BT-Drucksache 15/745

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/270- Waldzustandsbericht 2002 - Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings -

Vom 1. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/745
15. Wahlperiode 01. 04. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Sören Bartol, Dr. Herta Däubler-Gmelin,
Martin Dörmann, Reinhold Hemker, Gustav Herzog, Lothar Mark, Michael Müller
(Düsseldorf), Holger Ortel, Dr. Wilhelm Priesmeier, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Karsten Schönfeld, Reinhard Schultz (Everswinkel), Jella Teuchner,
Matthias Weisheit, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Manfred Helmut Zöllmer,
Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Cornelia Behm, Volker Beck (Köln), Ulrike Höfken,
Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff, Katrin Dagmar Göring-Eckardt,
Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/270 –

Waldzustandsbericht 2002
– Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings –

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach dem Waldzustandsbericht 2002 liegt der Anteil der deutlich geschädigten
Waldflächen in Deutschland (Schadstufen 2 bis 4) seit 1995 nahezu unverän-
dert bei 21 %. Dieses Schadensniveau ist immer noch zu hoch, insbesondere
angesichts der für die Wälder vergleichsweise günstigen Witterung in den
Jahren 2001 und 2002. Der Anteil der Waldfläche mit schwachen Schäden liegt
bei 44 %, und nur wenig mehr als ein Drittel der deutschen Waldflächen (35 %)
werden in dem Bericht als ungeschädigt eingestuft.
Besorgnis erregend ist die langfristig zu hohe Belastung der Waldökosysteme
durch Einträge von Luftverunreinigungen. Deren Emissionen wurden im Zuge
einer konsequenten nationalen und internationalen Luftreinhaltepolitik zwar
deutlich verringert. So gingen die Stickstoffoxid-Gesamtemissionen von 1991
bis 2000 um 41 %, die Ammoniak-Gesamtemissionen seit 1990 um rd. 19 %
und die Schwefeldioxid-Gesamtemissionen zwischen 1990 und 2000 um 85 %
zurück. Doch vor allem die versauernd bzw. eutrophierend wirkende Luftver-
unreinigung durch Stickstoffoxide aus dem Verkehr und Ammoniak aus der
Landwirtschaft ist für die Waldökosysteme immer noch zu hoch. Sie kann dazu
führen, dass Metalle in das Grundwasser ausgewaschen werden. Zudem hat in
vielen Waldböden die Freisetzung des über Jahrzehnte eingetragenen Schwefels
und Stickstoffs begonnen, die ebenfalls zur Verunreinigung von Grund- und

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Quellwasser beitragen. Hierdurch wird nicht nur die Gesundheit und Wider-
standskraft der Waldbäume gefährdet, sondern mittelfristig auch die Qualität
der Gewässer einschließlich des Trinkwassers.
Auch der globale Ausstoß von Treibhausgasen (CO2, CH4 etc.) und die dadurchhervorgerufenen Klimaveränderungen bleiben eine große Herausforderung für
die Politik des Bundes. Kommt es zu einem weiteren Anstieg der atmosphäri-
schen Durchschnittstemperatur und zu einer Zunahme von Witterungsextrema,
wird der Wald zunehmend an ökologischer Stabilität verlieren.
Das extreme Hochwasserereignis im August 2002 an Elbe und Donau hat
gezeigt, welche Herausforderungen Naturkatastrophen für den Menschen
bedeuten. Es macht deutlich, dass es neben der konsequenten Verfolgung inter-
nationaler Klimaschutzziele auch zu neuen Vorsorgestrategien im Hochwasser-
schutz kommen muss. Dies bedeutet u. a., in Auenbereichen und in besonders
erosionsgefährdeten Hanglagen so weit wie möglich und sinnvoll wieder aufzu-
forsten.
Die Umweltpolitik der Bundesregierung in der 14. Legislaturperiode war
geprägt von der Strategie der Nachhaltigkeit. Für weitere Fortschritte bei der
Erhaltung und Schaffung gesunder und widerstandsfähiger Wälder ist es uner-
lässlich, dass die Politik der Emissionsminderung, der Hinwendung zu einer
natur- und umweltfreundlichen Agrar- und Forstpolitik sowie umweltverträg-
licher und effizienter Energieerzeugung und Energienutzung fortgesetzt wird.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt
l die nationalen Anstrengungen der Bundesregierung zur Verbesserung des

Zustandes der Wälder durch
– die zu erwartenden Emissionsverminderungen bei genehmigungsbedürf-

tigen Anlagen durch die Novellierung der Technischen Anleitung zur
Reinhaltung der Luft (TA-Luft);

– die Emissionssenkungen im Rahmen des nationalen Programms zur Um-
setzung der Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmen-
gen für bestimmte Luftschadstoffe;

– die Ausrichtung der Verkehrspolitik an der Reduktion der Abgase, an ei-
ner Entkoppelung von Wirtschafts- und Verkehrswachstum durch Redu-
zierung der Transportintensität und an einer Verlagerung des Verkehrs
von der Straße auf die Schiene;

– die Maßnahmen zur Förderung des ökologischen Landbaus und die Be-
grenzung der Nutztierdichte in den Regionen mit sehr hohem Viehbesatz;

– eine Energie- und Klimaschutzpolitik, die Anreize setzt, Energie aus fos-
silen Trägern einzusparen und effizient zu nutzen und die Verbreitung er-
neuerbarer Energien fördert, insbesondere auch im Rahmen der Fortent-
wicklung der ökologischen Steuerreform;

– den Erlass der Forstvermehrungsgut-Zulassungsverordnung, der Forst-
vermehrungsgut-Durchführungsverordnung und die Änderung der Forst-
saat-Herkunftsgebietsverordnung durch die in Ausführung des Forstver-
mehrungsgutgesetzes die großflächige Umsetzung eines naturnahen
Waldbaus in Deutschland unterstützt und ein Beitrag zur Erhaltung und
nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt geleistet wird;

l die Bemühungen der Bundesregierung, angesichts der globalen Herausfor-
derung Umwelt- und Klimaschutz zu international gültigen Vereinbarungen
zu kommen, zum Beispiel durch

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/745

– die Umsetzung der Vereinbarungen des Genfer Übereinkommens über
weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen und seiner
8 Protokolle, so zuletzt das „Göteborg-Protokoll“ von 1999 zur Begren-
zung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahen Ozons;

– die Erfüllung der sich aus der Richtlinie 2001/81/EG über nationale
Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe und der Richt-
linie 2002/3/EG über den Ozongehalt der Luft ergebenden Verpflich-
tungen;

– die Unterzeichnung des „Stockholmer Abkommens über persistente orga-
nische Schadstoffe (POP Konvention)“ im Jahr 2001;

l die Vorhaben der Bundesregierung für eine konsequente Fortsetzung der
Umwelt-, Klima- und Forstpolitik im Zeichen der Nachhaltigkeit. Dies gilt
besonders für
– die Pläne zur regelmäßigen Vorlage eines Berichtes zur Umsetzung der

nationalen Nachhaltigkeitsstrategie;
– die Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz, die Initiative der Bun-

desregierung in Richtung auf ein ambitioniertes deutsches und europäi-
sches Reduktionsziel bei der Fortschreibung des Kyoto-Protokolls sowie
das Forcieren einer einheitlichen Regelung des europäischen Emissions-
handels;

– die Überarbeitung des Düngemittelrechts, um die schleichende Anreiche-
rung von Schadstoffen in den landwirtschaftlichen Böden zu unterbinden,
die Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln auf sauberen Böden auf
Dauer zu gewährleisten und den Austrag von Schad- und Nährstoffen in
Gewässer und in die Luft zu begrenzen;

– die Vorlage einer Konzeption zum Schutz des Bodens, die insbesondere
darauf abzielt, Bodenerosion und Bodenverdichtung zu vermeiden;

– die Realisierung des 5-Punkte-Programms der Bundesregierung zur Ver-
besserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes als Ergebnis der Fluss-
konferenz vom 15. September 2002 und die vorgesehene Stärkung der
Kompetenzen des Bundes beim Hochwasserschutz;

– die Zertifizierung der Waldflächen des Bundes nach den Regeln der na-
turnahen Waldbewirtschaftung sowie die Umstellung der Holzbeschaf-
fung des Bundes auf zertifizierte Produkte;

– das Eintreten der Bundesregierung für eine Reform der EU-Agrarpolitik
und dabei insbesondere für die Stärkung der zweiten Säule, die beiträgt
zu einer nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume einschließlich ihrer
Wälder;

– die Erarbeitung einer Charta für den stärkeren Holzabsatz bzw. Holzver-
wendung.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l weitere Anstrengungen zur Reduktion der Schadstoffemissionen zu unter-

nehmen, insbesondere im Bereich der Stickoxid-, Ammoniak-, Lösemittel-
und Dieselrußemissionen, sowie die Ozonminderungsstrategie weiter zu
verfolgen;

l eine Klimaschutzpolitik zu intensivieren, die die Verbrennung fossiler Ener-
gien durch die Nutzung erneuerbarer Energien, gerade auch von Biomasse,
ersetzt und die Effizienz des Energieeinsatzes steigert;

Drucksache 15/745 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

l vor dem Hintergrund der positiven Umwelteffekte der Ökologischen Steuer-
reform im Jahr 2004 im Hinblick auf die Emission klimaschädlicher Gase,
den Ölpreis, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Wettbewerbsfähig-
keit der deutschen Wirtschaft und die soziale Verträglichkeit zu prüfen, wie
die Besteuerung unter ökologischen Gesichtspunkten weiterzuentwickeln ist
und dabei auch den Abbau volkswirtschaftlich fragwürdiger und ökologisch
schädlicher Subventionstatbestände zu berücksichtigen;

l die Nutzung von Holz als Rohstoff und umweltschonenden Energieträger
(z. B. in Form von Holzpellets und Holzhackschnitzeln) verstärkt zu fördern;

l Maßnahmen zur Stärkung in der Forstwirtschaft zu ergreifen, Möglichkeiten
der Verwaltungsvereinfachung im Forstbereich zu prüfen und zu prüfen,
welche allein die Forstwirtschaft betreffenden Gesetze im Bundeswaldge-
setz sinnvoll zusammengefasst und vereinfacht werden können;

l im Entwurf zur Novelle des Bundeswaldgesetzes verbindliche Mindestan-
forderungen an eine naturnahe Waldbewirtschaftung zu definieren;

l Anreize für eine Waldbewirtschaftung zu setzen, die im Hinblick auf Um-
welt- und Naturschutz über die Mindestanforderungen hinausgeht, den
Waldumbau hin zu einer naturnahen Waldwirtschaft weiter mit Mitteln der
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes zu fördern und sich bei den Verhandlungen zur Zukunft der EU-
Agrarpolitik für eine obligatorische Modulation spätestens bis 2006 einzu-
setzen, um mehr Mittel für die Förderung naturnaher Waldbewirtschaftung
und für die Wiederaufforstung in waldarmen Regionen zur Verfügung zu
stellen;

l Systeme einer kontrolliert ökologisch-sozialen Waldzertifizierung und die
Vermarktung ihrer Qualitätsprodukte zu unterstützen,
– die international verankert sind,
– die einzelbetriebliche Kontrollen vor Zertifikatsübergabe vornehmen,
– die den Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt

sichern sowie Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft den Vorrang
geben,

– die in Deutschland kahlschlag- und pestizidfrei wirtschaften,
– die auf langfristige Beschäftigung einschlägig geschulten Personals set-

zen sowie bei der Waldbewirtschaftung lokale Interessen berücksich-
tigen;

l die Holzbeschaffung des Bundes entsprechend den genannten Kriterien aus-
zurichten;

l die FSC-Zertifizierung der Bundesforsten zügig umzusetzen;
l die eingeleitete Hochwasserschutzpolitik konsequent voranzutreiben, mit den

Bundesländern weiter über ein gemeinsames Hochwasserschutzprogramm zu
verhandeln und die Aufforstung in Flussauen und Hanglagen mit standort-
gerechten und heimischen Baumarten zu fördern, um so den Wasserabfluss
zu verlangsamen;

l die genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren in den Wäldern sicherzu-
stellen, den Erhalt und die Wiederansiedlung heimischer Gehölze zu fördern,
im Interesse des genetischen Austausches der Zerschneidung von Wäldern
entgegenzuwirken und die Folgen von unvermeidbarer Zerschneidung durch
die Förderung von Wildbrücken und Biotopverbünden zu vermindern;

l den Entwurf zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes u. a. daran zu orien-
tieren, dass Verbissschäden durch waldökologisch tragbare Schalenwild-

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dichten reduziert und so die Voraussetzungen für eine Naturverjüngung der
Wälder verbessert sowie die Betriebskosten für Wildschutzmaßnahmen ge-
senkt werden können;

l Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung und die Persistenz von Pflan-
zenschutzmitteln und die damit verbundenen Risiken in der Forstwirtschaft
weiter zu vermindern;

l die Zukunft des forstlichen Monitorings durch die zügige Verabschiedung
und Umsetzung der neuen EU-Verordnung „Forest Focus“ sicherzustellen
und bei den Verhandlungen auf die notwendige Erweiterung des Beobach-
tungsspektrums, insbesondere im Hinblick auf die Biodiversität und die
CO2-Sequestrierung, hinzuwirken;

l die zur Erreichung der genannten waldpolitischen Ziele notwendige interdis-
ziplinäre Forschung zu sichern.

Berlin, den 1. April 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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