
in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG)“ beschlossen (Bun-
desratsdrucksache 730/08). Darin heißt es, dass in § 74a des Achten Buches So-
zialgesetzbuch (SGB VIII) nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird: „Dabei
können alle Träger von Einrichtungen, die die rechtlichen und fachlichen Vor-
aussetzungen für den Betrieb der Einrichtung erfüllen, gefördert werden.“ Die
Kritik an diesem Teil des Gesetzes von Verbänden und der Fraktion DIE
LINKE., dass diese Formulierung zwar eine Verbesserung bezogen auf die ur-
sprünglich geplante Verpflichtung zur Gleichstellung von freigemeinnützigen
und privatgewerblichen Trägern darstelle (vgl. Bundestagsdrucksache 16/9299),
aber immer noch eine Ermöglichung dessen, ließ sich aus der Begründung des
Gesetzentwurfes herleiten. Dort heißt es: „Die Vorschrift soll verdeutlichen,
dass auch privatgewerbliche Träger gefördert werden können.“ (Bundestags-
drucksache 16/10357, S. 33). Doch die kinder- und familienpolitische Spreche-
rin der Fraktion der SPD, Caren Marks, hielt der Kritik an einer solcherart
schleichenden Kommerzialisierung und Privatisierung der Jugendhilfe am
18. September 2008 im Deutschen Bundestag entgegen: „Wir freuen uns darü-
ber, dass wir uns mit der Fraktion der CDU/CSU darauf verständigt haben, die
bewährten Strukturen der Finanzierung der Kinderbetreuung zu erhalten.
Öffentliche Gelder für Kinderbetreuung sollen auch in Zukunft nicht zur Maxi-
mierung des Gewinns von privatgewerblichen Trägern eingesetzt werden.“
(Plenarprotokoll 16/176, S. 18790).

Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. („Privatisierung in der Kin-
der- und Jugendhilfe“, Bundestagsdrucksache 16/9195) erklärte die Bundes-
regierung in ihrer Antwort vom 29. Mai 2008 zur Frage der zukünftigen Rolle
des Prinzips der Gemeinnützigkeit im SGB VIII: „Der Grundsatz der Gemein-
nützigkeit bleibt auch künftig Voraussetzung für eine Förderung nach § 74 SGB
VIII und für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB

VIII.“ (Bundestagsdrucksache 16/9364, S. 4).

In einem Interview mit dem Informationsmagazin des Bundesverbandes privater
Anbieter sozialer Dienste e. V. machte die Bundesministerin für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, nun zur Frage der Gleichstel-
lung freigemeinnütziger und privatgewerblicher Träger in der Kinderbetreuung
und zur Frage des Prinzips der Gemeinnützigkeit im SGB VIII den obigen An-
gaben widersprechende Aussagen. Sie erklärte dass der Landesrechtsvorbehalt

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ergänzt wird „um die Verpflichtung, alle Einrichtungsträger in den landesrecht-
lichen Finanzierungsregelungen gleich zu behandeln, wenn sie die rechtlichen
und fachlichen Voraussetzungen für den Betrieb der Einrichtung erfüllen.“ „Das
bedeutet“, so die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Ursula von der Leyen, weiter, „dass das Kriterium der Gemeinnützigkeit bei
der öffentlichen Förderung keine Rolle mehr spielen darf. Hierfür müssen die
Länder verbindlich sorgen. Die Gleichstellung privatgewerblicher Anbieter ist
also keineswegs in das Belieben der Länder gestellt.“ (bpa magazin 04/2008,
S. 11 sowie bpa, Kinderförderung: „Gleichstellung privatgewerblicher Anbieter
ist nicht in das Belieben der Länder gestellt“, Pressemitteilung vom 28. Oktober
2008).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stimmt die Formulierung im § 74a des Kinderförderungsgesetzes (KiföG),
wonach alle Träger von Einrichtungen, die die rechtlichen und fachlichen
Voraussetzungen für den Betrieb der Einrichtung erfüllen, gefördert werden
können (bitte begründen)?

2. Stimmt die Interpretation des § 74a im Kinderförderungsgesetz, dass die
Länder alle Träger, die die rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen für
den Betrieb der Einrichtung erfüllen, durch öffentliche Gelder fördern müs-
sen (bitte begründen)?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, wonach die
„Gleichstellung privatgewerblicher Anbieter (…) keineswegs in das Belie-
ben der Länder gestellt“ ist, der Landesrechtsvorbehalt demnach einge-
schränkt oder aufgehoben ist (bitte begründen)?

4. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass auch in Zukunft öffentliche
Gelder für Kinderbetreuung „nicht zur Maximierung des Gewinns von
privatgewerblichen Trägern eingesetzt werden“ (bitte begründen)?

5. Bleibt nach Ansicht der Bundesregierung der „Grundsatz der Gemeinnützig-
keit (…) auch künftig Voraussetzung für eine Förderung nach § 74 SGB VIII
und für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75
SGB VIII“ (bitte begründen)?

6. Verlangt nach Auffassung der Bundesregierung das Kinderförderungsgesetz,
„dass das Kriterium der Gemeinnützigkeit bei der öffentlichen Förderung
keine Rolle mehr spielen darf“, wofür die Länder „verbindlich“ sorgen „müs-
sen“ (bitte begründen)?

Berlin, den 13. November 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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