BT-Drucksache 15/5895

Gesundheitsforschung in Deutschland - Klinische Forschung

Vom 30. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5895
15. Wahlperiode 30. 06. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Flach, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Hellmut Königshaus,
Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer
Funke, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Dr. Dieter Thomae,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Gesundheitsforschung in Deutschland – Klinische Forschung

Die Hochschulmedizin ist in Deutschland der zentrale Ort der klinischen For-
schung und ein Garant für den medizinischen Fortschritt. Gemeinsam mit den
36 Hochschulkliniken tragen die Hochschulen eine große Verantwortung in der
Gesundheitsversorgung, für die Forschung sowie Aus- und Weiterbildung von
Ärzten und Angehörigen anderer medizinischer Berufe. Die klinische For-
schung wird ergänzt durch die von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten
Einrichtungen der außeruniversitären Forschung in den 14 Max-Planck-Institu-
ten, 11 Helmholtz-Zentren, 13 Instituten der Leibnizgemeinschaft und 4 Fraun-
hofer-Instituten. Hinzu kommen die Ressortforschungseinrichtungen des Bun-
des und der Länder, wie z. B. das Robert Koch-Institut.
Die klinische Forschung ist die Grundlage für die weitere Entwicklung der in-
ternationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im expandierenden Markt für
Gesundheitsleistungen. Jedoch hat sie aufgrund verschiedener beeinträchtigen-
der Faktoren in den letzten Jahren an Leistungsfähigkeit verloren. So führen bü-
rokratische Hemmnisse zu Standortnachteilen Deutschlands in der Forschung.
Beispielhaft sind hier die Good Clinical Practice – Verordnung oder das Geneh-
migungsverfahren von klinischen Forschungsvorhaben in Universitäten und im
Unternehmensbereich durch das Bundesamt für Strahlenschutz zu nennen.
Ebenso gilt die finanzielle Ausstattung der medizinischen Forschung in
Deutschland als international nicht konkurrenzfähig. Nach den Darstellungen
einer Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2001 wendet Deutsch-
land beispielsweise nur 42,6 Euro an öffentlichen Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben pro Einwohner für die biomedizinische Forschung auf. In den
USA liegt dieser Wert bei 54,5, in Schweden bei 65,8 und in Dänemark sogar
bei 71,1.
Problematisch ist darüber hinaus, dass die Gesellschaft zwar einen hohen An-
spruch an den medizinischen Fortschritt hat, aber eine kritische Haltung gegen-
über der Forschung zeigt. Dies ist unter anderem an der geringen Bereitschaft
der Bevölkerung erkennbar, an klinischen Studien teilzunehmen. Dabei ist die

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klinisch-medizinische Forschung zur Durchführung ihrer wissenschaftlichen
Projekte auf die Mitwirkung von Patienten angewiesen, da trotz der Fortschritte
der Labormethoden und Tiermodelle viele Fragen letztlich nur amMenschen ge-
klärt werden können. Dies gilt vor allem für die Prüfung neuer Arzneimittel,
aber auch für die funktionelle Diagnostik und Erforschung wichtiger physiolo-
gischer Systeme, z. B. des Endokriniums. Die Teilnahme an klinischen Studien
bei derartigen Forschungsvorhaben ist rechtlich unproblematisch, sofern der
Grundsatz der freiwilligen Mitwirkung nach umfassender Aufklärung des Pa-
tienten sowie die einschlägigen gesetzlichen und berufsständischen Vorschrif-
ten beachtet werden. Aus medizinischer Sicht bildet dabei die Überprüfung der
geplanten Forschungsprojekte durch unabhängige Ethikkommissionen einen
unverzichtbaren Teil eines jeden Antragsverfahren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch liegen derzeit die öffentlichen Ausgaben für die medizinische For-

schung in Deutschland und welchen Anteil hat daran die klinische For-
schung? (Bitte Aufstellung der Entwicklung für die Jahre 1994 bis 2004)

2. Wie steht Deutschland bei den öffentlichen Ausgaben für die medizinische
Forschung im internationalen Vergleich dar? (Bitte Aufstellung nach Län-
dern auf vergleichbarer Jahresbasis)

3. Welche Auswirkungen hat die Einführung neuer Vergütungsstrukturen in
der Krankenversorgung auf die medizinische Forschung und insbesondere
auf die klinische Forschung in Deutschland?

4. Welche Maßnahmen wurden seitens der Bundesregierung ergriffen, um
möglichen negativen Entwicklungen auf die klinische Forschung entgegen-
zuwirken?

5. Teilt die Bundesregierung die Ansicht von Vertretern der Hochschulme-
dizin, dass die klinische Forschung in der Hochschulmedizin in Deutsch-
land in den letzten Jahren an Leistungsfähigkeit verloren habe?

6. Wie viele ausländische Wissenschaftler arbeiten derzeit in der medizini-
schen bzw. klinischen Forschung in Deutschland?

7. Wie viele deutsche Wissenschaftler arbeiten derzeit in der medizinischen
Forschung im Ausland, und wie viele kommen jährlich hinzu, bzw. wie vie-
le kehren jährlich nach Deutschland zurück?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Vergütungsstruktur in
deutschen Hochschulen geeignet ist, Wissenschaftler zu motivieren, auf
Dauer in Deutschland zu arbeiten?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Karrierebedingungen und
Aufstiegschancen geeignet sind,Wissenschaftler zu motivieren, in Deutsch-
land zu bleiben?

10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit 1998 ergriffen, um die
Ausstattung der Hochschulen und insbesondere der außeruniversitären For-
schungseinrichtungen so zeitgemäß zu gestalten, dass sie geeignet sind,
Wissenschaftler aus aller Welt anzuziehen und sie gleichermaßen zu moti-
vieren, auf Dauer in Deutschland zu forschen und zu leben?

11. Welche Modellprojekte innovativer Nachwuchsförderung unterstützt die
Bundesregierung?

12. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Bevölke-
rung zur Teilnahme an klinischen Studien zu motivieren?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5895

13. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Rahmen-
bedingungen für die klinische Forschung zu verbessern und international
wettbewerbsfähig und attraktiv zu gestalten?

14. Gibt es aus der Sicht der Bundesregierung Probleme in der Zusammenarbeit
von forschenden Medizinern und den unabhängige Ethikkommissionen?
Wenn ja, wie stellen sich diese konkret dar?

15. Ist aus der Sicht der Bundesregierung der Vorwurf zutreffend, dass insbe-
sondere Faktoren wie Rechtsunsicherheit, Unterfinanzierung und bürokrati-
sche Hemmnisse dafür verantwortlich sind, dass der Standort Deutschland
für klinische Forschung nicht attraktiv ist?

16. Welches Verhältnis von Forschungsgeldern zu Mitteln für die Krankenver-
sorgung hat die Hochschulambulanzenstudie des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung (BMBF) hervorgebracht?

17. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die klinische
Forschung im Bereich seltener Erkrankungen zu stärken, und welche weite-
ren Aktivitäten sind eventuell auch EU-weit geplant?

18. Wie werden die Ergebnisse der Humangenomforschung in die klinischen
Studien für die Weiterentwicklung von Prävention, Diagnose und Therapie
einbezogen?

19. Welche klinischen Studien zur Erprobung neuer Medizintechnik oder Diag-
nostika unterstützt die Bundesregierung?

20. Sind der Bundesregierung negative Auswirkungen der langen Genehmi-
gungszeiten für klinische Studien bekannt, die in den Bereich der Strahlen-
schutzverordnung fallen?

21. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um die der-
zeitige Genehmigungssituation zu verbessern?

22. Liegen der Bundesregierung Erfahrungen vor, ob im Bereich der Genehmi-
gung von klinischen Studien der Phase I die im Arzneimittelgesetz gefor-
derten Fristverkürzungen auf 14 Tage bisher praktisch zum Tragen kamen?

23. Gedenkt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass Deutschland im
internationalen Vergleich nur unterdurchschnittliche Forschungsaufwen-
dungen für die biomedizinische Forschung aufbringt, dies – auch im Hin-
blick auf die Erfüllung des Lissabon-Ziels – zu ändern?

Berlin, den 29. Juni 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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