BT-Drucksache 15/5406

Pläne zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf Vereinsbeiträge

Vom 25. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5406
15. Wahlperiode 25. 04. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Detlef Parr, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer
Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Pläne zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf Vereinsbeiträge

Mehreren Presseberichten zufolge soll es Planungen geben, Mitgliedsbeiträge
an Vereine zukünftig der Umsatzsteuer zu unterwerfen (siehe Bild-Zeitung vom
12. März 2005).
Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 15. März 2005
eine Pressemitteilung von Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) herausge-
geben, in der es heißt:
„Der Europäische Gerichtshof hat 2003 grundsätzlich entschieden, dass Mit-
gliedsbeiträge an Vereine grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig sind. In Deutsch-
land sind Vereinsbeiträge derzeit nicht umsatzsteuerpflichtig. Grundsätzlich ist
Deutschland verpflichtet das Umsatzsteuerrecht nunmehr an die EU-rechtlichen
Vorgaben anzupassen, dies betrifft auch die Umsatzsteuerpflicht der Vereins-
beiträge.“
In dieser Pressemitteilung wird angeführt, dass Bund und alle Länder derzeit
eine Lösung erarbeiten, die den Vorgaben der Richter des EuGH gerecht wird.
Finanzminister Jochen Diekmann behauptet, in dieser Arbeitsgruppe sei bereits
entschieden worden, dass
l Fördervereine grundsätzlich nicht betroffen sind,
l Sportvereine von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein werden,
l weitere Vereine – soweit es machbar ist – ebenfalls umsatzsteuerbefreit blei-

ben.
Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 30. März 2005 wurde berichtet, dass ein
Sprecher des Düsseldorfer Finanzministeriums geäußert hat: „Lediglich Ver-
eine, die nicht einem sportlichen oder gemeinnützigen Zweck dienen und mehr
als 17 000 Euro an jährlichen Mitgliedsbeiträgen kassieren, könnten nach dem
derzeitigen Sachstand unter die Steuerpflicht fallen. Dies könne möglicher-

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weise ein Golfclub sein, der von seinen Mitgliedern einen hohen Jahresbeitrag
und eine Aufnahmegebühr verlange.“
Im Gegensatz zu den Ausführungen des Finanzministeriums des Landes Nord-
rhein-Westfalen schreibt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministe-
rium der Finanzen, Karl Diller, am 5. April 2005 an den Abgeordneten Carl-
Ludwig Thiele, bezüglich der Sportvereine: „Diese Prüfung ist noch nicht ab-
geschlossen. Nach bisheriger Erkenntnis werden sich aber insbesondere bei der
umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Leistungen eines Sportvereins an seine
Mitglieder, die Sport ausüben, im wirtschaftlichen Ergebnis keine Änderungen
ergeben.“
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen,
Dr. Barbara Hendricks, gab wiederum abweichend in der Fragestunde des
Deutschen Bundestages am 13. April 2005 auf Nachfrage der Abgeordneten
Ina Lenke bekannt: „Ich kann sicherlich sagen, dass Sportvereine – in ihnen
üben die Bürgerinnen und Bürger einfach nur Sport aus – davon nicht betroffen
sein werden. Nur das kann ich schon jetzt sagen.“
Die Äußerungen aus den Finanzministerien sind derart widersprüchlich, dass
für die Vereine eine klare Linie nicht zu erkennen ist und die Verunsicherung
weiter anhält.
Die Liberalen setzen sich seit jeher konsequent für die Förderung des bürger-
schaftlichen Engagements und der Vereinskultur ein. EineMehrwertsteuerbelas-
tung von Vereinsbeiträgen ist mit liberalen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wurde die Bund-Länder-Arbeitgruppe eingesetzt und zu welchen

Ergebnissen kam diese?
2. Ist es zutreffend, dass in diesen Gesprächen bereits entschieden wurde, dass

Fördervereine grundsätzlich nicht betroffen sind und Sportvereine von der
Umsatzsteuerpflicht grundsätzlich befreit sind?

3. Wie definiert die Bundesregierung bzw. die Bund-Länder-Arbeitsgruppe den
Begriff des Sportvereins; zählen z. B. auch Angelsportvereine, Jagdsport-
vereine, Schützenvereine, Schachsportvereine etc. zu den Sportvereinen?

4. Sind die Verlautbarungen des Finanzministeriums des Landes NRW zutref-
fend, dass nurVereinemit Einnahmen ausMitgliedsbeiträgen von über 17 000
Euro betroffen sind?
Wenn nein, um welchen Betrag handelt es sich?

5. Aus welchen Bestandteilen setzt sich angesichts der Tatsache, dass das
Finanzministerium des Landes NRW auch Aufnahmegebühren in den Be-
trag gemäß Frage 4 einrechnet, dieser zusammen?

6. Warum ist die steuerliche Freigrenze bei 17 000 Euro (bzw. Betrag gemäß
Frage 4) festgelegt worden?

7. Wird der Betrag gemäß Frage 4 in Bezug zur Mitgliedsstärke des Vereins
gesetzt?

8. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf Tennis- und Golf-
clubs, die in der Regel Aufnahmegebühren erheben?

9. In welcher Form ist Deutschland verpflichtet, das so genannte Golfclub-
Urteil des Europäischen Gerichtshofes umzusetzen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5406

10. Wie ist zu erklären, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Möglichkeit
sieht, Sportvereine von der Mehrwertsteuerpflicht zu befreien, während
anscheinend andere Vereinsbeiträge der Besteuerung unterzogen werden
sollen, obwohl das Urteil sich auf einen Sportverein (Golfclub) bezieht?

11. Gilt die Mehrwertsteuerbefreiung auch für Dachverbände von Sportver-
einen?

12. Welche Konsequenzen werden sich hieraus für die Vereine ergeben?
13. Sollen über die heutige Rechtslage hinaus auch weitere Vereinsaktivitäten

mit Mehrwertsteuer belastet werden?
Wenn ja, welche?

14. Sind Vereine, deren Mitgliedsbeiträge der Mehrwertsteuer unterworfen
werden, vorsteuerabzugsberechtigt?

15. Welche neuen Aufgaben kommen auf den Vorstand und besonders auf die
Schatzmeister der Vereine zu?

16. Welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung für das bürgerschaft-
liche Engagement und die Vereinskultur, wenn Vereinsbeiträge mit Mehr-
wertsteuer belastet werden?

17. Welche Auswirkung wird nach Ansicht der Bundesregierung eine zwangs-
weise Erhöhung der Vereinsbeiträge besonders auf das gewünschte Engage-
ment von Jugendlichen haben?

18. Sollen derMehrwertsteuer auchMitgliedsbeiträge von gemeinnützigen Ver-
einen unterliegen?

19. Welche Vereine sollen von der Mehrwertsteuer befreit werden?
20. Wird die Mehrwertsteuerpflicht Musikvereine und Spielmannszüge, also

Vereine, die Unterricht erteilen, treffen?
21. Was passiert, wenn aufgrund der Besteuerung die Mitgliedsbeiträge gesenkt

und das freiwillige Spendenaufkommen erhöht wird?
22. Soll bei der Belastung mit Mehrwertsteuer zwischen „aktiven“ und „passi-

ven“ Vereinsmitgliedern unterschieden werden, wie das Schreiben des Par-
lamentarischen Staatssekretärs Karl Diller vermuten lässt?

23. Was ist im gleichen Schreiben mit „wirtschaftlichen Ergebnis“ gemeint?
24. Welche Einnahmeverluste erwartet die Bundesregierung bei den Vereinen

aufgrund von Vereinsaustritten von verärgerten Bürgern, besonders der
„Passiven Mitglieder“, die i. d. R. Fördercharakter besitzen?

25. Ist geplant, auch Beiträge zu Berufsverbänden (Lobbyverbänden) einer
Mehrwertssteuerpflicht zu unterwerfen, und wenn ja, in welcher Form und
unter welchen Bedingungen?

26. Ist bei einer Erhebung der Mehrwertsteuer auf Vereinsbeiträge mit dem
ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent oder mit dem vollen Steuer-
satz von 16 Prozent zu rechnen?

Berlin, den 19. April 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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