BT-Drucksache 16/10322

Schutz der Bienenvölker sicherstellen

Vom 24. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10322
16. Wahlperiode 24. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Miriam Gruß, Joachim Günther
(Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Schutz der Bienenvölker sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Honigbienen sind in Deutschland weit verbreitete Haustiere, deren Haltung eine
lange Tradition hat. Berufsimker halten Bienenvölker zur Produktion von Honig
oder um deren Bestäubungsleistung zur Unterstützung der Blütenbestäubung
z. B. in Obstplantagen anzubieten. Die Mehrzahl der Imker betreibt Imkerei als
Nebenerwerb oder Hobby. Trotz unverminderter Nachfrage nach Honig nimmt
die Zahl der Bienenvölker und die Zahl der Imker kontinuierlich ab. Nur etwa
20 Prozent des in Deutschland verkauften Honigs stammt aus deutscher Produk-
tion. 1960 wurden in Deutschland noch 1,4 Millionen Bienenvölker gezählt.
Inzwischen ist deren Anzahl auf etwa die Hälfte gesunken.

Bienen genießen eine hohe Wertschätzung. Ihr Schutz ist vielen Menschen ein
Anliegen. Wir brauchen sie zur Bestäubung der insektenblütigen Pflanzen und
zur Produktion von Honig. Für den Schutz der Bienen ist entscheidend, dass wir
genau wissen, wodurch sie gefährdet sind. Nur eine sorgfältige Ursachen-
forschung ermöglicht es, die Umweltfaktoren zu identifizieren, die Bienen-
völker gefährden und sie dann möglichst weitgehend abzustellen.

Ende der siebziger Jahre gelangte durch Bienenimporte die Varroa-Milbe, ein
gefährlicher, auf Bienen spezialisierter Ektoparasit, aus Asien nach Mittel-

europa. Sie trägt den kennzeichnenden Namen Varroa destructor (zerstörerische
Milbe) und ernährt sich von der Körperflüssigkeit der Bienen sowie der Larven
und Puppen. Sie schwächt die Vitalität der Bienen und ist verantwortlich für
hohe Überwinterungsverluste. Die Milben sind schwer zu bekämpfen, u. a. weil
sie in der gedeckelten Bienenbrut und somit nicht zugänglich für Bekämpfungs-
maßnahmen heranwachsen. Die Überwinterungsverluste nach dem Winter
2002/2003 von über 25 Prozent wurden insbesondere durch den Befall der Völ-

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ker mit der Varroa-Milbe verursacht. In der Folge wurde ein bundesweites
Bienenmonitoring initiiert, das von der Pflanzenschutzmittelindustrie, der Tier-
gesundheitsindustrie, den Bieneninstituten und den Imkerverbänden finanziert
und von den Bieneninstituten und repräsentativ ausgewählten Imkern durchge-
führt wird. Den Vorsitz des Projektrates führt das Bundesministerium für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Es werden von Imkern freiwillig
gemeldete Bienenvölker das ganze Jahr über beobachtet, Überwinterungs-
verluste notiert, der Befall mit Parasiten und Krankheitserregern wird untersucht
und die Trachtmenge ermittelt. Etwa 120 Imker mit insgesamt über 7 000 Völ-
kern beteiligen sich an dem Projekt. Nur ein solches konzentriertes gemein-
sames Vorgehen aller Imker gegen bienengefährdende Umweltfaktoren wie ins-
besondere den Milbenbefall kann mittel- und langfristig das Wissen um diesen
Parasiten und die in der Folge auftretenden Krankheiten erbringen, um geeignete
Maßnahmen zu etablieren, die den Parasit zurückdrängen. Die Varroa-Milbe
stellt das entscheidende Problem der Bienenhaltung dar.

Pflanzenschutzmittel mit insektizider Wirkung gefährden potenziell auch
Bienen, denn Bienen sind Insekten. Durch die Methodik der Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln mit bienengefährdendem Potenzial muss sicher ausge-
schlossen werden, dass Bienen sowie andere Nichtzielorganismen gefährdet
werden. Die Statistik der Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft zeigt, dass
dies in den letzten Jahrzehnten weitgehend gelungen ist. Die Anzahl der ge-
meldeten Bienenschäden ist seit 1960 auf unter 80 pro Jahr zurückgegangen
gegenüber über 350 im Schnitt der siebziger Jahre. Das Bienenmonitoring hat
bisher keine negativen Einflüsse der Saatgutbeizung durch Insektizide der
Gruppe der Neonicotinoide für die Gesundheit der Bienen festgestellt. Immerhin
wurden in den vergangenen Jahren Mais und Raps, deren Samen zumeist gebeizt
wird, auf zusammen über 3 Mio. Hektar Fläche ausgesät (in 2008 1,8 Mio. Hek-
tar Mais). In Frankreich ist das Neonicotinoid Imidacloprid seit 1999 verboten,
ohne dass eine Verbesserung der Bienengesundheit beobachtet wurde. Die
Untersuchungsergebnisse aus der Praxis haben die Einstufung der Beizung mit
Imidacloprid als bienenungefährlich bestätigt.

In Südwestdeutschland sind in diesem Frühjahr nach Information des Julius
Kühn-Instituts (JKI) etwa 11 000 Bienenvölker teilweise schwer geschädigt
worden. Die Untersuchungen des JKI ergaben, dass bei der Aussaat von mit dem
Insektizid Clothianidin gebeiztem Maissaatgut mit pneumatischen Sämaschinen
durch Abrieb Staub entstand, der mit einem hohen Gehalt an Beizmittel in die
Umwelt verweht wurde. Dadurch ist es auf blühende Pflanzen gelangt, die von
Bienen besucht wurden und viele von ihnen töteten. Die Herstellerfirma des
Pflanzenschutzmittels hat freiwillig eine Soforthilfe in Höhe von etwa 2 Mio.
Euro angeboten. Bei der Anwendung des Beizmittels für Raps haben sich keine
Probleme ergeben. Der Vorfall zeigt, dass Beizmittel, Haftmittel und der Typ der
verwendeten Sämaschine gemeinsam geprüft werden müssen. Die Saatgut-
beizung ist eine sinnvolle Pflanzenschutzmaßnahme, da das Gefährdungspoten-
tial für Nichtzielorganismen bei Saatgutbeizung deutlich geringer ist als beim
Sprühen von Pflanzenschutzmitteln. Mit Beizmitteln können Pflanzen bereits
beim Keimen vor Schädlingsbefall (Pilz- oder Insektenbefall) geschützt werden.
Die benötigten Mengen und damit die Kosten sind vergleichsweise gering, die
Natur wird nur wenig belastet und die Wirkung ist hoch.

Im vergangenen Jahr ist in Deutschland erstmalig der westliche Maiswurzel-
bohrer beobachtet worden. Dieser Käfer verursacht in den USA Schäden in
Höhe von etwa 1 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Durch ihn wird der höchste Insekti-
zideinsatz aller im Ackerbau eingesetzter Insektizide verursacht. Nach Schät-
zungen des Julius Kühn-Instituts drohen bei Etablierung des Käfers in den Mais-
Dauerkulturen in Bayern und Baden-Württemberg Ernteausfälle im Wert von

44,5 Mio. Euro, Kosten für Insektizide, um sie zu verhindern, von 12,5 Mio.
Euro. Um die weitere Verbreitung des Käfers zu verhindern, hat die EU bereits

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2003 erste Quarantänemaßnahmen beschlossen. Die verstärkte Saatgutbeizung,
die in Südwestdeutschland zur Schädigung von Bienenvölkern führte, gehörte
zu den angeordneten Maßnahmen. Trotz intensiver Beizung ist es nicht gelun-
gen, ein erneutes Auftreten des Käfers in den Befallsgebieten des vergangenen
Jahres zu unterbinden. Mittel- bis langfristig sind ökologisch und landwirt-
schaftlich sinnvolle Fruchtfolgen zu entwickeln, die eine Alternative zu „Dauer-
maiskulturen“ darstellen. Die Einführung einer Fruchtfolge beim Maisanbau ist
sinnvoll, aber kurzfristig nicht durchführbar, weil in verschiedenen Regionen (in
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg) die Land-
wirtschaft auf Mais-Dauerkulturen angewiesen ist (Tierhaltung, Betrieb von
Biogasanlagen). In den Vereinigten Staaten von Amerika werden in großem
Umfang gegen den Käfer resistente gentechnisch veränderte Bt-Mais-Sorten
angebaut.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Erweiterung des von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
geförderten Verbundprojekts zur Verbesserung der imkerlichen Betriebswei-
sen zur besseren Varroa-Bekämpfung zum Schutz vor Völkerverlusten, um
weitere Aspekte der Bienenvolkgesundheit sowie die Verknüpfung des Pro-
jekts mit dem Bienenmonitoring und die Einbeziehung weiterer Fragestellun-
gen in das Bienenmonitoring wie Pollenuntersuchungen zur Feststellung der
von Bienen aufgesuchten Trachtpflanzen;

2. die Förderung der Entwicklung innovativer und effektiver Verfahren zur Var-
roa-Bekämpfung wie z. B. die Entwicklung eines Verfahrens zur Impfung der
Bienen gegen die Varroa, wie dies das letzte Expertentreffen der Weltorgani-
sation für Tiergesundheit (OIE) in Freiburg im August 2008 gefordert hat;

3. die konsequente Bekämpfung der Varroose durch alle Imker und die Verbes-
serung der Information der Imker über eine optimierte Varroa-Bekämpfung
durch Ausbildung und Beratung;

4. die sorgfältige Kontrolle von Bienenimporten zur Vermeidung der Einschlep-
pung weiterer Parasiten und Krankheiten;

5. die Überprüfung der Zulassungsverfahren von Insektiziden mit dem Ziel, die
Methodik der Anwendung bienengefährdender Pflanzenschutzmittel auf die
sichere Vermeidung der Gefährdung von Bienenvölkern u. a. durch die Ein-
beziehung der Sensitivität von Bienenbrut in die Prüfverfahren und anderen
Nichtzielorganismen auszurichten;

6. die Einführung von Qualitätskontrollen für gebeiztes Saatgut;

7. die Entwicklung einer Strategie gegen das weitere Vordringen des Maiswur-
zelbohrers, um seine Etablierung nördlich der Alpen zu verhindern und den
dann notwendig werdenden Pflanzenschutzmitteleinsatz zu vermeiden;

8. die Unterstützung der Nachwuchsförderung von Imkern, um die beobachtete
Überalterung des Berufsstandes aufzuhalten.

Berlin, den 19. September 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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