BT-Drucksache 16/10031

Zerlegung der Gewerbesteuer bei Windenergie- und Photovoltaikanlagen

Vom 22. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10031
16. Wahlperiode 22. 07. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Birgitt Bender,
Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Gerhard Schick,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zerlegung der Gewerbesteuer bei Windenergie- und Photovoltaikanlagen

Als Folge des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 4. April 2007 (Az: I R 23/06)
hat es grundsätzliche Änderungen bei der Aufteilung der Gewerbesteuer auf die
Gemeinden gegeben, in denen sich einerseits der jeweilige Geschäftssitz von
Windkraftanlagenbetreibern und andererseits die Windkraftanlagen selbst be-
finden:

● Bisher wurde der Gewerbesteuermessbetrag jeweils zu Hälfte nach den ge-
zahlten Arbeitslöhnen und nach dem Anlagevermögen nach Steuerbilanzwer-
ten zerlegt (Einigung der obersten Finanzbehörden der Bundesländer zur
besonderen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages nach § 33 des Gewer-
besteuergesetzes (z. B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom
30. Juni 2004, Aktenzeichen G 1450-48/St 31). Praktisch bedeutete dies, dass
die Gemeinde, in der sich der Geschäftssitz befand, etwa die Hälfte des Ge-
werbesteuermessbetrages erhielt, während die andere Hälfte die Gemeinden
zugeteilt bekamen, in denen sich die Windkraftanlagen befanden.

● Nach dem o. g. Urteil und den damit einhergehenden Verfügungen der
Finanzverwaltungen (z. B. Verfügung Oberfinanzdirektion Hannover vom
1. Februar 2008, Aktenzeichen G 1450-15-StO 254) erfolgt die Gewerbesteu-
erzerlegung jetzt grundsätzlich nur noch nach den gezahlten Arbeitslöhnen.
Praktisch bedeutete dies, dass die Gemeinde, in der sich der Geschäftssitz des
Windkraftanlagenbetreibers befindet, jetzt 100 Prozent des Gewerbesteuer-
messbetrages erhält, während die Gemeinden, in denen sich die Windkraftan-
lagen befinden, künftig grundsätzlich völlig leer ausgehen, weil dort unmittel-
bar keine Arbeitnehmer der Windkraftanlagenbetreiber angestellt sind.

Damit sinkt jedoch das Interesse der Standortgemeinden an einer Ansiedlung
bzw. Erneuerung (Repowering) von Windenergieanlagen erheblich. Aber auch
die Geschäftssitzgemeinden der Betreiber von Windenergieanlagen müssen den
Abzug der Unternehmen befürchten, weil es sich mehr als bisher lohnt, den Ge-
schäftssitz in eine Gemeinde mit möglichst niedrigem Hebesatz zu verlegen.

Zwar ist im Urteil wie in den bekannten Verfügungen nur von Windkraftanla-

genbetreibern die Rede. Diese Probleme treten aber offenbar auch bei Photo-
voltaikanlagen auf.

Investitionsprojekte in erneuerbare Energien dürfen aber keinesfalls gefährdet
werden. Deshalb müssen jetzt alle gesetzlichen und rechtlichen Möglichkeiten
geprüft werden, um diese Gefährdung zu vermeiden.

Drucksache 16/10031 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was hat die obersten Finanzbehörden der Länder dazu bewogen, dem
Urteil des Bundesfinanzhofs generell zu folgen?

2. Ist die Einigung der obersten Finanzbehörden der Länder einstimmig er-
folgt, und wenn nein, welche Länder haben welche Positionen eingenom-
men?

3. Welche Position hat das Bundesministerium der Finanzen bei dieser Eini-
gung der obersten Finanzbehörden der Länder eingenommen?

4. Hat das Bundesministerium der Finanzen sich bei seiner Position mit dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vorab
abgestimmt?

Wenn nein, warum nicht?

5. Haben die obersten Finanzbehörden der Länder sowie das Bundesministe-
rium der Finanzen in dieser Angelegenheiten das Gespräch mit den kom-
munalen Spitzenverbänden gesucht, und wenn ja, wann, und mit welchem
Ergebnis?

6. Wann ist dem Bundesministerium der Finanzen die in der Einleitung
geschilderte Problematik bekannt geworden, und wurde diese Problematik
geprüft?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die oben geschilderte Problematik
auch die Geschäftssitz- und Standortgemeinden der Betreiber von Photo-
voltaikanlagen betrifft?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen des Urteils des Bundes-
finanzhofs vom 4. April 2007 (Az: I R 23/06) auf den Ausbau der erneuer-
baren Energien in Deutschland?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen des Urteils des Bundes-
finanzhofs vom 4. April 2007 (Az: I R 23/06) auf die Verteilung der Ge-
werbesteuer zwischen strukturschwachen und strukturstärkeren Regionen?

10. Welche Ergebnisse hat die im EEG-Erfahrungsbericht dargelegte Prüfung
durch des Bundesministeriums der Finanzen und das Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ergeben, wie das Interesse
der Standortgemeinden an einer Ansiedlung bzw. Erneuerung von Wind-
energieanlagen (Repowering) gestärkt werden kann, und wann ist mit einer
Umsetzung der Ergebnisse zu rechnen?

11. Falls es noch keine Ergebnisse der o. g. Prüfung gibt, wann ist damit zu
rechnen?

12. Welche steuerrechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um zu
einer angemessenen Zerlegung der Gewerbesteuer zwischen den Ge-
schäftssitz- und Standortgemeinden der Betreiber von Windenergie- und
Photovoltaikanlagen zu kommen?

13. Plant die Bundesregierung steuerrechtliche Änderungen vorzunehmen, um
zu einer angemessenen Zerlegung der Gewerbesteuer zwischen den Ge-
schäftssitz- und Standortgemeinden der Betreiber von Windenergie- und
Photovoltaikanlagen zu kommen, und falls ja, welche Änderungen sind ge-
plant, und wann werden diese umgesetzt?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, die bisherige Praxis der
Gewerbesteuerzerlegung, bei der die Geschäftssitzgemeinde die Hälfte des
Gewerbesteuermessbetrages erhielt und die andere Hälfte entsprechend
dem in der Jahresbilanz ausgewiesenen Anlagevermögen auf die Gemein-

den verteilt wurde, in denen sich die Energieerzeugungsanlagen befinden,
ins Gewerbesteuergesetz aufzunehmen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10031

15. Welche anderen Möglichkeiten z. B. im Rahmen des Finanzausgleiches
sieht die Bundesregierung, um zu einer angemessenen Zerlegung der Ge-
werbesteuer zwischen den Geschäftssitz- und Standortgemeinden der Be-
treiber von Windenergie- und Photovoltaikanlagen zu kommen?

16. Plant die Bundesregierung andere Möglichkeiten, um zu einer angemesse-
nen Zerlegung der Gewerbesteuer zwischen den Geschäftssitz- und Stand-
ortgemeinden der Betreiber von Windenergie- und Photovoltaikanlagen zu
kommen, und falls ja, welche Änderungen sind geplant, und wann werden
diese umgesetzt?

Berlin, den 22. Juli 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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