BT-Drucksache 16/10588

zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung - 16/10473, 16/10567 - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 15. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10588
16. Wahlperiode 15. 10. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff,
Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10473, 16/10567 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf
Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt
Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag dankt allen in Afghanistan tätigen deutschen Soldaten,
Polizisten, Diplomaten, Beratern und Angehörigen ziviler Hilfsorganisationen
für ihren engagierten, professionellen und mutigen Einsatz beim Wiederaufbau
des Landes. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, Afghanistan zu befrieden, zu
stabilisieren und dem Land die Chance zum Aufbau einer überlebensfähigen

Staatsordnung, basierend auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, zu geben. Der
Deutsche Bundestag gedenkt aller, die bei der Realisierung dieser Ziele ihr
Leben verloren haben, und spricht jenen ihr Mitgefühl aus, die bei ihrer Arbeit
in Afghanistan zu Schaden gekommen sind.

Eine Reduzierung der internationalen Truppenpräsenz wird erst möglich sein,
wenn die afghanische Regierung aus eigener Kraft Sicherheit im Land garantie-
ren kann. Dies ist jetzt noch nicht der Fall. Die derzeitige Lage ist gekennzeich-

Drucksache 16/10588 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

net durch ein gemischtes Bild aus erfolgreichen Wiederaufbauprojekten und
einer deutlichen Verschärfung der Sicherheitslage. Neben dem Wiederaufbau
müssen daher die Ausbildung von Soldaten und Polizisten sowie der Aufbau
eines funktionierenden Justizsystems oberste Priorität haben.

Die Bundesregierung hat die langjährige Führungsrolle Deutschlands beim
Polizeiaufbau nicht im Ansatz zufrieden stellend ausgefüllt. Eine gravierende
Verbesserung der Situation ist auch nach der Übernahme dieser Aufgabe durch
die Europäische Union (EU) nicht erkennbar. Im Bereich der Polizeiausbildung
sind die Defizite dramatisch. Der Deutsche Bundestag erwartet deshalb, dass die
Bundesregierung ihre Bemühungen beim Polizeiaufbau deutlich verstärkt und
auf die Polizeiausbildung ausrichtet, sowie innerhalb der EU energisch auf ein
stärkeres Engagement hinwirkt.

Der Deutsche Bundestag misst dem Konzept der vernetzten Sicherheit auch
weiterhin zentrale Bedeutung zu. Zivile Wiederaufbaubemühungen ohne die
Präsenz der ISAF wären in Afghanistan derzeit nicht möglich. Der Deutsche
Bundestag erwartet deshalb von der Bundesregierung, dass sie das Konzept der
vernetzten Sicherheit konsequenter als bisher umsetzt und bei unseren Partnern
vehement für diesen Ansatz wirbt.

Hinsichtlich der Kernprobleme in Afghanistan, d. h. terroristische Aktivitäten
und Aufstandsbewegungen, Drogenhandel und Waffenschmuggel, ist eine stär-
kere regionale Kooperation dringend erforderlich. Dies gilt besonders mit Blick
auf Pakistan, wo noch immer die Grenzgebiete zu Afghanistan den Taliban als
Rekrutierungs- und Rückzugsort dienen.

Der Deutsche Bundestag nimmt das Angebot der Shanghai Cooperation Orga-
nization (SCO) vom 28. August 2008 zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit
der ISAF hinsichtlich der Bekämpfung des Drogenhandels interessiert zur
Kenntnis, und fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit unseren Part-
nern entsprechende Möglichkeiten konkreter Kooperation zu prüfen.

Zugleich muss der Wiederaufbau in Afghanistan erheblich verstärkt werden.
Dies schließt auch die Bekämpfung der Korruption in der afghanischen Regie-
rung und Verwaltung ein. Insbesondere im Vorfeld der im Jahr 2009 anstehen-
den Wahlen in Afghanistan müssen Deutschland und die internationale Gemein-
schaft bei der Regierung unter Präsident Hamid Karzai die konsequente Be-
kämpfung der Kriminalität innerhalb des afghanischen Staatsapparates durch-
setzen. Die Ernennung eines neuen Innenministers durch den Präsidenten
Hamid Karzai ist in dieser Hinsicht als ermutigendes Signal zu werten.

Der Deutsche Bundestag nimmt die Versicherung der Bundesregierung zur
Kenntnis, dass unter diesem Mandat ein Einsatz von AWACS-Flugzeugen
weder beabsichtigt noch möglich ist. Er fordert die Bundesregierung auf, deut-
lich zu machen, dass eventuelle Änderungen im OEF-Mandat (OEF: Operation
Enduring Freedom) keine Auswirkungen auf den nach wie vor möglichen Ein-
satz von Spezialkräften unter dem ISAF-Mandat haben. Zudem erwartet der
Deutsche Bundestag eine offenere Informationspolitik der Bundesregierung ge-
genüber dem Parlament, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu Dokumen-
ten, die der Geheimhaltung unterliegen. Es ist nicht akzeptabel, wenn dem Deut-
schen Bundestag über Wochen wesentliche NATO-Dokumente zum Afghanis-
taneinsatz vorenthalten werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Konzept der vernetzten Sicherheit konsequent umzusetzen;

2. den Polizeiaufbau, insbesondere im Bereich der Ausbildung, deutlich zu for-

cieren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10588

3. neben den militärischen und polizeilichen auch die zivilen Wiederaufbau-
bemühungen zu verstärken und insbesondere die Koordinierung des Wieder-
aufbaus zu verbessern;

4. im Rahmen der internationalen Gemeinschaft dafür Sorge zu tragen, dass ein
funktionierendes Justizsystem installiert wird;

5. gemeinsam mit den Partnern die afghanischen Sicherheitskräfte so zu unter-
stützen, dass diese energischer und erfolgreicher als bisher Schlafmohnanbau
und Drogenhandel bekämpfen können;

6. gegenüber der afghanischen Regierung deutlich zu machen, dass die konse-
quente Bekämpfung von Korruption und anderer schwerer Kriminalität in der
afghanischen Regierung und Verwaltung mit wesentlich mehr Nachdruck
verfolgt werden muss;

7. für eine bestmögliche Ausrüstung der eingesetzten Soldaten Sorge zu tragen;

8. bei unseren Partnern nachdrücklich für einen stärkeren regionalen Ansatz bei
der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und eine pragmatische Zu-
sammenarbeit mit allen von den Problemen in Afghanistan betroffenen Län-
dern in der Region zu werben;

9. dem Deutschen Bundestag alle relevanten Informationen hinsichtlich der
aktuellen Entwicklungen und der internationalen Stabilisierungsbemühun-
gen ohne Zeitverzug zur Verfügung zu stellen.

Berlin, den 14. Oktober 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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