BT-Drucksache 15/5334

Vorschriften zum Kontenabruf überarbeiten

Vom 19. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5334
15. Wahlperiode 20. 04. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Otto Bernhardt,
Leo Dautzenberg, Georg Fahrenschon, Klaus-Peter Flosbach, Olav Gutting,
Ernst Hinsken, Volker Kauder, Manfred Kolbe, Patricia Lips, Hans Michelbach,
Stefan Müller (Erlangen), Beatrix Philipp, Peter Rzepka, Norbert Schindler,
Christian Freiherr von Stetten, Elke Wülfing und der Fraktion der CDU/CSU

Vorschriften zum Kontenabruf überarbeiten

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes wurde zum 1. April
2003 für Zwecke der Terrorismusbekämpfung in § 24c des Kreditwesengesetzes
ein Verfahren geschaffen, mit dem allein die Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht die Stammdaten (Kontoinhaber, Bevollmächtigter, Geburtsdatum,
abweichende wirtschaftlich Berechtigte und deren Anschrift sowie Angaben zu
den Konten und Depots) aller rund 497 Millionen in Deutschland geführten
Konten und Depots bei den Banken und Sparkassen abfragen kann, ohne dass
die Kontoinhaber oder die Kreditinstitute hiervon erfahren. Dieses Verfahren zur
Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus wurde vom Bundestag begrüßt.
Die im Rahmen des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit in den §§ 93,
93b der Abgabenordnung vorgesehenen Erweiterungen dieser Kontrollmaßnah-
men verfolgen nun das Ziel, insbesondere die verfassungsrechtlich gebotene
Besteuerungsgleichheit bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zu gewähr-
leisten und damit die vom Bundesverfassungsgericht gerügten Vollzugsmängel
zu beseitigen.
Die von der Bundesregierung beschlossenen konkreten Maßnahmen zur Ver-
wirklichung dieses Ziels sind jedoch in mehrfacher Hinsicht kritisch zu beur-
teilen:
1. Kontrollmaßnahmen zur Gewährleistung der Besteuerungsgleichheit sind

immer nur zweitbeste Maßnahmen. Besser ist es, die Besteuerung einfach,
transparent undmaßvoll auszugestalten, damit der Steuerpflichtige die Belas-
tungswirkung versteht und akzeptiert. Angesichts einer im internationalen
Vergleich unverändert hohen Besteuerung von Kapitalerträgen in Deutsch-
land wäre es daher sinnvoll gewesen, die Besteuerung der Kapitalerträge im
Rahmen einer großen Steuerreform neu und maßvoll in der Höhe auszuge-
stalten. Die von Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, im Vermittlungs-
verfahren zugesagte Reform der Besteuerung der Kapitalerträge wurde von
der Bundesregierung nicht verwirklicht. Dabei hätte eine international wett-
bewerbsfähige Besteuerung von Kapitalerträgen auch mehr Menschen dazu
bewegen können, die Brücke zu Steuerehrlichkeit zu beschreiten. Zudem sto-
ßen Kontrollen stets an Grenzen.

Drucksache 15/5334 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
2. Die Bundesregierung hat den Kontenabruf handwerklich schlecht ausgestal-
tet, so dass sogar die Verfassungsmäßigkeit einzelner Vorschriften in Zweifel
gezogen wird. Finanzbehörden sollen auf Ersuchen „anderer Behörden“ vom
Kontenabruf Gebrauch machen können, wenn ein anderes Gesetz an Begriffe
des Einkommensteuergesetzes anknüpft und Ermittlungen nicht zum Ziel ge-
führt haben oder keinen Erfolg versprechen. Welche „anderen Behörden“ ein
solches Ersuchen stellen können, sagt das Gesetz nicht. Dies nun in einer
Verwaltungsanweisung nachholen zu wollen, genügt mit Blick auf das
Bestimmtheitsgebot nicht.

3. Der Kontenabruf ist auch insofern problematisch als er durch die Behörde
dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden muss. Dies ist ein erheblicher Ein-
griff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. In einem Rechts-
staat hat der Bürger ein Recht darauf zu erfahren, wer was wann und bei wel-
cher Gelegenheit über ihn weiß. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist die
nachträgliche Information des Betroffenen dringend geboten und hätte bei
Gesetzesbeschluss eine Selbstverständlichkeit sein müssen.

4. Im Rahmen des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit ist der Kon-
tenabruf seit 1. April 2005 grundsätzlich möglich. Aufgrund der Anhörung
der Experten steht fest, dass die technischen Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen. Deshalb müssen die technischen Voraussetzungen umgehend ge-
schaffen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– den geplanten Kontenabruf auf das unbedingt notwendigeMaß zu begrenzen;
– durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung sicherzustellen, dass die be-

troffenen Bürger/Unternehmen zeitnah über einen erfolgten Kontenabruf un-
terrichtet werden, sofern der Ermittlungszweck dadurch nicht gefährdet wird;

– dem Deutschen Bundestag zeitnah einen mit den Ländern abgestimmten
Gesetzesvorschlag zur Konkretisierung des § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung
vorzulegen, mit dem die abrufberechtigten Behörden abschließend aufge-
führt werden. Außerdem müssen die Anlässe im Gesetz klar definiert
werden, um dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besser
Rechnung zu tragen;

– sicherzustellen, dass der Kontenabruf nur in qualifizierterWeise – z. B. durch
einen Behördenleitervorbehalt – vorgenommen wird;

– dem Deutschen Bundestag kurzfristig einen Bericht über den Stand der tech-
nischen Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit vorzu-
legen.

Berlin, den 19. April 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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