BT-Drucksache 15/932

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht (Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz - 3. SED-UnBerG)

Vom 6. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/932
15. Wahlperiode 06. 05. 2003

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Arnold Vaatz, Ulrich Adam, Günter Baumann, Veronika
Bellmann, Dr. Christoph Bergner, Klaus Brähmig, Hartmut Büttner (Schönebeck),
Verena Butalikakis, Rainer Eppelmann, Roland Gewalt, Manfred Grund, Siegfried
Helias, Uda Carmen Freia Heller, Bernd Heynemann, Robert Hochbaum, Susanne
Jaffke, Dr. Peter Jahr, Volker Kauder, Manfred Kolbe, Michael Kretschmer, Werner
Kuhn (Zingst), Vera Lengsfeld, Peter Letzgus, Dr. Michael Luther, Dr. Angela
Merkel, Maria Michalk, Bernward Müller (Gera), Henry Nitzsche, Claudia Nolte,
Günter Nooke, Ulrich Petzold, Christa Reichard (Dresden), Katherina Reiche, Peter
Rzepka, Michael Stübgen, Antje Tillmann, Edeltraut Töpfer, Volkmar Uwe Vogel,
Andrea Voßhoff, Marco Wanderwitz und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht
(Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 3. SED-UnBerG)

A. Problem
Mit dem Ende der SED-Diktatur hat das vereinte Deutschland sich der Aufgabe
gestellt, 40 Jahre Unrecht, Verfolgung und Behördenwillkür aufzuarbeiten und
den Opfern des SED-Regimes späte Genugtuung zu geben und ihren Einsatz
für Demokratie und Freiheit zu würdigen. Durch das Erste SED-Unrechtsberei-
nigungsgesetz vom 29. Oktober 1992 wurde schnell eine Regelung für die von
DDR-Unrechtsmaßnahmen am schwersten Betroffenen geschaffen, um diesen
einen ersten Ausgleich für das erlittene Unrecht zu gewähren. Das Zweite
SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 griff dann die Fragen der
verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung auf und verbesserte die
Situation der Opfer politischer Verfolgung in den neuen Ländern in diesen Be-
reichen nachhaltig. Weitere Fortschritte für eine Verbesserung der Situation der
Opfer der SED-Diktatur waren mit den Gesetzen zur Verbesserung rehabilitie-
rungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehe-
maligen DDR vom 1. Juli 1997 und vom 17. Dezember 1999 zu verzeichnen.
Dennoch bleiben angesichts der Schwere der erlittenen Verfolgungsmaßnah-
men die bisherigen Regelungen aus Sicht der SED-Opfer unbefriedigend. Ins-
besondere haben sich in der Verwaltungspraxis zahlreiche Defizite bei der ver-
waltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung zu Lasten der Betroffenen
gezeigt. Darüber hinaus führte die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung und
Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vorgenom-
mene Novellierung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes nur in sehr be-
grenztem und unausgewogenem Maße zu einem rentenrechtlichen Ausgleich
für die Verfolgten. Da andererseits aber in Umsetzung der Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 zu Fragen der Überleitung von
Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen

Drucksache 15/932 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung die Renten der hauptamtlichen
Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und von systemstützenden
Partei- und Staatsfunktionären angehoben wurden, hat sich die Gerechtigkeits-
lücke zwischen Verfolgten und Verfolgern zu Ungunsten der Opfer weiter ver-
größert.
Die Gesellschaft bleibt daher weiterhin verpflichtet, sich solidarisch gegenüber
den Menschen zu verhalten, die unter dem SED-Regime am schwersten gelitten
haben: den Opfern individueller politischer Verfolgung. Es muss Anliegen der
Demokratie sein, den Einsatz und das Handeln dieser Menschen für eine rechts-
staatliche und freiheitliche Ordnung unter den Bedingungen einer Diktatur an-
gemessen und sichtbar zu würdigen.
Mit dem Gesetzentwurf, der in modifizierter Form einen bereits in der 14. Wahl-
periode eingebrachten Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU des
Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 14/3665) wieder aufgreift, wird
dieser gesellschaftspolitischen Aufgabe Rechnung getragen. Die hierin vorge-
sehene Gewährung einer Opferpension in Abhängigkeit der Dauer der Ver-
folgungsmaßnahmen stellt eine symbolische finanzielle Anerkennung der erlit-
tenen Nachteile und Schädigungen in diesem Sinne dar. Sie ist sichtbarer
Ausdruck für den besonderen Wert, den unsere Gesellschaft dem Handeln von
Menschen beimisst, die sich gegen die Diktatur der SED gewehrt und unter
Einsatz ihres Lebens und um den Preis erheblicher persönlicher und sozialer
Nachteile für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben.
Mit der neuerlichen Erhöhung der Kapitalentschädigung nach dem Strafrecht-
lichen Rehabilitierungsgesetz wird der zu kurz gegriffene Ansatz des Zweiten
Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer
der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 17. Dezember 1999
korrigiert. Die dort vorgenommene Angleichung der Kapitalentschädigung an
den Entschädigungssatz, wie ihn im Rechtsstaat Inhaftierte erhalten, verkennt,
dass die Gefängnisse in der ehemaligen DDR in keiner Weise mit den Haft-
anstalten des Rechtsstaates vergleichbar waren.

B. Lösung
Durch ein Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz wird die Situation der Opfer
politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet deutlich verbessert. Mit einer Opfer-
pension hebt die Bundesrepublik Deutschland den besonderen Stellenwert und
die herausragende Bedeutung dieses Widerstands gegen die zweite deutsche
Diktatur für das heutige ungeteilte Deutschland hervor. Gleichzeitig trägt der
materielle Wert der Opferpension dazu bei, die sich aus der Umsetzung der bis-
herigen Regelungen ergebenden Defizite zu lindern. Die Erhöhung der Kapital-
entschädigung für die politischen Häftlinge des SED-Regimes trägt der mit
rechtsstaatlichen Vollzugsvorstellungen nicht vergleichbaren besonderen Härte
der Haft unter den Bedingungen einer Diktatur Rechnung und unterstreicht die
besondere Würdigung des dort erlittenen Schicksals noch einmal in eindring-
licher Weise.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Schätzungen gehen von einem Kreis von rund 150 000 noch lebenden Antrags-
berechtigten aus, von denen etwa 55 vom Hundert einer Verfolgungszeit von
bis zu zwei Jahren ausgesetzt waren. Hierauf basierend ist durch das Gesetz

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/932

über eine Opferpension von einer jährlichen Anfangsbelastung der öffentlichen
Haushalte mit etwa 180 Mio. Euro auszugehen. Hiervon trägt der Bund 60 vom
Hundert, also 108 Mio. Euro, die Länder 40 vom Hundert, somit 72 Mio. Euro.
Bedingt durch das hohe Lebensalter vieler Betroffener ist jedoch auf Dauer mit
abnehmenden Aufwendungen zu rechnen.
Durch die Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und der da-
raus resultierenden Erhöhung der Kapitalentschädigung ergeben sich unter Zu-
grundelegung der von der Bundesregierung mit dem Zweiten Gesetz zur Ver-
besserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für die Opfer der politischen
Verfolgung in der DDR vorgelegten Annahmen geschätzte Kosten für Nach-
zahlungen und eventuelle Neuanträge in Höhe von insgesamt rund 409 Mio.
Euro. Hiervon erstattet der Bund den Ländern 65 vom Hundert, also rund
266 Mio. Euro. Die durch das Gesetz den Ländern entstehenden zusätzlichen
Verwaltungskosten sind nicht bezifferbar, dürften sich aber im Rahmen halten,
da in erheblichem Umfang auf bereits getroffene Verwaltungsentscheidungen
abgestellt wird.

E. Sonstige Kosten
Keine

Drucksache 15/932 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht
(Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 3. SED-UnBerG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz über eine Opferpension für die Opfer
politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt die Gewährung einer Opferpension
für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet.

§ 2
Politische Verfolgung

(1) Wer in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 2. Oktober 1990
1. infolge einer in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages

genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu Unrecht erlittenen
Freiheitsentziehung nach § 1 oder § 2 des Strafrechtli-
chen Rehabilitierungsgesetzes oder

2. infolge eines Gewahrsams nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
oder 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes oder

3. durch eine Maßnahme nach § 1 oder § 3 des Beruflichen
Rehabilitierungsgesetzes belastet wurde, ist Opfer politi-
scher Verfolgung im Beitrittsgebiet im Sinne dieses Ge-
setzes, soweit die zu Unrecht erlittene Freiheitsentzie-
hung mindestens ein Jahr oder die bescheinigte Verfol-
gungszeit oder bescheinigte verfolgungsbedingte Unter-
brechung der Ausbildung vor dem 3. Oktober 1990 mehr
als zwei Jahre betragen hat.
(2) Die politische Verfolgung kann durch eine Rehabili-

tierungsentscheidung nach dem Strafrechtlichen Rehabili-
tierungsgesetz oder dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz
oder durch eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häft-
lingshilfegesetzes nachgewiesen werden.

(3) Erfordert die Erteilung einer Bescheinigung nach
§ 17 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes vor-
aussichtlich längere Zeit, kann die Rehabilitierungsbehörde
als Grundlage für Leistungen nach diesem Gesetz eine vor-
läufige Bescheinigung erteilen. Diese Bescheinigung hat
die Angaben nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 1
und 2 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes zu enthal-
ten. In diesen Fällen ist die Verfolgteneigenschaft oder die
Verfolgung als Schüler glaubhaft zu machen. Die Rehabili-
tierungsbehörde kann zu diesem Zweck – auch zum Nicht-
vorliegen der Ausschließungsgründe gemäß § 5 dieses Ge-
setzes – eine Versicherung an Eides statt verlangen und ab-
nehmen.

§ 3
Opferpension

(1) Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet erhal-
ten auf Antrag eine Opferpension

1. bei einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung von
insgesamt mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren in
Höhe von 150 Euro monatlich,

2. bei einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung, bei
einer bescheinigten Verfolgungszeit oder einer beschei-
nigten verfolgungsbedingten Unterbrechung der Ausbil-
dung
a) von insgesamt mehr als zwei Jahren bis zu fünf Jah-

ren in Höhe von 300 Euro monatlich,
b) von insgesamt mehr als fünf Jahren bis zu neun Jah-

ren in Höhe von 400 Euro monatlich,
c) von insgesamt mehr als neun Jahren in Höhe von

500 Euro monatlich.
(2) Leistungen werden nach Zuerkennung der Opferpen-

sion monatlich im Voraus, rückwirkend ab dem Monat der
Antragstellung, jedoch frühestens ab Inkrafttreten dieses
Gesetzes, gewährt.

(3) Die Bewilligung einer Opferpension schließt die Ge-
währung weiterer Leistungen nach Artikel 1 dieses Gesetzes
aus.

§ 4
Zusammentreffen mit anderen Vorschriften

(1) Leistungen für Opfer im Beitrittsgebiet erlittener poli-
tischer Verfolgungsmaßnahmen nach anderen Gesetzen
werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(2) Die Opferpension wird bei Sozialleistungen, deren
Gewährung vom Einkommen abhängig ist, nicht als Ein-
kommen angerechnet.

(3) Der Anspruch auf die Opferpension ist unpfändbar
und nicht vererbbar. Die Gewährung erfolgt einkommen-
steuerfrei.

§ 5
Ausschließungsgründe

§ 2 Abs. 1 des Häftlingshilfegesetzes gilt entsprechend.
§ 6

Rehabilitierungsbehörde, Verfahren, Kosten
(1) Der Antrag auf Gewährung einer Opferpension ist

durch den Betroffenen oder einen bevollmächtigten Vertre-
ter schriftlich bei der örtlich zuständigen Rehabilitierungs-
behörde bis spätestens zum 31. Dezember 2006 zu stellen.
Danach kann ein Antrag nur innerhalb von 6 Monaten nach
Bestandskraft der Entscheidung einer Rehabilitierungsbe-
hörde über das Vorliegen einer Verfolgungsmaßnahme nach
§ 2 Abs. 1 gestellt werden.

(2) Zuständig ist die Rehabilitierungsbehörde des Lan-
des, in dessen Gebiet nach dem Gebietsstand vom 3. Okto-
ber 1990 Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1
stattgefunden haben. Sind hiernach die Rehabilitierungsbe-
hörden mehrerer Länder zuständig, so entscheidet die Be-
hörde, bei der zuerst ein Antrag gestellt wird. Im Fall des
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ist für die Gewährung der Leistung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/932

die Rehabilitierungsbehörde zuständig, die über den Antrag
zu entscheiden hat. Für die Betroffenen gemäß § 2 Abs. 1
Nr. 2 sind die von den Landesregierungen nach § 10 Abs. 2
des Häftlingshilfegesetzes bestimmten Stellen zuständig.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
andere Zuständigkeiten begründen.

(3) Die zuständige Behörde kann die Akten der dem An-
trag zugrunde liegenden Rehabilitierungsverfahren beizie-
hen. Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist,
gelten bis zum Erlass entsprechender landesrechtlicher Be-
stimmungen die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensge-
setzes, des Verwaltungszustellungsgesetzes und des Verwal-
tungs-Vollstreckungsgesetzes.

(4) Das Verwaltungsverfahren vor der Rehabilitierungs-
behörde einschließlich des Widerspruchsverfahrens ist kos-
tenfrei. In Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Verwal-
tungsrechtsweg eröffnet. § 16 Abs. 1 des Verwaltungsrecht-
lichen Rehabilitierungsgesetzes gilt entsprechend.

§ 7
Kosten für Leistungen nach diesem Gesetz

Von den Aufwendungen, die den Ländern durch Geld-
leistungen nach diesem Gesetz entstehen, trägt der Bund
60 vom Hundert.

Artikel 2
Änderung des Einkommensteuergesetzes

Das Einkommensteuergesetz in der Neufassung vom
16. April 1997 (BGBl. I S. 821), zuletzt geändert durch Ge-
setz vom 15. Januar 2003 (BGBl. I S. 58) wird wie folgt ge-
ändert:
§ 3 Nr. 23 wird wie folgt geändert:
„… die Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz, dem
Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, dem Verwaltungs-

rechtlichen Rehabilitierungsgesetz, dem Beruflichen Reha-
bilitierungsgesetz und dem Gesetz über eine Opferpension;
…“.

Artikel 3
Änderung des Strafrechtlichen

Rehabilitierungsgesetzes
§ 17 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in der

Fassung vom 17. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2662) wird
wie folgt geändert:
1. In Absatz 1 wird die Angabe „600 Deutsche Mark“

durch die Angabe „500 Euro“ ersetzt.
2. In Absatz 5 Satz 2 werden die Angabe „50 Deutsche

Mark“ durch die Angabe „218,79 Euro“ und die Angabe
„300 Deutsche Mark“ durch die Angabe „346,61 Euro“
ersetzt.

3. Nach Absatz 5 wird folgender Absatz 6 angefügt:
„(6) Berechtigte, denen bereits eine Kapitalentschädi-

gung nach § 17 Abs. 1 in Verbindung mit Absatz 2 in der
bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung gewährt
worden ist, erhalten auf Antrag eine Nachzahlung. So-
weit die Nachzahlung in der bis zum 31. Dezember 2003
geltenden Fassung bewilligt worden ist, beträgt die
Nachzahlung 193,22 Euro für jeden angefangenen Ka-
lendermonat einer mit wesentlichen Grundsätzen einer
freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren
Freiheitsentziehung. Absatz 5 Satz 3 und 4 gilt entspre-
chend.“

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2004 in Kraft.

Berlin, den 6. Mai 2003

Arnold Vaatz Bernd Heynemann Henry Nitzsche
Ulrich Adam Robert Hochbaum Claudia Nolte
Günter Baumann Susanne Jaffke Günter Nooke
Veronika Bellmann Dr. Peter Jahr Ulrich Petzold
Dr. Christoph Bergner Volker Kauder Christa Reichard (Dresden)
Klaus Brähmig Manfred Kolbe Katherina Reiche
Hartmut Büttner (Schönebeck) Michael Kretschmer Peter Rzepka
Verena Butalikakis Werner Kuhn (Zingst) Michael Stübgen
Rainer Eppelmann Vera Lengsfeld Antje Tillmann
Roland Gewalt Peter Letzgus Edeltraut Töpfer
Manfred Grund Dr. Michael Luther Volkmar Uwe Vogel
Siegfried Helias Maria Michalk Andrea Voßhoff
Uda Carmen Freia Heller Bernward Müller (Gera) Marco Wanderwitz

Dr. Angela Merkel, Michael Glos
und Fraktion

Drucksache 15/932 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines
Das Dritte SED-Unrechtsbereinigungsgesetz führt die we-
sentlichen heute noch bestehenden Probleme bei der Bewäl-
tigung des vom SED-Regime geschaffenen Unrechts einer
vor allem für die Opfer befriedigenden Lösung zu. Das Ge-
setz über eine Opferpension für die Opfer politischer Verfol-
gung im Beitrittsgebiet würdigt die herausragende Bedeu-
tung des Einsatzes der Betroffenen bei ihrem Widerstand
gegen die zweite deutsche Diktatur. Dadurch soll auch die
gesellschaftliche Bedeutung dieses mutigen Einsatzes für
eine rechtsstaatliche und freiheitliche Ordnung auch bei-
spielgebend für die heutige Demokratie im wiedervereinig-
ten Deutschland herausgestellt werden. Diese Menschen
haben unter Einsatz ihres Lebens bewusst erhebliche per-
sönliche und soziale Nachteile für mehr Freiheit und
Demokratie in Kauf genommen. Die bisherigen fiskalpoli-
tisch motivierten Überlegungen, die einer angemessenen
Würdigung bislang entgegengestanden haben, lassen sich
angesichts der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen
Entscheidungen vom 28. April 1999 zu Fragen der Überlei-
tung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und
Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche
Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands
und der Umsetzung dieser Entscheidungen durch die Bun-
desregierung nicht länger aufrechterhalten.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungs-
rechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfol-
gung in der ehemaligen DDR vom 17. Dezember 1999 hatte
die neue Bundesregierung für sich in Anspruch genommen,
den politischen Gefangenen des SED-Regimes nunmehr
endlich Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Die dort getrof-
fene Erhöhung der Beträge der Kapitalentschädigung hat
tatsächlich bestehende Probleme in diesem Bereich korri-
giert. Dies ist anzuerkennen. Allerdings spiegelte die Erhö-
hung von vornherein nicht die notwendige Anerkennung der
besonderen Haftbedingungen in einem Unrechtsregime wi-
der. Der Ansatz war daher unter Gerechtigkeitsgesichts-
punkten verfehlt. Die vorgenommene Anhebung der Kapi-
talentschädigung auf einen Entschädigungssatz, wie ihn im
Rechtsstaat Inhaftierte erhalten, verkennt völlig, dass die
Gefängnisse in der ehemaligen DDR in keiner Weise mit
den Haftanstalten des Rechtsstaates vergleichbar waren.
Aus diesem Grunde ist eine erneute Korrektur bei der Höhe
der Kapitalentschädigung angemessen und notwendig. Mit
einem Betrag von 500 Euro liegt sie nunmehr deutlich über
der allgemeinen Entschädigung nach dem Gesetz über die
Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Der Ge-
setzgeber stellt sich damit einmal mehr der moralischen
Verpflichtung, die das wiedervereinigte Deutschland auch
für das Handeln des DDR-Regimes übernommen hat.

B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1
Zu § 1 (Anwendungsbereich)
Die Vorschrift regelt den Anwendungsbereich des Gesetzes.

Zu § 2 (Politische Verfolgung)
Die Vorschrift legt die Grundlagen für die Gewährung einer
Opferpension fest. Absatz 1 schließt dabei an den vomErsten
und Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz verwendeten
Begriff der politischenVerfolgung durch das SED-Regime an
(Bundestagsdrucksachen 12/1608 und 12/4994). Durch ihren
zweiten Halbsatz wird klargestellt, dass für die Gewährung
einer Opferpension eine über einen erheblichen Zeitraum an-
dauernde Verfolgung durch die SED-Diktatur vorliegen
muss. Bei mehreren Verfolgungsmaßnahmen kommt es für
die Höhe der Leistung auf die Gesamtverfolgungsdauer an.
Absatz 2 dient zum einen der Verfahrenserleichterung: Mit
der Bezugnahme auf Rehabilitierungsentscheidungen nach
dem Strafrechtlichen oder Beruflichen Rehabilitierungs-
gesetz sowie auf das Häftlingshilfegesetz werden umständ-
liche Sachverhaltsermittlungen weiträumig entbehrlich.
Gleichzeitig wird deutlich, dass im Regelfall ein solches
Verfahren vor der Gewährung einer Opferpension bereits
durchlaufen sein soll, eine rechtsstaatliche Überprüfung des
Sachverhalts also bereits geschehen ist.
Um in begründeten Fällen auch die Möglichkeit zu eröff-
nen, eine Opferpension ohne diesen Vorlauf gewähren zu
können, ermöglicht das Gesetz in Absatz 3 die Glaubhaft-
machung in Anlehnung an § 18 des Beruflichen Rehabilitie-
rungsgesetzes.
Zu § 3 (Opferpension)
Die Höhe der auf Antrag gewährten monatlichen Opfer-
pension bemisst sich nach Stufen entsprechend der Ver-
folgungszeit.
Absatz 2 stellt die Zahlungsweise der Opferpension klar.
Da eine Verfolgungsmaßnahme in verschiedenen Bundes-
ländern stattgefunden haben kann, stellt Absatz 3 klar, dass
die Gewährung einer Opferpension weitere Ansprüche nach
diesem Gesetz ausschließt.
Zu § 4 (Zusammentreffen mit anderen Vorschriften)
Die Opferpension soll dem Opfer politischer Verfolgung un-
geschmälert verbleiben. Andere dem Opfer zustehende indi-
viduelle Ansprüche auf staatliche Leistungen sollen hier-
durch nicht berührt werden. Absatz 3 stellt klar, dass es sich
insoweit um eine höchstpersönliche Zahlung handelt.
Zu § 5 (Ausschließungsgründe)
Ausschließungsgründe sind in Wiedergutmachungs- und
Entschädigungsgesetzen weithin üblich und in einem Ge-
setz zur Bereinigung des SED-Unrechts geradezu zwin-
gend. Die Vorschrift nimmt deshalb auf die entsprechende
Regelung des § 2 Abs. 1 des Häftlingshilfegesetzes Bezug.
Danach sind Leistungen ausgeschlossen, wenn Personen
dem vormals herrschenden politischen System erheblich
Vorschub geleistet haben, durch ihr Verhalten gegen die
Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit
verstoßen haben oder wegen vorsätzlicher Straftaten zu
Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als drei Jahren rechts-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/932

kräftig verurteilt worden sind, jedoch nicht, soweit die Ver-
urteilung auf in § 2 Abs. 1 genannten Gründen beruht.
Zu § 6 (Rehabilitierungsbehörde, Verfahren, Kosten)
Absatz 1 Satz 1 stellt klar, dass die Gewährung einer Opfer-
pension nur auf Antrag erfolgt. Die Vorschrift befristet zu-
dem die Möglichkeit, Anträge bis zum 31. Dezember 2006
zu stellen. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist, die weder
verlängert werden kann, noch eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zulässt. Verfristet gestellte Anträge hat die
zuständige Behörde daher ohne weitere Feststellungen als
unzulässig zurückzuweisen. Die Ausschlussfrist dient der
Verwirklichung der rechtsstaatlichen Grundsätze des
Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. In Übereinstim-
mung mit der Wertung des Artikels 9 des Einigungsvertra-
ges, die Vergangenheit soweit als möglich auf sich beruhen
zu lassen, ist es ein unabdingbares Anliegen der Rechtsge-
meinschaft, eine klare Regelung darüber zu haben, ab wann
hoheitliches Verhalten nicht mehr in Frage gestellt werden
kann. Hier genießt das Erfordernis der Rechtssicherheit
Vorrang vor einer möglichen Einbuße an Chancen und der
Herstellung der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall.
Schließlich liegt es im Interesse der Allgemeinheit, binnen
angemessener Frist Klarheit darüber zu erlangen, welche
finanziellen Mittel insgesamt bereitzustellen sein werden.
Satz 2 lehnt sich an die Regelung des § 20 Abs. 2 des
Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes an.
Absatz 2 regelt, welche Rehabilitierungsbehörde in den Fäl-
len des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 zuständig für die Behandlung
eines Antrages ist. Im Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 2 folgt die Zu-
ständigkeit der Regelung des § 10 Abs. 2 des Hälftingshilfe-
gesetzes. Bei mehrere Länder betreffenden Verfolgungs-
maßnahmen ist die Behörde zuständig, bei der erstmalig der
Antrag gestellt wird. Außerdem wird den Ländern in ent-
sprechender Anwendung von § 25 Abs. 1 Satz 2 des Straf-
rechtlichen Rehabilitierungsgesetzes die Möglichkeit eröff-
net, andere Zuständigkeiten zu begründen.

Absatz 3 regelt einen unmittelbaren Aktenbeiziehungs-
anspruch der entscheidungsberufenen Behörde.
Absatz 4 legt die Kostenfreiheit des Verfahrens und die Gel-
tung des Verwaltungsrechtsweges fest.

Zu § 7 (Kosten für Leistungen nach diesem Gesetz)
Die Vorschrift regelt die Kostenverteilung zwischen dem
Bund und den Ländern analog der auch im Zweiten
SED-Unrechtsbereinigungsgesetz festgelegten Kostenauf-
teilung.

Zu Artikel 2
Die Opferpension ist eine steuerfreie Einnahme. Das Ein-
kommensteuergesetz wird entsprechend redaktionell ange-
passt.

Zu Artikel 3
Zu Nummer 1
Durch die Erhöhung der Kapitalentschädigung von 600
Deutsche Mark auf 500 Euro wird nunmehr ein der Haft in
den Gefängnissen der ehemaligen DDR angemessener Ent-
schädigungsbetrag für ehemalige politische Häftlinge im
Beitrittsgebiet ermöglicht.

Zu den Nummern 2 und 3
Durch den geänderten Absatz 5 und den neu angefügten
Absatz 6 wird die Möglichkeit der Nachzahlung entspre-
chend den verschiedenen Änderungsstufen des Gesetzes ge-
schaffen.

Zu Artikel 4
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.