BT-Drucksache 15/5390

Aktivitäten der Bundesregierung bezüglich der Feinstaubbelastung insbesondere in den Innenstädten

Vom 20. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5390
15. Wahlperiode 20. 04. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Daniel
Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael
Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel
Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L.
Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Aktivitäten der Bundesregierung bezüglich der Feinstaubbelastung insbesondere
in den Innenstädten

Zur Umsetzung der Richtlinie 1999/30/EG des Rates über Grenzwerte für
Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in die
Luft wurde in der 22. Bundesimmissionsschutzverordnung u. a. für so genannte
Feinstaubpartikel ein Immissionsgrenzwert festgelegt, der ab dem 1. Januar
2005 einzuhalten ist. Dabei darf der Immissionsgrenzwert für die Kurzzeit-
belastung (50 µg/m3 Luft) pro Jahr maximal 35 Überschreitungen aufweisen.
Für alle Gebiete, in denen es bis zum 1. Januar 2005 zu Überschreitungen kam,
muss ein Luftreinhalteplan erstellt werden, der „… langfristig Maßnahmen ent-
hält, mit denen die Grenzwerte eingehalten werden können. Ballungsräume wie
etwa das Rhein-Main-Gebiet können einen gemeinsamen Luftreinhalteplan
aufstellen. Sollte nach dem 1. Januar 2005 und gegebenenfalls trotz der Umset-
zung eines Luftreinhalteplans eine Überschreitung des Feinstaubgrenzwerts
drohen oder eingetreten sein, besteht die Verpflichtung, so genannte Aktions-
pläne zu erstellen, die mithilfe von kurzfristig wirksamen Instrumenten die
Immissionen unter die Grenzwerte drücken sollen. Die Aufstellung von
Aktionsplänen kann von Bürgern auf dem Gerichtsweg eingeklagt werden“
(IW-Umwelt-Service Nr. 1/März 2005).
Der Bundesrat hat bereits in einer Entschließung aus dem Jahr 2004 darauf hin-
gewiesen, dass dieser Wert in Deutschland vielfach überschritten wird, und
dass die Einhaltung dieses Wertes auch für die absehbarere Zukunft nicht gesi-
chert sei. Darüber hinaus hat der Bundesrat ausgeführt, „… dass im Mittel etwa
die Hälfte der Feinstaubbelastung in der Innenstadt aus Quellen außerhalb der
Ballungsräume stammt. Selbst in ländlichen und in Küstenregionen kommt es
zu Überschreitungen durch Ferntransport und durch natürliche Feinstaubquel-
len“ (Beschluss, Bundesratsdrucksache 331/04). Tatsächlich erweist sich mitt-

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lerweile die Einhaltung des Grenzwertes als überaus problematisch, was ins-
besondere auf der Ebene der Kommunen zu erheblichen Schwierigkeiten führt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeit in der Diskussion befind-

lichen Maßnahmenvorschläge zur Reduzierung der Feinstaubbelastung,
namentlich im Einzelnen die Vorschläge
a) der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren für Fahrzeuge in den

Innenstädten („City-Maut“),
b) der Einführung von staubbelastungsabhängigen Fahrverboten und Tem-

polimits in den Innenstädten,
c) den Einbau von nachgeschalteten Abgas-Reinigungstechniken („Diesel-

ruß-Filter“) vorzuschreiben,
d) den Einbau von nachgeschalteten Abgas-Reinigungstechniken („Diesel-

ruß-Filter“) steuerlich oder auf anderem Wege durch den Einsatz öffent-
licher Mittel zu fördern,

e) Maßnahmen zu ergreifen bzw. zu fördern, die den Verkehrsfluss in den
Innenstädten und in deren Einzugsbereichen verbessern (Verkehrs-
beschleunigung beispielsweise durch verbesserte Ampelschaltungen oder
„intelligente“ elektronische Verkehrsleitsysteme),

f) Maßnahmen zur intensiveren Stadtbegrünung sowie zur staubarmen bzw.
staubvermindernden Reinigung der Fahrbahnen zu ergreifen bzw. zu
fördern,

g) die genannten Einzelmaßnahmen ggf. mit einer Förderung der Nutzung
des öffentlichen Personennahverkehrs zu verbinden?

2. Falls die Bundesregierung eine oder mehrere der genannten Maßnahmen für
geeignet hält um die Feinstaubbelastung insbesondere in den Innenstädten
zu reduzieren, um genau welche handelt es sich dabei und wie sollen diese
auf konkret welche Weise, von wem und innerhalb welcher Zeit umgesetzt
und finanziert werden?

3. Falls die Bundesregierung die vorgenannten Maßnahmen für ungeeignet
oder unpraktikabel hält, weshalb und welche konkreten Maßnahmen hält die
Bundesregierung stattdessen für geeignet, um die Feinstaubbelastung insbe-
sondere in den Innenstädten zu reduzieren und wie sollen diese auf konkret
welche Weise, von wem und innerhalb welcher Zeit umgesetzt werden?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung, im Zusammenhang der aktuellen Debatte
über die Feinstaubbelastung auf Bundesebene gesetzgeberisch tätig zu wer-
den?

5. Wenn nein, weshalb nicht und wenn ja, welche konkreten gesetzgeberischen
Maßnahmen sollen auf der Bundesebene innerhalb welches zeitlichen Rah-
mens ergriffen werden?

6. Teilt die Bundesregierung die Aussage, dass Maßnahmen einer verfehlten
Verkehrspolitik zu einer erhöhten Feinstaubbelastung insbesondere in den
Innenstädten beitragen, indem Investitionen im Bereich des Straßenbaus
(beispielsweise durch den ggf. vorgezogenen und intensivierten Bau von
Ortsumgehungen) unterlassen oder verzögert wurden?
Wenn nein, weshalb nicht?
Wenn ja, welche konkreten Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung
daraus ab?

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7. Teilt die Bundesregierung die Aussage, dass Maßnahmen einer verfehlten
Siedlungs- und Steuerpolitik zu einer erhöhten Feinstaubbelastung insbe-
sondere in den Innenstädten beitragen, indem beispielsweise das Zusam-
menwirken von Eigenheimzulage und der so genannten Pendlerpauschale
zur Wohnortverlagerung ins Umland der Städte anreizen und das Aufkom-
men des Berufsverkehrs dadurch erhöht wird?
Wenn nein, weshalb nicht?
Wenn ja, welche konkreten Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung
daraus ab?

8. Teilt die Bundesregierung die Aussage, dass die Privilegierung von Diesel-
kraftstoff (beispielsweise in steuerlicher Hinsicht sowie mit Blick auf
einzuhaltende Abgasvorschriften) zu einer erhöhten Feinstaubbelastung
insbesondere in den Innenstädten beiträgt?
Wenn nein, weshalb nicht?
Wenn ja, welche konkreten Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung
daraus ab?

9. Teilt die Bundesregierung die Aussage, dass die Einführung der so genann-
ten LKW-Maut auf Autobahnen zu einer erhöhten Feinstaubbelastung ins-
besondere in den Innenstädten beiträgt, weil die Betroffenen auf Land-
straßen und innerstädtische Straßen ausweichen, um der Mautpflicht zu
entgehen?
Wenn nein, weshalb nicht?
Wenn ja, welche konkreten Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung
daraus ab?

10. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass der Straßen-
verkehr lediglich mit 17 Prozent zur Feinstaubbelastung beiträgt, dass die
Abgase von Diesel-PKW nur für ca. 3 Prozent des Feinstaubaufkommens
in Deutschland und die Lastwagen für lediglich weitere 4 Prozent verant-
wortlich sind, und welche Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung
daraus ggf. ab?

11. Aus welchen anderen Quellen werden Feinstaubpartikel in jeweils wel-
chem relativen Umfang emittiert und gedenkt die Bundesregierung mit
Blick auf diese Partikelemissionen tätig zu werden?

12. Welcher Anteil der regionalen oder lokalen Feinstaubpartikelimmission ist
nach Kenntnis der Bundesregierung überhaupt auf menschliches Handeln
(bzw. Unterlassen) zurückzuführen?

13. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Entstehungs-
zusammenhänge der Feinstaubbelastung lediglich zu etwa einem Drittel
wissenschaftlich bekannt sind, und dass ein zwei Jahre dauernder Versuch
des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden
unter anderem z. B. ergeben hat, dass es bei Staubmessungen an wenig
befahrenen Stellen zu zehnmal mehr Überschreitungen der Grenzwerte
gekommen ist als an einer vielbefahrenen Bundesautobahn (vgl. Artikel
„Die unsichtbare Gefahr“, in: DER SPIEGEL vom 4. April 2005, S. 90)?

14. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der Rauch einer
einzigen Filterzigarette soviel Feinstaub produziert wie ein 100 Minuten
laufender Dieselmotor?

15. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass eine temporär erhöhte
Feinstaubbelastung maßgeblich auch auf bestimmte Wetterlagen sowie auf
Sachverhalte zurückzuführen ist, die sich der Kontrolle durch die jeweils

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betreffende Kommune entziehen, z. B. weil es sich um ferntransportierten
Staub handelt, der z. B. in benachbarten Ländern entsteht?

16. Hat die Bundesregierung bisher auf internationaler Ebene, insbesondere
mit den benachbarten Partnerländern in der EU, bilaterale Gespräche oder
Verhandlungen mit dem Ziel geführt, die betreffenden Staubbelastungen zu
reduzieren?

17. Wenn nein, weshalb nicht und wenn ja, mit genau welchen Nachbarländern
wurden bisher entsprechende Gespräche oder Verhandlungen mit jeweils
welchen Ergebnissen geführt?

18. Hat die Bundesregierung bisher auf nationaler Ebene insbesondere mit den
betroffenen Ländern sowie den Kommunen und ihren Spitzenverbänden
Gespräche oder Verhandlungen mit dem Ziel geführt, geeignete Maßnah-
men zur Verringerung der Staubbelastung insbesondere in den Innenstädten
zu erörtern und Wege zu deren Realisierung und Finanzierung zu diskutie-
ren?

19. Wenn nein, weshalb nicht und wenn ja, mit genau welchen Ländern wurden
bisher entsprechende Gespräche oder Verhandlungen mit jeweils welchen
Ergebnissen geführt?

20. Wie hoch werden nach Einschätzung der Bundesregierung die Kosten sein,
welche die Kommunen für Maßnahmen zur Eindämmung des Feinstaubs
zu tragen haben werden?

21. Wird sich die Bundesregierung an den Kosten beteiligen, welche den Kom-
munen für Maßnahmen zur Eindämmung des Feinstaubs entstehen wer-
den?

22. Wenn ja, in welcher Höhe und wenn nein, weshalb nicht?
23. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit Inkrafttreten der europäi-

schen Feinstaubrichtlinie ergriffen, um die Entwicklung, die Erprobung
und den Einsatz von Techniken zu fördern, die geeignet sind, die Feinstaub-
belastung insbesondere in den Innenstädten zu verringern?

24. Falls eine Technologieförderung im Sinne der vorstehenden Frage statt-
gefunden hat, welche Techniken wurden weshalb, in welcher Weise und
welchen Ergebnissen gefördert?

Berlin, den 19. April 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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