BT-Drucksache 15/5870

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/5447, 15/5844- Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der projektbezogenen Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 und zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG

Vom 29. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5870
15. Wahlperiode 29. 06. 2005

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch,
Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Klaus Haupt, Ulrich
Heinrich, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Max Stadler, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/5447, 15/5844 –

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der projektbezogenen Mechanismen
nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten
Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 und zur Umsetzung
der Richtlinie 2004/101/EG

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Gesetzentwurf zur Einführung der projektbezogenen Mechanismen nach
dem Kyotoprotokoll dient der Umsetzung der so genannten Verbindungsricht-
linie. Diese bildet die gesetzliche Grundlage für eine Integration internationaler
Klimaschutzprojekte in den europäischen Emissionshandel. Der Gesetzentwurf
ist damit das entscheidende Scharnier zwischen nationalem und internationalem
Klimaschutz und von herausragender Bedeutung für die Nutzung der modernen
Instrumente internationaler Klimapolitik auch durch deutsche Unternehmen.
Nicht zuletzt ist der Gesetzentwurf auch Indikator für die Grundhaltung, mit
welcher Deutschland sich an der Nutzung und Weiterentwicklung der flexiblen
Instrumente des Kyotoprotokolls beteiligen will. Der Gesetzentwurf lässt er-
kennbar werden, dass Deutschland unter der Regierungskoalition von SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an einer Kostenminimierung des Klimaschutzes
durch gemeinsame internationale Projekte im Sinne des Kyotoprotokolls nicht
hinreichend interessiert ist.
Festzustellen ist, dass die europäische Verbindungsrichtlinie den EU-Mitglied-
staaten erhebliche Spielräume zur Ausgestaltung der jeweils nationalen Spiel-
regeln für den projektbezogenen internationalen Klimaschutz lässt. Durch na-
tional unterschiedlich genutzte Spielräume und durch die Kreativität aller Part-

Drucksache 15/5870 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

nerländer kann die EU wertvolle Erfahrungen darüber sammeln, welches Poten-
tial eine umfassende Integration internationaler Klimaschutzprojekte in den
Zertifikatehandel bietet. Auch Deutschland könnte sich auf dieseWeise substan-
ziell an der Weiterentwicklung des internationalen und europäischen Zertifi-
katehandels beteiligen.
Angesichts dieses Potentials enthält der vorliegende Gesetzentwurf nur wenige
geeignete Impulse. Die entscheidenden Spielräume, die die Richtlinie beispiels-
weise für nationale Aktivitäten bietet, bleiben ungenutzt. Beispielsweise würden
so genannte nationale Projekte, deren Zulassung im nationalen Zertifikatehandel
bereits heute möglich wäre, es erlauben, dass Unternehmen in Deutschland sich
an klimaschützenden Investitionen innerhalb Deutschlands beteiligen. Diese
könnten im industriellen Bereich angesiedelt sein, der bereits am europäischen
Zertifikatehandel teilnimmt, und weiterführend auch andere Sektoren (beispiels-
weise den Gebäude- oder Verkehrsbereich) einbeziehen. Dort vermiedene Treib-
hausgasemissionen könnten zertifiziert und einem Handel auf zunächst nationa-
ler Ebene zugänglich gemacht werden mit dem Ziel, deren Einbeziehung in den
europäischen Zertifikatehandel zu erreichen, sobald der derzeit auf europäischer
Ebene stattfindende Überprüfungsprozess abgeschlossen und eine geeignete
Modifizierung der europäischen Emissionshandelsrichtlinie erfolgt ist.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung beispielsweise mit An-
trag vom 23. Februar 2005 aufgefordert, sich in diesem Sinne auf europäischer
Ebenemit eigenen Vorschlägen und Konzepten an der Diskussion zurWeiterent-
wicklung der flexiblen Instrumente des Kyotoprotokolls zu beteiligen („Mehr
Klimaschutz zu geringeren Kosten durch nationale Projekte ermöglichen“, Bun-
destagsdrucksache 15/4948). Die FDP-Bundestagsfraktion hat in diesem Antrag
darauf hingewiesen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, beizeiten Erfah-
rungen mit den internationalen Mechanismen der Klimapolitik zu sammeln, die
Unternehmen in Deutschland mit den entsprechenden Instrumenten vertraut zu
machen und diese insbesondere auch für kleine und mittelständische Unterneh-
men in Deutschland zugänglich zu machen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat die
Bundesregierung aufgefordert, auf der Grundlage entsprechender Erfahrungen
konstruktiv, kompetent und proaktiv auf die europäischeWillensbildung und die
Spielregeln zur Einbindung nationaler Projekte in das europäische System han-
delbarer CO2-Zertifikate im Interesse der Unternehmen in Deutschland Einflusszu nehmen und geeignete Vorschläge einzubringen und im Übrigen darauf zu
achten, dass die Nutzung möglichst aller flexiblen Mechanismen des Kyotopro-
tokolls (Emissionshandel, Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung
(CDM) und Gemeinsame Projektumsetzung (JI) einschließlich nationaler Pro-
jekte sowie Kohlenstoffsenken) im europäischen System handelbarer CO2-Zer-tifikate nicht von vornherein ausgeschlossen wird oder in unnötig bürokra-
tischen Vorgaben erstickt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat entsprechend kon-
krete Änderungen am Entwurf des Projektmechanismengesetzes im Umwelt-
ausschuss des Deutschen Bundestages beantragt.
Alle konstruktiven Vorschläge zur Verbesserung des vorliegenden Gesetz-
entwurfs wurden mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN abgelehnt, ohne dass die Bundesregierung den zu konstatieren-
den Schwächen mit eigenen Ansätzen hätte begegnen können oder wollen. Der
Gesetzentwurf bleibt damit bedauerlicherweise in mehrfacher Hinsicht hinter
den bestehenden Möglichkeiten zurück. Er enthält nur unzureichende Signale
und Impulse, um die klimapolitische Diskussion und die Entwicklung auf inter-
nationaler Ebene voranzubringen. Es entsteht der Eindruck, dass in Deutschland
erneut die Chance zur Nutzung ökologisch wirksamer und kosteneffizienter
Instrumente vertan zu werden droht. Stattdessen sind bürokratische Regulierun-
gen sowie Prüfungs- und Genehmigungspflichten vorgesehen, die weit über das
Notwendige und Erforderliche hinausgehen. So enthält der Entwurf wider-
sprüchliche und lückenhafte Regelungen insbesondere bei den Zustimmungs-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5870

voraussetzungen bei der Genehmigung klimaschutzrelevanter Investitions-
projekte. Beispielsweise kann eine deutsche Behörde den potentiellen Träger ei-
nes Klimaschutzprojekts im Ausland zur Durchführung einer Umweltverträg-
lichkeitsprüfung verpflichten. Eine Beteiligung deutscher Unternehmen an
modernen Projekten internationaler Klimapolitik wird damit unnötig erschwert,
weil die Betriebe damit einer im Einzelfall potenziell willkürlichen Entschei-
dung der Behörden ausgesetzt zu werden drohen. Insgesamt entsteht der Ein-
druck, die deutsche Bundesregierung hege tiefes Misstrauen gegenüber markt-
lichen Mechanismen der nationalen und internationalen Klimapolitik.
Mit Blick auf die Zukunft des Kyotoprotokolls und die Zeit internationaler Kli-
mapolitik nach 2012 ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Kyotopro-
zess auf internationaler Ebene in Gang gehalten wird und dass weitere Länder,
insbesondere auch die USA dazu bewogen werden, der Kyotogemeinschaft bei-
zutreten. Dies kann nur gelingen, wenn sichergestellt ist, dass für jeden einge-
setzten Euro soviel Klimaschutz wie möglich erwirtschaftet wird. Um für alle
Staaten dieser Welt attraktiv zu werden, muss das Kyotoprotokoll wirtschaftlich
leistungsfähig sein. Dazumüssen die Kyotoinstrumente ihre Kräfte also voll ent-
falten können. Die misstrauische Zögerlichkeit gegenüber marktlichen Mecha-
nismen der Klimapolitik, die in dem vorliegenden Gesetzentwurf zumAusdruck
kommt, bedeutet demgegenüber ein Verschenken von Möglichkeiten, für das-
selbe Geld mehr für den Klimaschutz zu erreichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– den Weg für klimarelevante Investitionsprojekte in Deutschland tatsächlich

und ohne zögerliche Überregulierung frei zu machen, damit alle Beteiligten
praxisnah und unverzüglich auch von den ökonomischen Vorteilen des inter-
nationalen Zertifikatehandels profitieren können,

– zu gewährleisten, dass Deutschlands Vorreiterrolle in der nationalen Klima-
politik und seine Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene nicht verloren
gehen und

– alle verbleibenden Spielräume im Sinne der vorliegenden Änderungsanträge
der FDP-Bundestagsfraktion zum Vorteil der vom Emissionshandel in
Deutschland betroffenen Unternehmen zu nutzen.

Berlin, den 29. Juni 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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