BT-Drucksache 16/10328

Aufbau von privatem Bildungskapital fördern - Grundlage für Bildungsinvestitionen schaffen

Vom 24. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10328
16. Wahlperiode 24. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Ulrike Flach, Cornelia Pieper,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Markus Löning, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Aufbau von privatem Bildungskapital fördern – Grundlage für
Bildungsinvestitionen schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Angesichts der sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung
auf nationaler Ebene und im globalen Kontext bedarf es einer verstärkten
Qualifizierung der Bevölkerung durch Angebote des tertiären Bildungssektors
als auch des Weiterbildungssystems insgesamt. Waren früher rudimentäre Basis-
kenntnisse von Schrift und Mathematik ausreichend, um in der Arbeitswelt
bestehen zu können, so reichen diese in der heutigen Zeit bei Weitem nicht mehr
aus.

Berufliche Entwicklungschancen und Perspektiven sowie auch Möglichkeiten
der gesellschaftlichen Teilhabe sind in der heutigen Wissensgesellschaft maß-
geblich an das Vorhandensein höherer Bildungsabschlüsse und Qualifikationen
geknüpft. Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Hochschulab-
solventen mit 8 Prozent dreimal seltener durch Armut gefährdet sind als Perso-
nen ohne beruflichen Abschluss. Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist für Akade-
miker mit einer Quote von 2 bis 3 Prozent (vgl. „Absolventenpanel 2001“,
Hochschul-Informations-System GmbH 2008) deutlich geringer als das der Ver-

gleichsgruppe, die Aussicht auf ein höheres Einkommen wesentlich größer (vgl.
„Leben in Europa“, Statistisches Bundesamt 2006).

Der Bildungsbericht 2008 hält in diesem Sinne fest, dass „ein höherer Bildungs-
abschluss nicht nur mit Vorteilen im Beschäftigtenstatus verbunden [ist], son-
dern in der Regel auch mit einer günstigeren Einkommenssituation. […] Für
Deutschland liegt der relative Verdienst mit einem Abschluss im Tertiärbereich

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etwa um die Hälfte höher als mit einem Abschluss des Sekundarbereichs II. Eine
geringere Einkommensdifferenz zeichnet sich zwischen Erwerbspersonen mit
einem Abschluss unterhalb des Sekundarbereichs II im Vergleich zu jenen mit
einem Abschluss im Sekundarbereich II ab“ („Bildung in Deutschland 2008“,
Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Schließlich kommt die Auto-
rengruppe „Bildungsberichterstattung“ zu dem Schluss, dass sich Bildung im
Sinne des Erwerbs höherer Abschlüsse durchaus auszahle. Dementsprechend
würden Personen ohne mindestens einen beruflichen Abschluss nicht nur häufi-
ger unter Arbeitslosigkeit zu leiden haben, sie würden zudem auch Einkom-
mensnachteile hinnehmen müssen (vgl. „Bildung in Deutschland 2008“, Auto-
rengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Private Investitionen in den Bil-
dungsbereich rentieren sich.

Die Bildungsausgaben des Jahres 2005 lagen bei insgesamt 141,6 Mrd. Euro.
Dabei wurden rund 25 Prozent dieser Investitionen seitens privater Haushalte,
Organisationen ohne Erwerbszweck und Unternehmen getragen. Die Bildungs-
berichterstatter rechnen für den tertiären Bereich in den kommenden Jahren mit
einer weiteren Erhöhung des privaten Anteils (vgl. Bundesbildungsbericht
2008). Nach den dramatischen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben für den
Weiterbildungsbereich (Rückgang der Weiterbildungsausgaben der Bundes-
agentur für Arbeit um 70 Prozent) zwischen den Jahren 1999 und 2005 ist auch
mit Blick auf dieses Bildungssegment davon auszugehen, dass der vorhergegan-
gene Mittelabbau durch zusätzliche private Anstrengungen kompensiert werden
muss.

Betrachtet man die Beteiligung privater Haushalte an den Gesamtausgaben für
Bildung im internationalen Vergleich, so stellt man fest, dass die Belastung von
Familien gerade im Elementarbereich, Primar- und Sekundarbereich vergleichs-
weise groß ist (nur übertroffen von Japan und Korea), wohingegen der private
Anteil an den Kosten einer Hochschulausbildung mit 12,9 Prozent sehr niedrig
ausfällt (vgl. OECD, EEAG 2006; „Bildungsfinanzbericht 2004/2005, Private
und öffentliche Bildungsfinanzierung“, Bund-Länder-Kommission). Dieser
Umstand wirft, gerade mit Blick auf die individuelle Rendite durch Partizipation
an höherer Bildung, Fragen nach einer gerechten Verteilung öffentlicher Res-
sourcen auf.

Dabei scheint sich eine private Beteiligung an den Kosten des weiterführenden
Bildungsangebots nicht zwangsläufig negativ auf die Zugangsmöglichkeiten von
Personen aus einkommensschwachen Milieus auszuwirken. Gerade die hohen
Studienanfängerquoten in Australien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten
deuten darauf hin (vgl. „Hochschulstandort Deutschland 2007“, Statistisches
Bundesamt, Dezember 2007). Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes
findet sich offenbar auch hierzulande kein Zusammenhang zwischen der Be-
reitschaft, ein Studium aufzunehmen und Studiengebühren (vgl.: „Studienan-
fänger – Ausreißerwert entfacht Bildungsdebatte“, FINANCIAL TIMES
DEUTSCHLAND am 30. Juli 08).

Die Bereitschaft zur Inanspruchnahme weiterführender Bildungsangebote, so-
wohl im tertiären Bereich als auch im Segment der Weiterbildung muss deutlich
gesteigert werden. Gerade der rasante technologische Fortschritt und der demo-
graphische Wandel machen dies erforderlich. Alle Akteure müssen hierzu ihren
Beitrag leisten. Doch gerade auch der einzelne Bürger ist gefragt, der sein
Potential entdecken und nutzen muss. Das setzt jedoch auch die Bereitschaft
voraus, stärkeres zeitliches und finanzielles Engagement zu demonstrieren.
Dementsprechend sollten Forderungen nach Weiterbildung in der Ferienzeit als
eine wichtige Alternative aufgegriffen und unterstützt werden. Ebenso sind
finanzielle Eigenleistungen durchaus zumutbar – es sollte nicht ausschließlich

auf die Initiative von Seiten des Staates oder der Betriebe gepocht und gewartet
werden.

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Der Umstand, dass die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel mit der
Bezeichnung „Weiterbildungssparen“ der breiten Öffentlichkeit präsentiert hat,
weißt darauf hin, dass zumindest die Notwendigkeit zur weitergehenden Quali-
fizierung breiter Teile der Bevölkerung erkannt worden ist. Allerdings ist das
Regierungsmodell nicht dazu geeignet, die hierfür erforderlichen Impulse zu
schaffen.

Durch die einseitige Ausrichtung auf den Bereich der Weiterbildung, und
dadurch gezwungenermaßen die Ausklammerung des tertiären Sektors, wird
– möglicherweise unbeabsichtigt – der Versäulung des Bildungsbereichs voran-
getrieben. Doch gerade zwischen den Bereichen der Berufsausbildung, der
Hochschulbildung und dem wachsenden außeruniversitären Weiterbildungs-
sektors gilt es neue Brücken zu schlagen. Eine zu enge Definition der Parameter
für die Verwendung der gesparten Guthaben oder die Begrenzung der Ziel-
gruppe auf den Kreis von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirkt diesem
Ziel entgegen. Bildungssparen muss grundsätzlich allen Gesellschaftsgruppen
offenstehen und für jede Bürgerin und jeden Bürger möglich sein.

Doch nicht allein die einseitige Ausrichtung des von der Bundesregierung prä-
sentierten Modells des „Weiterbildungssparens“ ist problematisch. Das Konzept
ist überkomplex und die Vorteile lassen sich für den einzelnen Bürger nicht ohne
intensive Auseinandersetzung mit der Materie erschließen. Gerade mit Blick auf
die Zielgruppe der Geringverdiener müssen die Hoffnungen auf einen hohen
Wirkungsgrad gedämpft werden. Die subjektiven Kosten-Nutzen-Erwägungen,
gerade mit Blick auf die sog. Bildungsprämie, werden wohl leider dazu führen,
dass diese für den Staat kostspielige Maßnahme nicht in dem erwünschten Maße
Anklang finden wird. Es wäre daher vorteilhafter, die bereitgestellten Mittel so
einzusetzen, dass die Steigerung der Bildungsbereitschaft sowie die Aktivierung
privaten Kapitals zu Bildungszwecken auf effektivere Art genutzt werden.

Es gilt Impulse für ein verstärktes privates Engagement im Bildungssektor zu
initiieren. Es bedarf neben der Aufklärung über den Wert von Bildungsinvesti-
tionen weiterer staatlicher Anreize, um Bürger dazu zu motivieren, Geld für sich
oder jemanden anderen zur Finanzierung späterer Bildungsinvestitionen anzu-
legen. Gerade in diesem Zusammenhang sollten analog zur Systematik und
Logik der Förderung privaten Wohneigentums, der privaten Altersvorsorge,
Maßnahmen zur Stärkung der privaten Vermögensbildung zur Ermöglichung
späterer Bildungsinvestitionen getroffen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

von dem vorgelegten Modell des „Weiterbildungssparens“ Abstand zu nehmen
und stattdessen ein Konzept zur nachhaltigen Förderung der Bildungsbereit-
schaft und privater Bildungsinvestitionen zu erarbeiten. Dabei sollen folgende
Gesichtspunkte berücksichtigt werden:

Aufklärung und Stärkung des Bildungsbewusstseins

● Die Bundesregierung soll gemeinsam mit den Ländern, vor allem im Rahmen
der Berufsorientierung an gymnasialen Oberstufen, auf die unmittelbaren
Vorteile eines Studiums und einer kontinuierlichen weiterführenden Qualifi-
zierung hinweisen und darauf hinwirken, dass die Übergangsquote zwischen
Sekundarstufe II und den Hochschulen und Universitäten deutlich gesteigert
wird. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen zur Erhöhung der Studien-
platzkapazitäten intensiviert werden.

● Da die Bildungsentscheidungen für Einzelentscheider komplizierter gewor-
den sind bedarf es eines Aufbaus zusätzlicher qualifizierter Beratungs- und
Unterstützungsleistungen. Zu fördern sind Instrumente zur besseren Ein-

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schätzung der eigenen Kompetenzen und Leistungen im Sinne einer Stärken-
Schwächen-Analyse.

● Die Bundesregierung ist gehalten, Modelle der frühzeitigen Finanzierungs-
beratung für potentielle Studierende zu unterstützen. Hilfe suchenden
Studentinnen und Studenten, insbesondere denjenigen ohne Anspruch auf
BAföG-Förderung, soll noch vor der Aufnahme des Studiums die Erstellung
„maßgeschneiderter“ Finanzierungspläne angeboten werden. Hierfür ist das
gesamte Spektrum der öffentlichen und privaten Unterstützungsleistungen,
insbesondere Darlehen, Kredite und Stipendien heranzuziehen.

Bildungssparzulage

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Bildungssparkonzept zu erarbeiten,
welches folgenden Ansprüchen genügt:

● Bildungskonten werden eröffnet, um zum Zweck einer späteren Bildungsin-
vestition Kapital zu akkumulieren. Es steht jedem Bürger offen, für sich oder
eine andere Person ein solches Konto zu eröffnen.

● Analog zu dem Modell der Bausparförderung erhält der Bildungssparer oder
die Bildungssparerin einen staatlichen Zuschuss in Form der Bildungsspar-
zulage.

● Das Bildungssparguthaben kann grundsätzlich für alle über die schulischen
Bildungsgänge hinausreichenden Bildungsinvestitionen, zur Finanzierung
der beruflichen Qualifikation, der Hochschulausbildung, Weiterbildungs-
maßnahmen oder anderer Angebote der Erwachsenenbildung herangezogen
werden.

Evaluation

● Die Konzeptionierung und Implementierung von Maßnahmen zur Steigerung
der Übergangsquoten aus den Bereichen der schulischen und beruflichen Bil-
dung und dem Arbeitsmarkt in den Hochschulsektor und die universitäre und
außeruniversitäre Weiterbildung müssen gemeinsam mit den Ländern die
Möglichkeiten der Modularisierung intensiviert werden. Dabei ist die Wirk-
samkeit der jeweiligen Maßnahmen kontinuierlich zu überprüfen.

● Alle Planungen der Bundesregierung für Weiterbildung fördernde Pro-
gramme sind auf ihre Wirksamkeit, ihren Mehrwert und ihre Bürokratiekos-
ten hin zu prüfen und zu bemessen. Die Evaluation abgelaufener Programme
ist mit dem Abschluss der Programme vorzulegen.

● Die Maßnahmen zur Förderung des privaten Bildungssparens sind auf ihre
Wirksamkeit zu überprüfen und ggf. so anzupassen, dass ein möglichst gro-
ßer Personenkreis erschlossen wird und die eingesetzten staatlichen Mittel ef-
fektiv zum Einsatz kommen.

Berlin, den 23. September 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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