BT-Drucksache 16/10680

Nationale Strategie zur Prävention und Behandlung von Infektionen mit Hepatitis C insbesondere bei Menschen mit intravenösem Drogengebrauch

Vom 17. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10680
16. Wahlperiode 17. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Volker Beck (Köln), Elisabeth
Scharfenberg, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nationale Strategie zur Prävention und Behandlung von Infektionen mit Hepatitis C
insbesondere bei Menschen mit intravenösem Drogengebrauch

Nach Erkenntnissen des Robert Koch-Institutes (RKI) sind in der Bundesrepu-
blik Deutschland derzeit etwa 400 000 bis 500 000 Menschen chronisch mit
dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Die Zahl der Infektionen ist ansteigend.
So wurden dem RKI 2007 6 859 Neuinfektionen gemeldet. Da viele Infektionen
weitgehend unbemerkt verlaufen, schätzen Experten die Zahl der tatsächlichen
Neuinfektionen als deutlich höher ein. Bislang existiert kein Impfstoff gegen
eine HCV-Infektion.

Besonders gefährdet sind Menschen, die intravenös Drogen gebrauchen. So be-
trägt die Prävalenz für HCV-Infektionen in der Allgemeinbevölkerung 0,4 Pro-
zent, bei Menschen mit intravenösem Drogengebrauch hingegen mehr als
80 Prozent. Auch die Zahl der Neuerkrankungen ist in dieser Bevölkerungs-
gruppe deutlich erhöht.

Als problematisch hat sich vor allem erwiesen, dass die Infektionen vor allem
bei der genannten Risikogruppe häufig unerkannt bleiben und somit von
Infizierten unbemerkt weitergegeben werden. Etwa 60 bis 80 Prozent aller
Infektionen werden chronisch und können nach einigen Jahren zu schweren
Folgeerkrankungen führen, wie etwa einer Leberzirrhose oder einem Leberzell-
karzinom bis hin zum Leberversagen. In vielen Fällen besteht dann die einzige
Therapiemöglichkeit in einer Lebertransplantation.

Mit HCV infizierte Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sind besonders
gefährdet, weil häufig mehrere Faktoren wie weitere Infektionen mit HIV so-
wie Hepatitis A und B, alkoholbedingte Erkrankungen und ein insgesamt
schlechterer Gesundheitszustand den Verlauf der Infektion und der Komplika-
tionen beschleunigen.

Zwar haben in den letzten Jahren Bund, Länder und zivilgesellschaftliche Insti-
tutionen verstärkt Anstrengungen für Strategien zur Verbesserung von Präven-
tionsbotschaften und Therapieleitlinien unternommen. Dennoch sind weitere
Bemühungen zur Steigerung der Behandlungsquote und zur Förderung ziel-

gruppenspezifischer Präventionsangebote nötig. Bemängelt wird von Experten
vor allem das Fehlen einer nationalen HCV-Bekämpfungsstrategie zum ab-
gestimmten Vorgehen verschiedener Akteure wie Behörden, Verbänden, Dro-
genberatungsstellen, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern
und Justizvollzugsanstalten.

Drucksache 16/10680 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um
gemeinsamen mit den Ländern und anderen Akteuren die Prävalenz und
die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen) von HCV-Infektionen ins-
besondere bei Menschen mit intravenösem Drogengebrauch nachhaltig
zu senken?

b) Hält die Bundesregierung analog zum „Aktionsplan zur Umsetzung der
HIV/AIDS-Bekämpfungsstrategie“ eine eigenständige nationale Strategie
mit Aktionsplan zur HCV-Bekämpfung für notwendig?

Wenn nein, warum nicht?

c) Hält die Bundesregierung eine Ergänzung des „Aktionsplans zur Um-
setzung der HIV/AIDS-Bekämpfungsstrategie“ um Aspekte der Verhin-
derung von HCV und weiterer Hepatitis-Erreger für notwendig?

Wenn nein, warum nicht?

2. a) Wie bewertet die Bundesregierung die vorhandenen verhaltens- und ver-
hältnisbezogenen Angebote zur HCV-Prävention bei Menschen mit intra-
venösem Drogengebrauch?

b) Sieht die Bundesregierung Bedarf gemeinsam mit den Ländern die
Präventionsangebote im Strafvollzug zu verbessern?

Wenn ja, auf welche Weise will die Bundesregierung dies erreichen?

Wenn nein, warum nicht?

c) Hält die Bundesregierung den derzeitigen Umfang von Spritzenumtausch-
programmen (24 Std. Zugänge über Automaten, Spritzenumtausch-
programme in den Drogenberatungsstellen, Umtausch in den Apotheken
etc.) und anderen Maßnahmen zur Schadensminderung (Vergabe von
sterilem Injektionsbesteckzubehör, Aufklärung, Trainings etc.) für aus-
reichend?

Wenn nein, welche zusätzlichen Maßnahmen hält die Bundesregierung
für notwendig?

d) Hält die Bundesregierung den Umfang von Spritzenumtauschprogram-
men und anderen Maßnahmen zur Schadensminderung im Strafvollzug
für ausreichend?

Wenn nein, auf welche Weise will die Bundesregierung auf eine Aus-
weitung dieser Angebote hinwirken?

3. Wie bewertet die Bundesregierung den derzeitigen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand bei HCV zur Epidemiologie, zu aktuell relevanten Über-
tragungswegen, Zugang zur Behandlung und zur Evidenz von verhaltens-
bezogenen Präventionsmaßnahmen insbesondere bei Menschen mit intra-
venösem Drogengebrauch?

Auf welche Weise will die Bundesregierung auf eine Verbesserung des
wissenschaftlichen Erkenntnisstands hinwirken, sofern sie Bedarf für wei-
tere Untersuchungen sieht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10680

4. a) Auf welche Weise will die Bundesregierung den Zugang zu HCV-Tests
für Personen mit intravenösem Drogengebrauch verbessern?

b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Behandlungsquote
von HCV-Infizierten mit intravenösem Drogengebrauch?

c) Auf welche Weise will die Bundesregierung die Behandlungsquote in
dieser Bevölkerungsgruppe erhöhen?

d) Inwiefern sieht die Bundesregierung Defizite beim Zugang zum fach-/
schwerpunktmedizinischen Hilfesystem für an HCV erkrankte Patientin-
nen und Patienten, die eine Entzugstherapie gerade abgeschlossen haben,
sich in Substitutionsbehandlung befinden oder mit aktuell intravenösem
Drogengebrauch (bitte gesondert beantworten)?

e) Sieht die Bundesregierung Defizite bei der HCV-Therapie im Bereich des
Strafvollzugs oder in anderen Settings wie der stationären Rehabilitation?

Wenn ja, wie will sie gemeinsam mit den Ländern auf eine Verbesserung
der Behandlungssituation in diesen Einrichtungen hinwirken?

5. Sieht die Bundesregierung Defizite bei speziellen Präventions- und Therapie-
angeboten für intravenös Drogen gebrauchende Migrantinnen und Migran-
ten?

Wenn ja, auf welche Weise will sie auf deren Behebung hinwirken?

6. Sieht die Bundesregierung Defizite bei speziellen Präventions- und Therapie-
angeboten für junge erst kurzzeitig intravenös Drogen injizierende Drogen-
konsumenten?

Wenn ja, auf welche Weise will sie auf deren Behebung hinwirken?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik (4. Internationaler Fachtag
HCV im September 2007), wonach das Fehlen von Suchtmedizinerinnen
und -medizinern neben der geregelten Substitution von infizierten Drogen-
konsumentinnen und -konsumenten auch die antivirale Behandlung der
chronischen Hepatitis C behindert?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik (4. Internationaler Fachtag
HCV im September 2007), nach der es bei Hepatologen und Gastroento-
logen eine geringere Bereitschaft zur Behandlung von HCV-infizierten Dro-
genkonsumentinnen und -konsumenten gibt?

Auf welche Weise will die Bundesregierung gegebenenfalls darauf hin-
wirken, die Bereitschaft von Facharztgruppen wie Hepatologen und Gastro-
entologen zu erhöhen, bei vorliegender medizinischer Indikation auch nicht-
suchtmittelabstinent lebende (substituierte bzw. auch aktuell injizierende)
HCV-Infizierte zu behandeln?

Berlin, den 17. Oktober 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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