BT-Drucksache 15/5888

Virtueller Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit

Vom 30. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5888
15. Wahlperiode 30. 06. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Virtueller Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit

Das Projekt „Virtueller Arbeitsmarkt“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) weist
schwere Funktionsmängel auf. Die Kosten, die für das Projekt bislang veran-
schlagt sind, übersteigen das Volumen der Ausschreibung erheblich, ohne dass
sich ein Erfolg des Projektes durch schnellere und effiziente Vermittlung einge-
stellt hat. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht an den Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit des Deutschen Bundestages darauf hingewiesen, dass sich
die Vermittlung im Vergleich zu dem bisherigen Selbstinformationssystem nicht
verbessert hat, sondern teilweise sogar erschwert ist. Der Bundesrechnungshof
hat Zweifel geäußert, ob die von 65 Mio. Euro auf 98 Mio. Euro aufgestockte
Vertragssumme ausreichen wird, den Projektauftrag zu erfüllen. Weitere Aus-
baustufen sind durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
erforderlich.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Aspekte waren für die Auswahl des Unternehmens Accenture als

Projektträger maßgeblich und inwieweit hob sich das Angebot von Accenture
von den Angeboten der Wettbewerber positiv ab?

2. Hatte das Unternehmen Accenture zurzeit der Ausschreibung Erfahrungs-
werte mit vergleichbaren Projekten?

3. Hätte bei Kenntnis der späteren Kostensteigerungen nach Vergaberecht eine
Vergabe an einen anderen Anbieter erfolgen müssen?

4. Gab es vor Auftragsvergabe eine Kostenkalkulation und konkrete Zielvor-
gaben von Seiten der BA?

5. Wie viel Zeit hatte die zuständige Organisationseinheit der BA zur Ausarbei-
tung des ursprünglichen Konzepts?

6. Wer trägt die Gesamtverantwortung für das Projekt „Virtueller Arbeits-
markt“?

Drucksache 15/5888 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

7. Wann wurde der zuständige Bundesminister über die entstandenen Defizite
– beispielsweise im Projektverlauf, in der Funktionsfähigkeit und Benutzer-
freundlichkeit sowie bei der Kostensituation – informiert, und wie reagierte
er darauf?

8. Inwieweit wurde die Arbeit des Unternehmens Accenture seitens der BA
begleitet und kontrolliert?
Wenn ja, in welcher Form, und entsprach die Kontrolle dem bei Projekten
dieser Art Üblichen?

9. Bei welchem Projektfortschritt wurden bzw. werden Abschlagszahlungen in
welcher Höhe fällig?

10. Wie wurde die Verständigung mit dem Unternehmen Accenture auf den
Wert 98 Mio. Euro erzielt, und orientierte man sich hierbei an der vergabe-
rechtlichen Grenze von 98,3 Mio. Euro?

11. Welche Konsequenzen hätte eine Überschreitung von 98,3 Mio. Euro ge-
habt?

12. Wurden bei den Nachverhandlungen Abstriche an der Qualität des zu erzie-
lenden Produktes hingenommen?

13. Welche Mehrkosten sind dadurch entstanden, dass nach Vertragsschluss
ca. 920 Änderungsanforderungen gegenüber dem ursprünglichen Konzept
vorgetragen wurden, die nicht bereits in der ursprünglichen Ausschreibung
enthalten waren?

14. Wie ist erklärlich, dass ein derart großer Nachbesserungsbedarf bereits nach
kürzester Zeit entstanden war?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Änderungswünsche auf den weiteren
Projektverlauf ein?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die zunächst völlig überhöhten Kosten-
ansätze und ist die Bundesregierung sicher, dass die auf 98 Mio. Euro auf-
gestockte Vertragssumme ausreichen wird, den Projektauftrag zu erfüllen?

17. Existiert(e) ein Ausstiegsszenario für den Fall des Scheiterns des Projektes
„Virtueller Arbeitsmarkt“ bzw. wesentlicher Teile davon?

18. Hält die Bundesregierung die ursprüngliche Prognose für realistisch, dass
durch den Virtuellen Arbeitsmarkt künftig Einsparungen in Höhe von 1,15
Mrd. Euro jährlich erreicht werden?
Wenn ja, ab wann ist mit der Realisierung dieser Einsparungen zu rechnen?

19. Sind Verbesserungen bei der Stellenvermittlung bereits eingetreten?
Wenn nein, wann sind diese zu erwarten?
Wenn ja, wie hat sich dies ausgewirkt?

20. Wer pflegt mit welchem finanziellen Aufwand die bereits laufenden Teil-
systeme des Virtuellen Arbeitsmarktes (Online-Jobbörse, Online-Portal,
Job-Roboter)?

21. Seit wann hat der zuständige Geschäftsbereichsvorstand der BA davon
Kenntnis, dass insbesondere bei der Auswertung der Ergebnisse des „Job-
Roboters“ und ihrer Verwertung für die Vermittlungstätigkeit es nach
Darstellung des Bundesrechnungshofes zu erheblichen Effizienzverlusten
kommt und angebotene Stellen undWünsche der Arbeitssuchenden vielfach
nicht zusammenpassen?

22. Welche Schritte wurden seitdem eingeleitet, um die Mängel zu beheben und
sind die Mängel zwischenzeitlich behoben?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5888

23. Seit wann hat der zuständige Vorstand der BA davon Kenntnis, dass die
Qualität der erfassten Daten nach Darstellung des Bundesrechnungshofes
infolge mangelnder Standardisierung der Eingabefelder (Pflichtfelder)
unzureichend und oft zur Vermittlung ungeeignet ist, und welche Schritte
wurden eingeleitet, um die Mängel zu beheben?

24. Welche finanziellen Mehrbelastungen sind infolge der Umsetzung der
Hartz-IV-Gesetzgebung zu erwarten?

25. Wie wird sichergestellt, dass es zu keinen Verschiebungen von Kosten für
die Einführung des Virtuellen Arbeitsmarktes in die durch den Bund zu tra-
genden Umsetzungskosten für Hartz IV kommt?

26. Haben die Maßnahmen zur Schulung der BA-Mitarbeiter, die zur Reali-
sierung des Virtuellen Arbeitsmarktes erforderlich und geplant sind, bereits
begonnen?
Wenn nein, wann ist der Beginn der Maßnahmen geplant?
Wenn ja, wie viele Mitarbeiter der BA wurden für das Anforderungs-
management mittlerweile ausgebildet und eingesetzt?

27. Welche Verluste entstehen der BA dadurch, dass nach Abschluss der
Arbeiten an der Software die Mitarbeiter noch nicht hinreichend geschult
sind, alsoEffizienzeinbußen entstehen, hätte diesenEffizienzeinbußendurch
einen Parallellauf von Softwareentwicklung und Schulungsmaßnahmen vor-
gebeugt werden können, und wer trägt die Verantwortung dafür, dass dies
nicht geschehen ist?

28. Entspricht die bisherige Umsetzung des Virtuellen Arbeitsmarktes den Er-
wartungen der Bundesregierung im Hinblick auf das erforderliche Finanz-
volumen und die erzielten Verbesserungen bei der Stellenvermittlung?

Berlin, den 30. Juni 2005
Dirk Niebel
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch

Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr.WolfgangGerhardt und Fraktion

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