BT-Drucksache 16/10232

Verbot der "Heimattreuen Deutschen Jugend e.V." prüfen

Vom 15. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10232
16. Wahlperiode 15. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen,
Dr. Dagmar Enkelmann, Cornelia Hirsch, Dr. Lukrezia Jochimsen, Ulrich Maurer,
Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot der „Heimattreuen Deutschen Jugend e. V.“ prüfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit Besorgnis stellt der Deutsche Bundestag fest, dass der Verein „Heimattreue
Deutsche Jugend e. V.“ (HDJ) mit „mehreren hundert Mitgliedern“ (laut Ver-
fassungsschutzbericht 2007, S. 59) und einem bundesweiten Organisationsnetz
zur größten und wichtigsten Nachwuchs- und Rekrutierungsorganisation der
neofaschistischen Szene in Deutschland geworden ist. Die HDJ hat ihre
Bundesgeschäftsstelle in Berlin, ist jedoch über so genannte Leitstellen (Nord,
Süd, Mitte und West) in allen Bundesländern aktiv. Formal spaltete sich die
HDJ 1990 vom „Bund Heimattreuer Jugend e. V.“ (BHJ) ab; größeren Zulauf
erhielt der Verein jedoch 1994, nach dem Verbot gegen die „Wiking-Jugend“
(WJ), in deren Tradition sich die HDJ auch selbst sieht.

In ihrer Selbstdarstellung preist sich die HDJ als „aktive, volks- und heimat-
treue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis
29 Jahren“ (http://www.heimattreue-jugend.de/) an. Ziel der HDJ ist die ideolo-
gische Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche im Sinne der Verbreitung
völkischer, rassistischer, nationalistischer und NS-verherrlichender Ansichten.
Die HDJ begreift sich als entscheidende Instanz zur Heranbildung einer neo-
faschistischen Elite. Ihre besondere Gefährlichkeit liegt in ihrer Ausrichtung
auf Kinder und Jugendliche, die im Rahmen einer neofaschistischen Parallel-
welt in Form von Zeltlagern, Ferienfreizeiten und sonstigen Freizeitaktivitäten
mit rechtsextremer Ideologie indoktriniert werden. Drill, Abhärtung und solda-
tische Erziehungsideale prägen den Alltag der HDJ-Aktivitäten und üben damit
nachhaltige Wirkung auf Kinder und Jugendliche aus, die zumeist Familien ent-
stammen, die intensive Beziehungen zur neofaschistischen Szene besitzen.

„Mein Glaube ist Kampf“ heißt einer der Leitsätze der HDJ, wie sie im Ver-
einsmagazin „Funkenflug“ verbreitet werden. Vom „Ideal der soldatischen Er-
ziehung“ und der Aufgabe, „Volksbewusstsein in jedem Einzelnen zu formen“,
wird hier gesprochen. In der Sprache des Faschismus heißt es im „Funkenflug:

,Wenn für dich dein Volk alles ist und du bereit bist, für das, was du liebst, auf-
zustehen, alles zu wagen und zu kämpfen, dann ist dein Platz bei uns.‘“ Die
HDJ trägt als Jugendorganisation entscheidend zur Verfestigung der extrem
rechten Szene bei, bietet sie doch einen wichtigen Anlaufpunkt für rechts-
extreme Familien, die so auch im Freizeit- und Jugendbereich umfassende
Angebote finden. Der weiteren Etablierung rechtsextremer Parallelwelten wird
somit Vorschub geleistet.

Drucksache 16/10232 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Über längere Jahre blieben die Aktivitäten der HDJ den zuständigen Behörden
von Polizei und Verfassungsschutz verborgen oder wurden zumindest nicht als
berichtenswert erachtet. Erst durch die nachhaltigen Recherchearbeiten von
Journalistinnen und Journalisten wurden die Aktivitäten der HDJ einer größe-
ren Öffentlichkeit bekannt. Dabei gibt es genug Anlässe, diese Organisation der
extremen Rechten genauer in den Blick zu nehmen: Die HDJ sieht sich selbst in
der Tradition der 1994 verbotenen WJ. Über zwei Jahre lang versuchte sie, die
Odalsrune, ein völkisches Symbol für „Blut und Boden“, das sowohl von der
Hitler-Jugend (HJ) als auch von der WJ genutzt wurde, für sich zu erstreiten.
Der „Bundesführer“ der HDJ, Sebastian Räbiger, war bis zum Verbot der WJ
Leiter der „Gau Sachsen“; weitere „Gauführer“ der WJ finden sich heute an
führenden Stellen in der HDJ wieder. Darüber hinaus unterhält die HDJ enge
Verbindungen zur NPD. So konnten HDJ-Veranstaltungen auf dem Gelände der NPD
stattfinden; zahlreiche Funktionäre der NPD schicken ihre Kinder zu den Zelt-
lagern der HDJ und der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Meck-
lenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, empfiehlt die „gute Jugendarbeit“ der HDJ.

Ganz im Sinne ihres „soldatischen Erziehungsideals“ tritt die HDJ in uniform-
ähnlicher Kleidung auf. Diese Uniformierung wurde der HDJ im Oktober 2007
auf Basis des generellen Uniformverbots im Rahmen des Versammlungsgeset-
zes verboten. Bis heute hält sich die HDJ nicht an dieses Verbot, wie Recher-
chen von Journalistinnen und Journalisten belegen. Ihre Verachtung für die
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland bringt der „Bundesführer“
Sebastian Räbiger zum Ausdruck wenn er äußert, man sei vom Verbot nur
„mäßig beeindruckt“ und lasse sich nicht „in die stillose BRDisten-Uniform
zwingen (…). Wir entscheiden immer noch selbst, welche Kleidungsstücke wir
tragen“ (vgl. taz, 1. Februar 2008).

Am 20. Mai 2008 kam es in Berlin, Niedersachsen und Mecklenburg-Vor-
pommern zu Wohnungsdurchsuchungen bei Aktivisten der HDJ aufgrund des
„Verdachts der strafbaren Verbreitung rechtsgerichteter Ideologien“. Ermittelt
wird u. a. gegen den „Führer der HDJ-Leitstelle Nord“. Grund für die Ermitt-
lungen ist die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts in Form einer
„Rassenschulung“ im Rahmen eines HDJ-Lagers im Januar 2008 bei
Osnabrück. Auch soll der antisemitische NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“
Kindern und Jugendlichen gezeigt worden sein.

Die hier angeführten Aktivitäten der HDJ lassen aus Sicht des Deutschen Bun-
destages ein Verbot gegen die HDJ als dringend notwendig erscheinen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot gegen die HDJ
gegeben sind, ein solches Verbot gegebenenfalls zu erlassen und sofort um-
zusetzen,

2. das Parlament zeitnah über das Ergebnis dieser Prüfung und die erlassenen
Maßnahmen zu unterrichten,

3. alle vereinsrechtlichen Möglichkeiten der HDJ (z. B. Gemeinnützigkeit) in
Absprache mit den Bundesländern zu überprüfen und, wo geboten, ein-
zuschränken,

4. bis zu einem Verbot der HDJ in Absprache mit den zuständigen Landes-
behörden das Uniformverbot gegen die HDJ tatsächlich durchzusetzen.

Berlin, den 12. September 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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