BT-Drucksache 15/4937

Für mehr Mitsprache des Deutschen Bundestages bei der Rechtsetzung der Europäischen Union nach In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrages

Vom 23. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4937
15. Wahlperiode 23. 02. 2005

Antrag
der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Claudia Winterstein, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Für mehr Mitsprache des Deutschen Bundestages bei der Rechtsetzung
der Europäischen Union nach In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrags

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa erreicht der europäische

Einigungsprozess seinen vorläufigen Höhepunkt. Dieser Vertrag ist ein
Meilenstein in der europäischen Integrationsgeschichte, auch weil er in
wünschenswerter Weise die Stellung der nationalen Parlamente in der euro-
päischen Gesetzgebung stärkt. Zugleich legt der Verfassungsvertrag die
Grundlage, um nach seinem In-Kraft-Treten die Europäische Union durch
den Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zur Entscheidungsfindung mit
Mehrheit im Rat in weiteren Politikbereichen entscheidungs- und somit auch
handlungsfähiger zu machen.
Der Verfassungsvertrag stärkt die nationalen Parlamente, indem er ihre Kon-
trollfunktion sowie ihre konstitutive Rolle bei der Fortentwicklung der Ver-
fassung für Europa anerkennt und sie mit dem Frühwarnmechanismus zur
Subsidiaritätskontrolle stärkt. Der Deutsche Bundestag begrüßt dies und un-
terstreicht, dass er diese wichtige Funktion nur dann wirksam und effizient
wahrnehmen kann, wenn in einem Begleitgesetz seine Mitwirkungsrechte
erweitert und die parlamentarischen Arbeitsabläufe geändert werden. Die
FDP-Fraktion wird entsprechende Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren
unterstützen.
Der Europäische Verfassungsvertrag wird voraussichtlich nicht vor dem
Jahresende 2006 in Kraft treten können, weil er der Ratifizierung durch alle
25 EU-Mitgliedstaaten bedarf. Die FDP-Fraktion bedauert, dass es im Deut-
schen Bundestag bisher keine Mehrheit für ihren Gesetzentwurf zur Einfüh-
rung eines Volksentscheids gegeben hat, der zeitgleich mit den Referenden
in Frankreich und dem Vereinigten Königreich stattfinden könnte.

Drucksache 15/4937 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
2. Der Deutsche Bundestag fordert im Hinblick auf das In-Kraft-Treten des
Verfassungsvertrags, die Rechte des Parlaments in Bezug auf Kontrolle und
Beteiligung an der europäischen Gesetzgebung zu stärken. Insbesondere hält
es der Deutsche Bundestag für erforderlich,
– dass die Bundesregierung gemäß Artikel I-55 Abs. 4 des Verfassungsver-

trags im Europäischen Rat dem Übergang zu qualifizierten Mehrheitsent-
scheidungen im Rat bei der Entscheidung über den mehrjährigen Finanz-
rahmen der Europäischen Union nur zustimmt, wenn sie vorher das
Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag hergestellt hat;

– dass es auch für den Übergang von einstimmigen Entscheidungen im Mi-
nisterrat zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit gemäß Artikel
IV-444 der vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestags bedarf,
wobei der Deutsche Bundestag begrüßt, dass der Verfassungsvertrag die
Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat zum Regelverfahren
gemacht hat. Der Deutsche Bundestag wünscht, dass das neue Regelver-
fahren auf möglichst viele Bereiche der europäischen Gesetzgebung aus-
gedehnt wird;

– dass auf Antrag einer seiner Fraktionen der Deutsche Bundestag über die
Erhebung einer Klage gemäß Artikel 8 des Protokolls über die Anwen-
dung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit be-
schließt;

– dass jede Fraktion des Deutschen Bundestags das Recht erhält, in der
Ständigen Vertretung Deutschlands bei der Europäischen Union vertreten
zu sein, um im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle in Brüssel direkt in
die Entscheidungsfindung der europäischen Gesetzgebung eingebunden
zu sein.

Berlin, den 22. Februar 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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