BT-Drucksache 15/5275

Umwandlungskonzept für Truppenübungsplatz Münsingen erarbeiten und umsetzen

Vom 13. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5275
15. Wahlperiode 13. 04. 2005

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Ulrich Heinrich, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Umwandlungskonzept für Truppenübungsplatz Münsingen erarbeiten und
umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Truppenübungsplatz Münsingen (gemeindefreier Gutsbezirk Münsinger
Hardt, Landkreis Reutlingen) liegt auf der Schwäbischen Alb. Das Gelände
befindet sich derzeit noch im Eigentum des Bundesministeriums der Verteidi-
gung. Die Bundeswehr wird sich jedoch im Jahre 2006 ganz von dort zurückzie-
hen. Nach erfolgter Freigabe durch den militärischen Nutzer soll der Truppen-
übungsplatz Münsingen in das allgemeine Grundvermögen des Bundes überführt
und verwertet werden. Die Verwertung obliegt der dem Bundesministerium der
Finanzen nachgeordneten Bundesvermögensverwaltung.
Aufgrund seiner über hundertjährigen Nutzung als Truppenübungsplatz ist das
Gelände mit Kampfmitteln belastet. Das Gelände wurde lange Jahre beispiels-
weise auch von französischen Streitkräften genutzt. Es ist nicht vollständig
bekannt, wo sich Rüstungsaltlasten befinden, da die konkreten Schießbahnen im-
mer wieder geändert wurden und keine vollständige Dokumentation über die Lage
der Schießbahnen vorliegt. Seitens des Bundes wurden Erhebungen zur Erstbe-
wertung der Gefährdungsabschätzung durchgeführt, die eine historisch-geneti-
sche Rekonstruktion und Luftbildauswertung beinhalteten. Die Gefährdungsana-
lyse, die darauf folgen sollte, wurde vorzeitig abgebrochen. Als Eigentümer und
als langjähriger militärischer Nutzer hat der Bund jedoch eine besondere Verant-
wortung für das Gelände und die betroffene Region und deren Entwicklung.
Der Truppenübungsplatz Münsingen ist rund 67 km2 groß. Etwa ein Drittel der
Fläche ist mit Wald bestanden. Ansonsten handelt es sich im Wesentlichen um Of-
fenland mit einer Wanderschäferei. Aufgrund der langjährigen militärischen Nut-
zung ist das Gelände von Besiedlung und Straßenbau frei geblieben. Als einzige
zivile Anwesende auf dem militärischen Sperrgebiet durften Wanderschäfer ihre
Schafherden weiden lassen. Durch die beiden Nutzungsarten (Militär, Wander-
schäfer) wurde das Gebiet entscheidend geprägt. Das Militär hinterließ u. a. Pan-
zerwellen, aus denen sich ca. 1 800 feuchte Tümpel als Lebensgrundlage für viele
Amphibien und Insekten bildeten. Der Truppenübungsplatz wurde während seiner
militärischen Nutzung durch die Bundeswehrverwaltung naturschutzfachlich be-
treut und bei Bedarf von einem eigenen Pflegetrupp gepflegt. Die Schafherden
wiederum bewahren eine offene Landschaft, die der typischen Kulturlandschaft

Drucksache 15/5275 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
auf der Schwäbischen Alb entspricht, wie sie bereits im 19. Jahrhundert für die
Albhochfläche charakteristisch war. Aufgrund der Bewirtschaftung durch Schäfer
konnten insbesondere große Heideflächen erhalten bleiben.
Auf dem Truppenübungsplatz konnte sich bereits vorhandene Flora und Fauna
ungestört entwickeln und einige sonst seltene und geschützte Tier- und Pflanzen-
arten fanden einen idealen Zufluchtsort. Eine Vielzahl der beobachteten Vogel-
arten stehen auf der Roten Liste, wie der Steinschmätzer oder der Rote Milan, des-
sen Weltpopulation zur Hälfte in Deutschland beheimatet ist. Man findet dort
ebenso Vertreter stark gefährdeter Insekten und seltene, gefährdete Pflanzenarten.
Insgesamt konnte eine außergewöhnliche, bedeutsame Landschaft mit hohem
ökologischen Wert erhalten bzw. – beispielsweise durch Bodenverdichtung durch
Panzer – geschaffen werden. Aufgrund seiner großen Fläche und durch die weit-
gehende Unberührtheit ist das Gelände ein einmaliges Naturerbe von europa-
weiter Bedeutung und damit besonders erhaltenswert. Folgerichtig wurde die Flä-
che von der Landesregierung Baden-Württemberg fast vollständig als FFH-Gebiet
gemeldet.
Ein Nach- bzw. Umnutzungskonzept für die zu schließende Liegenschaft der Bun-
deswehr ist bislang nicht vorhanden. Die möglicherweise teilweise erforderliche
Altlastensanierung könnte die Haushalte von Land und Kommunen vor erhebliche
Probleme stellen.
Aufgrund der Vielzahl an Biotopen und schützenswerter Flora und Fauna besteht
an einem ökologisch verträglichen Nutzungskonzept ein nationales Interesse. In
großer Einmütigkeit plädieren beispielsweise Naturschutzverbände, Jagd- und Fi-
schereiverbände für die Erhaltung der Flächen in der heutigen Qualität. Im Mittel-
punkt der Diskussion stehen aber aktuell die Eigentumsfrage, die noch unklare
Belastung mit Kampfmittelresten und die damit zusammenhängenden offenen
Haftungsfragen.
Im Rahmen des Förderprogramms „Errichtung und Sicherung schutzwürdiger
Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung“
fördert der Bund seit dem Jahr 1979 finanziell national bedeutende Teile von Na-
tur und Landschaft. Im Falle des Truppenübungsplatzes ist eine rein finanzielle
Beteiligung des Bundes aber nicht ausreichend. Es geht darum, ein Konzept für
nachhaltige Folgenutzungen des Truppenübungsplatzes Münsingen nach Aufgabe
der militärischen Nutzung zu entwickeln und umzusetzen. Hieran muss der Bund
entsprechend seiner Verantwortung mitwirken.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. ein nachhaltiges Konzept für die Um- und Nachnutzung des Gebietes gemein-

sam mit der Landesregierung Baden-Württemberg, den Standortgemeinden,
Naturschutzverbänden und Vereinen im Sinne eines Biosphärenreservats zu
entwickeln,

2. daran anknüpfend ggf. eine Gefährdungsabschätzung im Hinblick auf die vor-
handene Belastung mit Kampfmitteln durchzuführen und -soweit für die wei-
tere Nutzung erforderlich- das Gebiet auf eigene Kosten von Munition zu säu-
bern,

3. die finanziellen Belastungen aus der Umwandlung in einem der Verantwortung
des Bundes angemessenen Umfang zu übernehmen.

Berlin, den 12. April 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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