BT-Drucksache 15/5581

Sperrzeiten für Außengastronomie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 verbraucherfreundlicher gestalten - Freigabe der Ladenöffnungszeiten ermöglichen

Vom 1. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5581
15. Wahlperiode 01. 06. 2005

Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, Detlef Parr, Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Dr. Dieter Thomae,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Sperrzeiten für Außengastronomie zur Fußballweltmeisterschaft 2006
verbraucherfreundlicher gestalten – Freigabe der Ladenöffnungszeiten
ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Für die Besucher von Biergärten, die gesamte Außengastronomie und die dort
beschäftigten Menschen ist es sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung und
die sie tragenden Fraktionen bislang nicht die Initiativen der FDP-Bundestags-
fraktion aus der 14. und 15. Legislaturperiode (Bundestagsdrucksachen 14/
6188 und 15/674) zur Liberalisierung der Sperrzeiten in der Außengastronomie
unterstützt haben. Die derzeitige Gesetzeslage, die zum Schließen von Biergär-
ten um 22.00 Uhr führt, ist für Verbraucher und Gastwirte sowie die zur Fuß-
ballweltmeisterschaft 2006 erwarteten internationalen und deutschen Fußball-
fans unbefriedigend. Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg haben
diesen untragbaren Zustand für das Gastgeberland der Fußballweltmeister-
schaft erkannt und entsprechende Initiativen für eine Liberalisierung der Sperr-
zeiten in der Außengastronomie auf den Weg gebracht. Mit den geltenden
Sperrzeiten kann sich Deutschland nur sehr eingeschränkt als gastfreundliches
Land präsentieren und die internationalen Gäste von der hohen Service- und
Dienstleistungsqualität überzeugen. Deshalb müssen die Sperrzeiten in der Au-
ßengastronomie von 22.00 Uhr auf 24.00 Uhr verlängert werden.
Generell fordert die FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, die Zu-
ständigkeit für die Festlegung der Ladenöffnungszeiten den Ländern zu über-
tragen (Bundestagsdrucksache 15/5370). Solange jedoch nicht in diesem Sinne
entschieden wurde, sind zumindest für die Zeit der Fußballweltmeisterschaft
die rechtlichen Hindernisse für die Möglichkeit einer Freigabe der Ladenöff-
nungszeiten zu beseitigen, damit sich Deutschland als weltoffener Gastgeber
präsentieren kann.

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Die allgemeine Sperrzeit, die grundsätzlich auch für die Außengastronomie
gilt, beginnt je nach Bundesland zwischen 1.00 Uhr und 5.00 Uhr. Die Sperr-
zeitenregelungen für die Außengastronomie werden im Vorhinein durch Länder
bzw. kommunale rechtliche Bestimmungen in Verbindung mit immissions-
schutzrechtlichen Vorschriften eingeschränkt und in der Regel auf 22.00 Uhr
festgelegt. Das Hauptproblem der Außengastronomie ist der Lärmschutz. Des-
halb genügt für die Außengastronomie (z. B. Biergärten) die alleinige Ände-
rung des §18 des Gaststättengesetzes nicht, da für die Festlegung der Sperrzei-
ten immer die von der Freiluftgaststätte ausgehenden Geräuscheinwirkungen
berücksichtigt werden müssen. In der Regel führt das zum Schließen der Bier-
gärten um 22.00 Uhr. Weil die Freiluftgaststätten aus dem Anwendungsbereich
der TA-Lärm herausgenommen wurden, sind zurzeit keine gesetzlichen Vor-
schriften vorhanden, die die Immissionen/Geräuscheinwirkungen von Freiluft-
gaststätten beurteilen und bewerten. Dennoch ziehen Gemeinden und Gerichte
bei Rechtsstreitigkeiten zur Beurteilung der Geräuschimmissionen von Biergär-
ten die TA-Lärm in entsprechender Anwendung heran. Das bedeutet, dass die
Geräusche, die von Freischankflächen ausgehen, also hauptsächlich menschli-
che Kommunikationsgeräusche, wie technischer Lärm gemessen und nach der
TA-Lärm bewertet werden. Diese kompromisslose Anwendung der auf die Be-
wertung von Industrielärm zugeschnittenen TA-Lärm führt zu einer Überbe-
wertung des individuellen Nachbarschutzes und zu sozial unverträglichen Er-
gebnissen. Menschliche Kommunikationsgeräusche, etwa das Reden, Lachen
oder Singen sollten daher nicht wie technische Geräusche, wie zum Beispiel
Bohren, Hämmern oder Sägen bewertet werden. Ein gesondertes Messverfah-
ren und höhere Grenzwerte für Geräuschimmissionen unter Berücksichtigung
von kurzfristigen höheren Geräuschspitzen sind auch für die Außengastrono-
mie sinnvoll und erforderlich.
Die Verkürzung der Sperrzeit für die Außengastronomie (z. B. Biergärten) in
Verbindung mit einer immissionsschutzrechtlichen Ergänzung trägt der Er-
kenntnis Rechnung, dass zu einem florierenden Stadtwesen eine florierende
Gaststättenstruktur gehört. Dies verlangt aber auch eine entsprechende Gestal-
tung der Rahmenbedingungen für die Außengastronomie. Die Nachfrage nach
außengastronomischen Leistungen hat sich infolge eines gewandelten Konsu-
mentenverhaltens in den letzten Jahren mehr und mehr auf die späteren Abend-
stunden verlagert. Diesem gewandelten Konsumentenverhalten haben bereits
einige Länder mit ähnlichen Initiativen entsprochen. Die Verkürzung der Sperr-
zeiten ermöglicht es der Außengastronomie, auf Gästewünsche entsprechend
flexibel zu reagieren, und trägt in vielen Fällen zur Belebung und Attraktivität
der Innenstädte bei.
Vor allem aus „Tourismusstädten“ und aus Städten, die die Spiele der Fußball-
weltmeisterschaft oder andere Großereignisse wie z. B. den Confederations
Cup 2005 ausrichten, wird immer wieder und immer nachdrücklicher die For-
derung vorgetragen, die Sperrzeiten für die Außengastronomie durch Verschie-
ben des Sperrzeitenbeginns zu verkürzen, da eine erhöhte diesbezügliche Nach-
frage vorliegt und diese Städte in der Regel über eine außengastronomische
Infrastruktur verfügen, bei der eine längere Nutzung sinnvoll ist. Insbesondere
die südeuropäischen Länder Spanien, Frankreich und Italien haben liberale
Sperrzeiten, die deutsche Urlauber schätzen. Deshalb muss sich auch das Tou-
rismusland Deutschland pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft 2006 als ein
modernes gastfreundliches und offenes Land präsentieren: Zu einem attraktiven
Tourismusstandort Deutschland gehören eine ausgeprägte Biergartenkultur und
liberale Ladenöffnungszeiten.
Biergärten erfüllen insbesondere in den Sommermonaten einen wichtigen ge-
sellschaftspolitischen Zweck, da die Gäste verstärkt draußen sitzen möchten.
Sie sind eine Stätte der Begegnung und der Kommunikation und stellen für die
Bewohner von Innenstädten oftmals eine „Oase“ im Grünen dar. Es ist nicht

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vorstellbar, dass die Fußballfans während der Fußballweltmeisterschaft wäh-
rend der laufenden Fußballspiele aus dem „Biergartenparadies“ vertrieben wer-
den und nur begrenzte Einkaufsmöglichkeiten wegen sehr restriktiver Laden-
öffnungszeiten vorfinden.
Das Ausgehverhalten hat sich, auch bedingt durch längere Ladenöffnungszei-
ten, zeitlich nach hinten verlagert und die Gäste möchten bis 24.00 Uhr oder
länger verweilen. Diesem veränderten Ausgehverhalten wird bislang nicht ge-
nügend Rechnung getragen. Durch Einführung der Sommerzeit Mitte der 70er
Jahre sind die Abende gerade in den Sommermonaten noch taghell und die
Temperaturen auch um 23.00 Uhr oder 24.00 Uhr noch sehr hoch.
In den Sommermonaten bzw. im Zeitraum der jährlichen Sommerzeit (von
April bis Oktober) sollte daher auch die im immissionsschutzrechtlichen Sinne
definierte Nachtzeit erst um 24.00 Uhr beginnen. Die für die Nachtzeit festge-
legten, niedrigeren Immissionsgrenzwerte würden sodann erst zwei Stunden
später greifen und die Öffnungszeiten der Außengastronomie somit aus Lärm-
schutzgründen nicht beschneiden.
Die Gäste und die gastgewerblichen Unternehmer sowie die Fußballfans erwar-
ten von der Bundesregierung vor dem Hintergrund einer ohnehin geringen An-
zahl an warmen Sommertagen in Deutschland eine Angleichung der Öffnungs-
zeiten für Biergärten an das veränderte Ausgeh- und Freizeitverhalten vor allem
während der Fußballweltmeisterschaft. Dieser Erwartung von Verbrauchern
und Gastronomen sowie Fußballfans sollte die Bundesregierung durch entspre-
chende Vorschläge für liberale Sperrzeiten in der Außengastronomie nachkom-
men.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
alle Anstrengungen zu unternehmen, um Deutschland als Gastgeber der Fuß-
ballweltmeisterschaft 2006 als weltoffenes Land zu präsentieren, das die erwar-
teten Gäste durch hohe Dienstleistungs- und Servicequalität überzeugt. Dazu
muss die Bundesregierung einen unbürokratischen, verbraucherfreundlichen
und praxistauglichen Vorschlag zur Änderung des Bundesimmissionsschutz-
rechts vorlegen, in dem
1. die Nachtzeit im immissionsschutzrechtlichen Sinne während des Zeitrau-

mes der jährlichen Sommerzeit erst um 24.00 Uhr beginnt,
2. höhere Immissionsgrenzwerte (Tages- und Nachtwerte) für den von der Au-

ßengastronomie ausgehenden, menschlichen Kommunikationslärm festge-
legt sind,

damit die Betriebe der Außengastronomie, wie z. B. Biergärten, ebenfalls von
einer daraus sich zwangsläufig ergebenen Liberalisierung der Sperrzeiten profi-
tieren. Die Außengastronomie sollte bis mindestens 24.00 Uhr öffnen dürfen.
3. Sofern die Zuständigkeit für die Festlegung der Ladenöffnungszeiten noch

nicht den Ländern übertragen worden sein sollte, sind für die Zeit der Fuß-
ballweltmeisterschaft rechtliche Hindernisse für eine Freigabe der Ladenöff-
nungszeiten zu beseitigen.

Berlin, den 1. Juni 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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