BT-Drucksache 15/5197

Einberufungspraxis zum Zivildienst

Vom 22. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5197
15. Wahlperiode 22. 03. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
JoachimGünther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan,
Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther
Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Einberufungspraxis zum Zivildienst

In ihrer Rede anlässlich der Fachtagung „Zukunft der Wehrverfassung“ am
13. November 2004 in Berlin erklärte die Bundesministerin für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt, zur Einberufungspraxis zum Zivil-
dienst:
„(…) Derzeit beruft Peter Struck jährlich rund 70 000 junge Männer ein, ich
rund 90 000. Damit verstoße ich mit Wissen und Duldung der Koalitionsfrak-
tionen schon derzeit gegen den Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass entspre-
chend der Quote der Kriegsdienstverweigerer sie in dem Prozentsatz einberufen
werden sollen wie die Wehrpflichtigen zur Bundeswehr.
Im Durchschnitt verweigert die Hälfte eines Jahrgangs, dies hätte für dieses Jahr
auch rund 70 000 Zivis bedeutet.
Ich verstoße gegen den Koalitionsvertrag, weil es Planungssicherheit geben
muss für die Einsatzstellen und Trägerorganisationen der Zivis, für die jungen
Menschen selbst, für diejenigen, die sie betreuen, also vor allem Behinderte und
natürlich auch für dieMitarbeiterinnen undMitarbeiter des Bundesamtes für den
Zivildienst.
Für Träger und Bundesamt ist ab einer bestimmten Untergrenze die kritische
Größe erreicht, bei der sich weder der Einsatz noch das bisherige Einberufungs-
verfahren, geschweige denn die bisherigen Verwaltungsstrukturen lohnen bzw.
aufrecht erhalten lassen. Diese kritische Untergrenze liegt deutlich höher, als die
von Peter Struck geplanten 55 000 Wehrpflichtigen.
Ich verstoße gegen den Koalitionsvertrag, weil ich für den Zivildienst über das
hinaus, was wir beim Einberufungsalter, Tauglichkeit etc. schon getan haben,
keine zusätzlichen Kriterien habe, um eine Auswahl zu treffen, die einsichtig,
nachvollziehbar und gerecht ist, wer eingezogen wird und wer nicht. (…)“
(Fundstelle:http://www.spd.de/servlet/PB/show/1041823/131104_schmidt_wv.pdf)

Drucksache 15/5197 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Mit dieser Rede hat sich Bundesministerin Renate Schmidt offiziell von der
Einberufungsgerechtigkeit, wie sie im Koalitionsvertrag verankert ist, verab-
schiedet.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesministerin Renate

Schmidt, dass durch die jährliche Einberufung von rund 90 000 jungen
Männern zum Zivildienst bei jährlich rund 70 000 Einberufungen zum
Wehrdienst gegen den Koalitionsvertrag verstoßen wird?

2. Begrüßt die Bundesregierung, dass Bundesministerin Renate Schmidt mit
demArgument, Planungssicherheit für Einsatzstellen, Trägerorganisationen
und das Bundesamt für Zivildienst (BAZ) zu schaffen, mehr junge Männer
zum Zivildienst verpflichtet, als dies im Koalitionsvertrag vereinbart ist?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesministerin, dass nur
durch die erhöhten Einberufungszahlen zum Zivildienst Planungssicherheit
für die Einsatzstellen und Trägerorganisationen der Zivis, für die jungen
Menschen selbst, für diejenigen, die sie betreuen, also vor allem Behinderte,
und natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesam-
tes für den Zivildienst gegeben ist?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesministerin Renate
Schmidt, dass ab einer bestimmten Untergrenze von Einberufungen „die
kritische Größe“ erreicht ist, bei der sich weder der Einsatz der Zivildienst-
leistenden noch das bisherige Einberufungsverfahren, geschweige denn die
bisherigen Verwaltungsstrukturen des BAZ lohnen bzw. aufrechterhalten
lassen?

5. Liegt diese „kritische Größe“ für die durchschnittliche Zahl von Zivildienst-
leistenden auch nach Auffassung der Bundesregierung bei einer deutlich
höheren Zahl als 55 000?

6. Wenn nicht, bei welcher Zahl sieht die Bundesregierung die kritische Unter-
größe erreicht?

7. Wie erklärt die Bundesregierung den Umstand, dass es der sozialliberalen
Koalition in den Jahren bis 1982 gelingen konnte, einen Zivildienst mit
deutlich weniger Dienstleistenden zu organisieren?

8. Welche Einberufungszahlen zum Zivildienst sind jährlich bis 2010 vorgese-
hen (bitte Gegenüberstellung mit den geplanten Einberufungszahlen zum
Wehrdienst)?

9. Aus welchem Grund hat das Bundesamt für Zivildienst (BAZ) die Einberu-
fungspraxis „jung vor alt“ aufgegeben und knapp 2 000 über 23-jährige
Zivildienstpflichtige aufgefordert, sich zum 1. September 2005 einen Zivil-
dienstplatz zu suchen?

10. Was geschieht, wenn diese Zivildienstpflichtigen von sich aus keinen Zivil-
dienstplatz für die Einberufung vorschlagen und die von Amts wegen
besetzbaren Zivildienstplätze nicht ausreichen?

11. Welchen Betrag müsste im Einzelplan 17 des Bundeshaushaltes 2005 der
Ansatz in der Titelgruppe 03 des Kapitels 17 04 ausweisen, wenn beim
Zivildienst wie bei der Bundeswehr in diesem Jahr nur 66 700 Dienstpflich-
tige einberufen würden (bitte Gegenüberstellung der Zahlen)?

Berlin, den 14. März 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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