BT-Drucksache 16/10631

Sachstand zur Förderung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen durch die Nationale Kontaktstelle

Vom 15. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10631
16. Wahlperiode 15. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marina Schuster, Florian Toncar, Dr. Werner Hoyer,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Sachstand zur Förderung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
durch die Nationale Kontaktstelle

Die so genannten Nationalen Kontaktstellen (NKS), eingesetzt von den Regie-
rungen der OECD-Mitgliedstaaten, fördern die Bekanntmachung und Anwen-
dung der „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“. Die deutsche
Nationale Kontaktstelle (NKS) setzt sich dafür ein, den Bekanntheitsgrad der
„OECD-Leitsätze“ zu erhöhen und Beschwerdefälle beizulegen. Dabei hat die
NKS keine Befugnis, über den Inhalt von Beschwerden zu entscheiden, son-
dern kann lediglich vermitteln, um einvernehmliche Lösungen zwischen den
Beteiligten zu erwirken. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Nationale
Kontaktstelle beim für Auslandsinvestitionen zuständigen Referat im Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) angesiedelt. Im Sach-
standsbericht, der im September 2008 dem Deutschen Bundestag zugeleitet
wurde, werden seit dem Bestehen der NKS 2001 insgesamt zehn Anfragen aus-
gewiesen, von denen die NKS drei als zulässige Beschwerdefälle angenommen
hat.

Die verfahrenstechnischen Anleitungen sehen vor, dass die Nationalen Kon-
taktstellen in ihrer Tätigkeit den „Schlüsselkriterien der Sichtbarkeit, Zugäng-

lichkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht“ gerecht werden sollen. Dazu
soll sich die NKS aktiv für die Förderung der Leitsätze einsetzen, Informatio-
nen über die Leitsätze durch Veranstaltungen, Seminare und Tagungen verbrei-
ten, Anfragen bearbeiten und Inlands- und Auslandsinvestoren sowie poten-
tielle Investoren über die Leitsätze unterrichten. Im Arbeitskreis „OECD-Leit-
sätze“ sind darüber hinaus Vertreter der anderen relevanten Ressorts der Bun-
desregierung (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

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Entwicklung (BMZ), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit (BMU), Auswärtiges Amt (AA)), der Sozialpartner, der Wirt-
schaftsverbände sowie von Nichtregierungsorganisationen (NRO) beratend ein-
gebunden. Entscheidungsbefugt hinsichtlich der Annahme von Beschwerden
ist allein die im BMWi angesiedelte NKS.

In jüngster Zeit wurde die Bedeutung der OECD-Leitsätze mehrfach auf höchs-
ter Ebene unterstrichen, ebenso die Notwendigkeit einer verbesserten Umset-
zung des Instrumentes. So stellte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer
Regierungserklärung vom 24. Mai 2007 vor dem Deutschen Bundestag die
OECD-Leitlinien als wichtigen Baustein für den Verhandlungserfolg der G8 in
Heiligendamm heraus. In der Abschlusserklärung zum Gipfel haben sich die
G8-Staaten verpflichtet, „international vereinbarte Standards im Bereich der
sozialen Verantwortung von Unternehmen und im Arbeitsrecht (wie die
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen[…]) und bessere Unterneh-
mensführung durch die in den OECD-Leitsätzen genannten Nationalen Kon-
taktstellen aktiv zu fördern“.

Die Bundesregierung hat bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP (Bundestagsdrucksache 15/1103) betont, dass das damals zu-
ständige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) gemeinsam
mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft „in verschiedenen Veran-
staltungen für die Umsetzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unter-
nehmen geworben und auch an jedes im Ausland engagierte deutsche Unter-
nehmen appelliert, sich gemäß den OECD-Leitsätzen zu verhalten und ihnen
damit zu Wirksamkeit und Erfolg zu verhelfen“.

Im Frühjahr 2008 hat der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen (VN) für
Menschenrechte und Unternehmen, John Ruggie, in seinem Abschlussbericht
hervorgehoben, dass die Nationalen Kontaktstellen bisher viele Einfluss-
möglichkeiten nicht genutzt haben. So kritisiert John Ruggie wörtlich: „The
housing of some NCPs primarily or wholly within government departments
tasked with promoting business, trade and investment raises questions about
conflicts of interest.” Dies trifft auch auf die deutsche NKS zu.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist die NKS personell (wie viele Mitarbeiter sind zu welchem Prozent-
satz beschäftigt) und finanziell ausgestattet?

Wie hoch ist der Finanzbedarf für die NKS (nach Jahren seit der Gründung
aufgeschlüsselt)?

2. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorwurf – auch im Hinblick auf die
Empfehlung 3 bis 40 der Enquete-Kommission „Globalisierung der Welt-
wirtschaft – Herausforderungen und Antworten“ (Bundestagsdrucksache
14/9200), die NKS sei unzureichend ausgestattet?

3. Welche Voraussetzungen müssen weiterhin erfüllt sein, damit eine aufge-
worfene Frage über die Vorprüfung hinaus in einem ordentlichen Verfahren
von Seiten der NKS bearbeitet wird?

4. Welche Konsequenzen können bei der Identifizierung eines Verstoßes gegen
die OECD-Leitsätze über das so genannte naming and shaming hinaus ein-
treten?

Sind auch strafrechtliche Konsequenzen möglich?

5. Warum wurden Fälle im Rahmen der Vorprüfung zur Bearbeitung angenom-
men?
Welche Ausschlussgründe lagen gegen die abgewiesenen Beschwerden vor,
und wie wurde mit diesen Fällen weiter verfahren?

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6. Gibt es bei der deutschen NKS einen Zeitrahmen, in dem die an die NKS
herangetragenen Fälle behandelt werden müssen, und werden die Ergeb-
nisse der Untersuchung – sowohl der angenommenen als auch der abge-
lehnten Fälle – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

Wenn nicht, warum?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung von John Ruggie, Son-
derbeauftragter der VN für Menschenrechte und Unternehmen, die natio-
nalen NKS solchen Regierungsstellen hauptsächlich unterzuordnen, bei de-
nen kein Interessenkonflikt zu vermuten ist, wie das beim BMWi der Fall
ist?

8. Inwiefern kann eine unabhängige Entscheidungsfindung der NKS gewähr-
leistet werden, und wie wird die NKS kontrolliert?

9. In welcher Form erfolgte die Einbindung anderer Ressorts, z. B. des BMZ
und des Auswärtigen Amts, in die Entscheidungsfindung bei eingehenden
Beschwerdefällen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge aus dem BMZ und von
Nichtregierungsorganisationen, neben dem BMWi andere relevante Res-
sorts gleichberechtigt an Entscheidungen zu beteiligen und eine interminis-
teriell aufgestellte NKS einzurichten?

11. Warum ist die Bundesregierung noch nicht den Beschlüssen des Deutschen
Bundestages aus dem Jahr 2002 und 2003 nachgekommen, „darauf hinzu-
wirken, dass die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen umge-
setzt werden und die deutsche Nationale Kontaktstelle für die Leitsätze als
interministerielle Struktur eingerichtet wird, in der die Sozialpartner und
Nichtregierungsorganisationen in allen wichtigen Fragen beteiligt werden“
(Bundestagsdrucksachen 14/7483 und 15/136 mit dem gleichen Wortlaut)?

12. Wann wird gegebenenfalls eine solche Reform eingeleitet?

13. Inwiefern wurden die Vorschläge verschiedener Nichtregierungsorganisa-
tionen aus dem Jahr 2006 berücksichtigt und entsprechende Umstrukturie-
rungen der NKS eingeleitet?

14. Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung rückblickend
für einen alleinigen Verbleib der NKS beim BMWi?

15. Inwiefern wurden in diesem Zusammenhang andere, beispielsweise in an-
deren OECD-Staaten praktizierte und auch in der Bundesrepublik Deutsch-
land eingeforderte Formen der Ausgestaltung der NKS geprüft?

16. Wie kommt die Bundesregierung bei ihrem Konzept der NKS den gefor-
derten Kriterien nach Sichtbarkeit, Zugänglichkeit, Transparenz und
Rechenschaftspflicht jeweils nach?

Wo sieht sie Verbesserungsmöglichkeiten?

17. Gegenüber welcher Instanz muss die NKS Rechenschaft ablegen?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung Forderungen von Nichtregierungs-
organisationen, die NKS einer stärkeren Kontrolle durch den Deutschen
Bundestag zu unterstellen?

19. Ist der Empfehlung 3 bis 41 (Bundestagsdrucksache 14/9200) der Enquete-
Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und
Antworten“, die Wirksamkeit der Verhaltenskodizes zu evaluieren, bereits
Rechnung getragen worden?

Wenn nein, warum nicht?

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20. Welche konkreten Maßnahmen wurden in den letzten acht Jahren seitens
der Bundesregierung bzw. der NKS unternommen, um die OECD-Leitsätze
für multinationale Unternehmen in der Öffentlichkeit bekannter zu
machen, und erachtet die Bundesregierung bzw. die NKS diese in Anbe-
tracht ihres nach wie vor geringen Bekanntheitsgrades als ausreichend?

Gibt es weitere Pläne, die Bekanntheit zu erhöhen?

21. Welche Veranstaltungen hat die NKS bisher in diesem Zusammenhang
durchgeführt (bitte nach Jahren aufgeschlüsselt)?

22. Wie wurden Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft über
Bestehen und Aufgaben der NKS informiert?

23. Welche Art des Informationsflusses und des Austausches findet zwischen
der NKS und den Mitgliedern des Arbeitskreises OECD-Leitsätze im Zeit-
raum zwischen den jährlichen Sitzungen, abgesehen von den öffentlichen
Abschlusserklärungen zu den vorliegenden Fällen, statt?

24. Welche Gründe liegen nach Ansicht der Bundesregierung vor, dem
Arbeitskreis OECD-Leitsätze keine Geschäftsordnung zu geben, in der
dessen Rolle, Kompetenz und Verbindlichkeit geklärt werden?

25. In welcher zeitlichen Regelmäßigkeit und wie umfassend werden die Mit-
glieder des Arbeitskreises OECD-Leitsätze über aktuelle Beschwerdefälle
informiert?

Berlin, den 15. Oktober 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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